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Würzburg
Dr. Helds Corona-Tagebuch: Der Druck im Klinikum steigt
Innerhalb einer Woche hat sich die Zahl der Covid-Erkrankten verdoppelt, hinzu kommen Personalausfälle. Das fordere das ganze Team, sagt Lungenspezialist Dr. Matthias Held.
Jetzt schon einen fixen Termin für ein Ende aller Corona-Maßnahmen zu nennen, halte er für unglücklich, sagt Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte.
Foto: Archivbild: Daniel Peter | Jetzt schon einen fixen Termin für ein Ende aller Corona-Maßnahmen zu nennen, halte er für unglücklich, sagt Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:02 Uhr

Wir behandeln im Klinikum Würzburg Mitte aktuell 32 Covid-Erkrankte, davon drei auf den Intensivstationen. Damit hat sich die Anzahl der stationären Corona-Patientinnen und -Patienten im Vergleich zu Anfang vergangener Woche verdoppelt. Die hohen Inzidenzen schlagen sich jetzt auch bei uns auf den Stationen nieder – und das stellt uns vor große Herausforderungen.

Denn wie viele andere Betriebe auch, haben wir nach wie vor mit Personalausfällen zu kämpfen. So mussten wir beispielsweise auf verschiedenen Stationen Kolleginnen und Kollegen in der Nachtschicht und im Tagdienst ersetzen, die krankheitsbedingt ausgefallen sind. Mein großer Dank gilt hier dem sogenannten Springer-Pool. Das sind Pflegekräfte, die keiner festen Station angehören und dort aushelfen, wo sie gebraucht werden.

Fehlende Weiterversorgung nach dem Aufenthalt im Krankenhaus

Ein weiteres Problem ist die Weiterversorgung, sprich die Betreuung von Menschen nach dem Krankenhausaufenthalt. Allein vergangene Woche hatten wir mehr als 20 Patienten, die zu Hause dringend Pflege benötigen würden. Nur: Weder ambulant noch stationär war das in vielen Fällen möglich, da die Pflegeeinrichtungen ebenfalls überlastet sind. Das bedeutet, dass wir die Betroffenen nicht entlassen können – was Kapazitäten bindet.

Sicher ist das Thema nicht neu, aber durch die Pandemie hat es sich drastisch verschärft. Ältere Menschen versuchen oft, so lange wie möglich selbstständig zu bleiben. Nicht selten gelingt das nur mit den letzten individuellen Reserven und bei einer akuten Erkrankung sind diese schnell verbraucht. Dann sofort eine Anschlussversorgung zu finden, ist trotz des Engagements des Sozialdienstes schwierig. Viele Betroffene warten relativ lange - schlicht, weil wir zu wenig Pflegekapazitäten in Deutschland haben.

Zwei obdachlose Covid-Patienten, die Unterstützung brauchen

Für uns und andere Kliniken bedeutet das einen immensen Druck auf die Elektiv- und Akutversorgung. Oft gilt es dann, über eine Verweildauerverkürzung an anderer Stelle Bettenreserven zu mobilisieren. Dazu muss die Kommunikation mit den Hausärzten optimal funktionieren und auch diese müssen eine erhöhte Last tragen. Die Engpässe, die durch die Pandemie entstanden sind, betreffen so die gesamte Gesellschaft.

Insgesamt haben wir heute natürlich eine andere Situation in der Pandemie als vor einem Jahr. Damals hatten viele Patientinnen und Patienten schwere Atemstörungen, sie waren massiv beeinträchtig. Jetzt, mit Omikron, verlaufen manche Infektionen leichter. Dennoch sind Infizierte oft richtig krank und können sich nicht alleine versorgen. Zum Beispiel behandeln wir aktuell zwei obdachlose Covid-Patienten, die wir nicht einfach entlassen können, so lange sie positiv sind. Sie brauchen Unterstützung.

Mit Blick auf die Debatte um Lockerungen muss man daher sagen: Bei uns im Klinikum ist der Druck innerhalb nur einer Woche deutlich gestiegen. Sicher ist es sinnvoll, Lockerungen schrittweise vorzubereiten. Allerdings sind wir, was die Patientenzahlen angeht, noch nicht am Gipfel angekommen. Jetzt schon einen fixen Termin für ein Ende aller Maßnahmen zu nennen, ist da aus meiner Sicht unglücklich.

Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (51) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patientinnen und -Patienten zuständig. In seinem Tagebuch gibt er regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag. Alle Folgen finden Sie unter www.mainpost.de/corona-tagebuch

 
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  • H. M.
    wenigstens eine Person, die uns die Lage in Kliniken schildert, wie sie wirklich ist.
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