
Routiniert hockt Magdalena Bieberstein vor der hochschwangeren Saskia, neigt den Kopf ein wenig zur Seite und sagt nach wenigen Sekunden: "Da liegt die Rücken des Babys." Kein Zweifel, das macht ihr Ton deutlich - und tatsächlich, beim Abtasten bestätigt sich ihre Aussage. Mit geübten Griffen ertastet sie Rücken, Beine und Füße des Ungeborenen. Es liegt etwas weit hinten, so ihre Einschätzung. Kurzerhand leitet sie die werdende Mutter zu einer spontanen Turnstunde im Wohnzimmer an. Sie kniet sich auf das Sofa und stellt die Ellenbogen auf den Boden. "Den Kopf nach unten, den Rücken gerade lassen." So könne sich das Ungeborene leichter richtig im Becken positionieren.

Übungen wie diese sind Arbeitsalltag für Magdalena Bieberstein. Sie ist allerdings weder Hebamme noch Physiotherapeutin oder gar Gynäkologin – sie ist Doula. "Eine nichtmedizinische Geburtshelferin", wie Bieberstein es nennt. Ihre Aufgabe sei es, Frauen so zu begleiten, dass sie gestärkt und positiv aus der Geburt herausgehen, erklärt sie.
Der Begriff leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet so viel wie dienen. Und genau so beschreibt die dunkelhaarige Frau mit dem herzlichen Lachen und dem bestimmten Auftreten ihre Aufgabe. Sie begleitet Frauen und Familien nicht medizinisch, sondern emotional vor, während und nach der Geburt. Wie genau diese Betreuung aussieht, bespricht sie individuell mit der Familie. Mal geht es darum, die Frau bei den Wehen anzuleiten, mal darum sie bei der Säuglingspflege oder beim Stillen zu unterstützen und manchmal auch schlichtweg darum, die älteren Geschwister während der Geburt zu betreuen.
Viele Frauen wünschen sich konstante Betreuung während der Geburt
Viele Frauen wünschen sich eine konstante Begleitung während der Geburt. In Kliniken und Krankenhäusern ist das nicht immer gewährleistet. Schichtwechsel bedeutet Hebammenwechsel, daher ist es keine Seltenheit, dass eine Frau von mehreren Hebammen nacheinander versorgt wird. Mancherorts gibt es die Option eine Beleghebamme zur klinischen Entbindung hinzuzuziehen, in Würzburg ist dieser Weg derzeit nicht möglich. Auch eine Eins-zu-Eins-Betreuung bei klinischen Geburten ist die Ausnahme, oftmals betreut die diensthabende Hebamme zwei, drei Frauen gleichzeitig. "Die Betreuung durch die Doula gibt mir Sicherheit. Es ist anders, jemand an der Seite zu haben, der viel Erfahrung hat", erklärt Saskia Schuster ihre Entscheidung eine Doula hinzuzuziehen.
Gerade vor dem Hintergrund des Hebammenmangelsund der vielerorts geschlossenen Geburtstationen sehen immer mehr Frauen eine Doula als konstante Geburtsbegleiterin als Alternative. "Laut der Statistik des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit gab es im Jahr 2017 in Unterfranken 410 freiberuflich tätige Hebammen, von denen rund die Hälfte in der Geburtshilfe tätig ist", teilt das Bayerische Gesundheitsministerium auf Anfrage mit.
Als Konkurrenz zu Hebammen sieht sich Bieberstein nicht, eher als Ergänzung. Weder darf sie medizinische Aufgaben übernehmen, noch medizinische Entscheidungen für die Familie treffen."Doulas haben keinerlei medizinische Funktion und ersetzen daher keine Hebammen oder Geburtshelfer", erklärt die Gesellschaft für Geburtsvorbereitung, Familienbildung und Frauengesundheit, die seit 2005eine zertifizierte Weiterbildung zur Doula in Deutschland anbietet. "Doulas haben keine medizinische Ausbildung, greifen nicht in das eigentliche Geburtsgeschehen ein und können weder die Hebamme noch ärztliche Geburtshelfer ersetzen", bestätigt das bayerische Gesundheitsministerium. "Doulas können maximal ein bis zwei Frauen pro Monat begleiten, also werden sie niemals die Lücken schließen können, die Hebammen an vielen Orten hinterlassen", sagt Melanie Schöne vom Verein "Doulas in Deutschland."
Doulas können Paare physisch und psychisch unterstützen
"Ich war schon immer ein Geburtsnerd", erzählt Bieberstein augenzwinkernd, warum sie eine Weiterbildung zur Doula gemacht hat. Die 31-jährige Pädagogin aus Höchberg (Lkr. Würzburg) hat selbst vier Kinder und bietet unter anderem Seminare im Umgang und der Betreuung von Babys an. Vor zwei Jahren entschied sie sich zudem, eine Ausbildungbei der GfG zur zertifizierten Doula zu machen. Dazu gehört neben einem Praktikum im Kreißsaal, bei dem sich die Teilnehmerinnen physiologische Grundkenntnisse von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett aneignen auch das Erlernen von Entspannungs- und Massagetechniken. Doulas erfahren, wie sie ein Paar physisch und psychisch unterstützen können.

In früheren Großfamilien waren das klassische Aufgaben der Mütter und Großmütter. Heutzutage leben die Familien oft in kleineren Einheiten zusammen, Mütter und Großmütter sind nicht immer zur Stelle. "Der größere Rahmen, in dem Familien aufgefangen werden, und das traditierte Wissen fehlt heutzutage oft", erzählt Bieberstein.
Doula als organisatorische Unterstützung
So wie bei Saskia Schuster. Die 31-jährige Krankenschwester lebt erst seit kurzem in Würzburg, auf ein familiäres Netz kann sie hier nicht zurückgreifen. An diesem Mittag sitzt sie mit "Magda", wie sie die Doula freundschaftlich nennt, auf dem Sofa und bespricht die Geburt. "Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist es eine Beziehung zu den Paaren aufzubauen und herauszufinden, was sie sich von der Geburt erwarten", erklärt die Doula. Der offene, freundschaftliche Ton gehört dabei zum Geschäft. "Magda" ist in diesem Fall vor allem eine organisatorische Unterstützung. Eine Hilfe falls der Partner nicht in Würzburg sein kann oder eine Betreuerin für Amina, die achtjährige Schwester des Ungeborenen. "Es sind viele einfache Fragen, die mir noch Sorgen bereiten. Was mache ich, wenn das Baby schreit? Wie ist das richtige Handling mit einem Neugeborenen?" Auch die Frage, wie es Zuhause mit dem Baby weitergeht, besprechen die beiden Frauen im Plauderton.
Beobachtet man die beiden, könnte man sie für Freundinnen halten. Dass die werdende Mutter Bieberstein für ihre Dienste bezahlt, scheint dem Verhältnis nicht zu schaden. Im Gegenteil: Die Empfehlungen der Doula hätten dabei einen entscheidenden Vorteil gegenüber denen von Müttern und Verwandten, die es mit ihren Ratschlägen oft allzu gut meinen. "Meinen Rat müssen die Familien nicht annehmen, ich werde dafür bezahlt. Werden meine Ideen nicht umgesetzt, gibt es nicht gleich Familienstreit", sagt Bieberstein und lacht. Sie sei für die Familien da und stelle keine Erwartungen. "Das Zurückgeben erfolgt auf finanzieller Ebenen. Wenn man es bezahlt hat, scheut man sich auch nicht, nachts um ein Uhr eine SMS zu schicken."

Vorausgesetzt man kann es sich leisten. Denn die Betreuung durch eine Doula muss privat gezahlt werden. Die untere Grenze für die Bezahlung liegt bei rund 600 Euro für zwei Vorgespräche, eine Rufbereitschaft, die in der Regel zehn Tage vor bis zehn Tage nach dem errechneten Geburtstermin andauert, Geburtsbegleitung und ein Nachgespräch.
Leistungen der Doula werden nicht von der Krankenkasse übernommen
Die Leistungen einer Doula werden nicht von der Krankenkasse übernommen. "Eine Doula erbringt keine Leistungen der Geburtshilfe vergleichbar einer Hebamme, sondern Tätigkeiten eher im sozialen Bereich", erklärt das bayerische Gesundheitsministerium. Einerseits erleichtere es die Arbeit nur den Eltern verpflichtet zu sein. "Ich bin mir nicht sicher ob die Qualitätsstandards, die eine Krankenkasse zu Grunde legen würde, auch den Interessen der Eltern entsprechen würde", sagt Bieberstein. Anderseits sei es so Luxus, eine Doula in Anspruch zu nehmen - obgleich es Fonds gibt, die ärmere Familien, die eine Doula-Begleitung wünschen, finanziell unterstützen. "Das sind allerdings noch nicht genug", so Bieberstein. Sie wünscht sich, dass diese Fonds ausgeweitet werden.
Der Bedarf sei ihrer Meinung nach da. Zehn Frauen betreut sie im Jahr, es könnten weit mehr sein. Immer wieder müsse sie Anfragen ablehnen. Ähnlich wie bei Hebammen müssen sich Schwangere schon in den ersten Wochen um eine entsprechende Betreuung kümmern. Saskia Schuster hat rechtzeitig angefragt - und Glück gehabt.