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Ochsenfurt
Die Zuckerrübenkampagne beginnt: Eine neue Krankheit bereitet den Landwirten Kopfzerbrechen
Durch die Klimaerwärmung breitete sich eine Rübenkrankheit aus, die früher nur in Südländern bekannt war. Was das für die anstehende Erntesaison bedeutet.
Ein Rübenacker bei Eichelsee zeigt Spuren des Befalls mit dem Stolbur-Erreger. Die äußeren Rübenblätter sind verwelkt und können trotz der günstigen Witterung keinen Zucker mehr bilden.
Foto: Gerhard Meißner | Ein Rübenacker bei Eichelsee zeigt Spuren des Befalls mit dem Stolbur-Erreger. Die äußeren Rübenblätter sind verwelkt und können trotz der günstigen Witterung keinen Zucker mehr bilden.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:28 Uhr

Am 4. Oktober beginnt die Rübenverarbeitung in der Ochsenfurter Zuckerfabrik. Bislang war man von einer guten Ernte ausgegangen, doch seit einigen Wochen bereitet eine neue Rübenkrankheit, die hierzulande bisher nur bei Kartoffeln und bei Weinreben aufgetreten war, den Landwirten Kopfzerbrechen. Gerade der besonders ertragreiche Ochsenfurter und Uffenheimer Gau ist von der Krankheit betroffen, deren Ausbreitung sich auf die Klimaerwärmung zurückführen lässt.

Die Rede ist vom Stolbur-Bakterium, das sich in den Leitungsbahnen der Rüben einnistet, wie Klaus Ziegler vom Verband Fränkischer Zuckerrübenbauern (VFZ), erläutert. Das führt dazu, dass die großen äußeren Rübenblätter, die hauptsächlich für die Zuckerbildung verantwortlich sind, verwelken und der Zelldruck in den Rüben nachlässt. Letzteres hat zur Folge, dass die Rüben ihre Festigkeit verlieren –  Fachleute sprechen von „Gummirüben“.

Der Urheber der Krankheit ist den fränkischen Rübenbauern seit einigen Jahren schon bekannt. Es handelt sich um die Schilf-Glasflügelzikade, ein Insekt aus südlicheren Breiten, das sich als Folge der Klimaerwärmung zunehmend auch hierzulande ausbreitet. Nach der Eiablage im Juli wandern die Larven in den Boden und saugen an den Wurzeln der Rübe. Neben dem Stolbur-Erreger übertragen sie dabei auch die Rübenkrankheit SBR, die zu einem Abbau des Zuckergehalts führt. 

Bisher keine Auswirkungen auf die Zuckergehalte

Simon Vogel von der Rübenabteilung des Ochsenfurter Südzucker-Werks geht davon aus, dass südlich der Linie Würzburg-Kitzingen etwa die Hälfte aller Rübenfelder in unterschiedlichem Ausmaß von der Stolbur-Krankheit betroffen sind. An den Zuckergehalten sei bislang noch kein Unterschied zwischen befallenen und nicht befallenen Beständen feststellbar, allerdings trete das Phänomen erst seit drei Wochen verstärkt auf.

"Wir können im Moment noch nicht abschätzen, wie sich diese neue Erkrankung auswirkt", so Vogel, "man weiß einfach noch zu wenig darüber." Sicher ist allerdings, dass die "Gummirüben" leicht durch die mechanische Belastung bei der Ernte und Verladung beschädigt werden und danach sehr schnell zu faulen beginnen – gerade angesichts der spätsommerlichen Temperaturen zurzeit.

Wirksamste Gegenmaßnahme aus Sicht des Anbauerverbands ist eine zügige Verarbeitung der befallenen Rüben. "Rodung, Abfuhr und Verarbeitung müssen 'just in time' passieren", sagt VFZ-Geschäftsführer Klaus Ziegler. Das stellt vor allem die Zuckerfabrik vor eine logistische Herausforderung, sagt Simon Vogel, deren Lagerkapazität normalerweise für drei Verarbeitungstage reicht, um etwa Wochenenden oder Regentage überbrücken zu können.

VFZ-Geschäftsführer vertraut auf Fortschritte bei der Rübenzüchtung

"Es ist noch kein Horrorszenario", beschwichtigt Klaus Ziegler die Befürchtungen. Wie bei SBR sei er zuversichtlich, dass die intensive Forschung auch hinsichtlich der "Gummirüben" bald die ersten Erfolge zeitigt, etwa durch neue, resistente Züchtungen und eine angepasste Fruchtfolge. Auch Simon Vogel klingt optimistisch: "Es kann sein, dass der starke Befall ein Jahreseffekt ist, der auf die besondere Konstellation in diesem Jahr zurückzuführen ist", sagt er. 

Diese Konstellation wurde durch eine Regenperiode während der Saatzeit im April geprägt, die dazu führte, dass ein Teil der Rüben erst mit zweiwöchiger Verspätung gesät werden konnte. Dank der hohen Bodenfeuchte entwickelten sich die meisten Rübenbestände gut und überstanden auch die Hitzeperiode im Juli unbeschadet. Die Regentage Anfang August und der nachfolgende heiße Spätsommer schufen beste Bedingungen dafür, dass die Rüben bis in den Herbst hinein wachsen und Zucker bilden können. Für die befallenen Bestände ist diese Aussicht nun allerdings dahin, meint Klaus Ziegler. "Dort ist der Zuwachs an Zucker vorbei", sagt er, "jetzt geht es darum, zu retten, was draußen steht." 

Erträge liegen voraussichtlich leicht unter dem fünfjährigen Durchschnitt

Im Durchschnitt der fränkischen Anbaufläche von 23.200 Hektar rechnet Südzucker anhand von Proberodungen mit einem Rübenertrag von 75 Tonnen je Hektar bei einem Zuckergehalt von 17,3 Prozent. Das läge leicht unter dem fünfjährigen Mittel. Auf der Gegenseite profitieren die Zuckerrübenbauern weiterhin vom anhaltend hohen Zuckerpreis. Im Juli 2023 lag das EU-Preisreporting bei 823 Euro pro Tonne und damit doppelt so hoch wie in der Niedrigpreisphase zwischen 2018 und 2021.

"Das ist traumhaft", sagt VFZ-Geschäftsführer Klaus Ziegler. Allerdings hat die Nachrichtenagentur Reuters vor wenigen Tagen darüber berichtet, dass die französische Südzucker-Tochter Saint Louis Sucre ihre Landwirte gebeten hat, die Anbaufläche nicht weiter auszudehnen, um keinen erneuten Preissturz zu riskieren. Hintergrund sind Zuckerexporte aus der Ukraine in die EU, die seit Beginn des russischen Angriffs beträchtlich zugenommen haben. Aus Sicht von Südzucker-Sprecher Dominik Risser könnten Importmengen aus der Ukraine das Potenzial haben, den europäischen Zuckermarkt zu stören. „Stattdessen wäre es politisch ratsam, dass der ukrainische Zucker – wie bei Getreide diskutiert – durch die EU transportiert und in Drittländer reexportiert wird, die Bedarf an Nahrungsmitteln haben“, so Risser auf Anfrage.

Nach der bisherigen Prognose soll die Rübenkampagne in der Ochsenfurter Zuckerfabrik heuer 107 Tage dauern und würde dann in der dritten Januarwoche enden.

 
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  • Hartmut Haas-Hyronimus
    Ja so kommt es halt, wenn wir unser Klima verändern und niemand etwas dagegen tun will. Weitere Untiere und Pilze werden kommen und noch ganz andere Bereiche der Landwirtschaft unrentabel machen. Zucker wird dann halt aus südamerikanischem Zuckerrohr gemacht. Und dort gibt es ja auch Kartoffeln. Schön wäre es aber, wenn endlich mal jemand zu rechnen anfängt und uns das eigentlich schon lange bekannte Ergebnis zur Wahrnehmung bringt, dass die Schäden durch den "Klimawandel" uns erheblich teurer kommen als die Maßnahmen, etwas dagegen zu tun.
    Und berufe sich jetzt nur niemand auf die Chinesen o.ä.. Wenn immer nur die anderen anfangen sollen, wird am Ende keiner etwas tun.
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  • Johannes Metzger
    Die Rahmenbedingungen für den Zuckerrübenanbau in der Region scheinen immer schlechter zu werden. Das Südzuckermanagement hat darauf schon in der Vergangenheit reagiert und den Konzern immer weniger abhängig vom Zuckergeschäft gemacht. Heute macht der Zucker nur noch 1/3 des Gesamtumsatzes aus und soll, wenn man sich die jüngsten Personalentscheidungen anschaut, weiter an Bedeutung verlieren.
    Auch wenn von interessierter Seite immer wieder mandraartig die Zukunft der OCH Zucker schöngeredet wird, werden die Rahmenbedingungen für einen dauerhaften Fortbestand immer schlechter.
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