Es ist überall zu spüren: Die Anspannung steigt – auch wenn im Gesamtklinikum Würzburg Mitte alles bisher gut läuft. Aber es ist die Zahl der Neuinfektionen – und damit verbunden steigende Patientenzugänge, die wir auf uns zukommen sehen. Momentan haben wir zwölf Patienten in Corona-Isolation. Gestern gab es zwei Entlassungen, in der Nacht zwei Neuzugänge. Zwei Patienten werden auf der Intensivstation versorgt. Das klingt stabil. Trotzdem liegt die Anspannung in der Luft.
Ein Grund ist die Situation im Umland und an anderen Standorten. Dort sind die Intensiv-Kapazitäten durch die vielen Corona-Infektionen in Senioreneinrichtungen gefragt. Das haben wir im Klinikum vor Augen, wenn neue Patienten zu uns kommen.
Ich will das anhand der Statistik verdeutlichen: Die durchschnittliche Verweildauer von Corona-Patienten auf der Intensivstation liegt bei zirka 16 Tagen. Die Spanne schwankt zwischen einem Tag und 91 Tagen. Zum Vergleich: Die Intensiv-Verweildauer von Grippe-Pneumonie-Patienten liegt bei knapp unter acht Tagen, bei anderen Lungenentzündungen mit Intensiv-Indikation etwas darüber. Das heißt: Die Verweildauer von Intensiv-Patienten mit Corona-Pneumonie ist doppelt so lang als die von anderen Patienten. Wir müssen also unsere Betten-Kapazitäten im Blick haben, wenn mehr Corona-Patienten zu erwarten sind.
Dr. Held: Wir müssen allen Patienten in der Versorgung gerecht werden
Hinzu kommt, dass wir auch die weitergehende Pflege nach der Entlassung von hochbetagten Patienten, die nicht sofort oder gar nicht mehr zurück nach Hause können, gut organisieren. Im Frühjahr gab es durchaus Engpässe bei den Plätzen in den Pflegeeinrichtungen, mit denen wir kooperieren und auch auf Kurzzeit-Pflegebetten zurückgreifen können. Die Situation ist jedoch besser geworden.
Wir sind in enger Abstimmung mit dem Seniorenstift Juliusspital, aber auch mit Einrichtungen von Stadt und Landkreis in Kontakt. Seniorenheime müssen aktuell mit eventuell mehr Personalausfällen rechnen. Das macht die Planung schwieriger als in normalen Zeiten – ohne Corona. Damit bleibt es eine große Herausforderung, Plätze für die Nachversorgung zu finden. Unser Sozialdienst in der Klinik ist diesbezüglich sehr aktiv.
Also, die Anspannung ist da – und steigt im Klinikum. Wir müssen dennoch die Balance wahren, müssen besonnen bleiben und allen Patienten in der Versorgung gerecht werden – nicht nur denjenigen, die mit Corona zu uns kommen. Das ist manchmal eine Gratwanderung.
Es gibt auch positive Anspannungen. Wir konnten in der Missioklinik am Wochenende die 2000. Geburt feiern. Das ist die eine gute Nachricht. Die andere ist: Alle Geburten können wie geplant betreut werden. Das bestätigte mir ein Kollege von der gynäkologischen Abteilung. Und: Alle Väter oder eine andere Begleitperson können bei der Entbindung dabei sein – und nach der Geburt auf die Wochenstation zu Besuch kommen.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist auch für die Behandlung von Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er in den nächsten Wochen täglich Einblicke in den Klinikalltag unter: www.mainpost.de/corona-tagebuch
