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Würzburg
Die Straßenbahn-Linie 1 nach Würzburg-Versbach: Eine unendliche Geschichte
Warum seit 50 Jahren eine Straßenbahn nach Versbach und Lengfeld geplant, sie aber nie gebaut wurde - und warum es nicht einfach ist, dafür einen Verantwortlichen zu finden.
Ein Zeitungsfoto vom 7. Oktober 1976: Mitten zwischen den Häusern durch will die Straßenbahn als Verlängerung der Linie 1 ihre Trasse bauen, hieß es darunter. Der Fußweg kennzeichnet ungefähr die Grenze zu Versbach. Links der Häuserreihe führt die Hessenstraße entlang, so der Bildtext.
Foto: Hans Heer | Ein Zeitungsfoto vom 7. Oktober 1976: Mitten zwischen den Häusern durch will die Straßenbahn als Verlängerung der Linie 1 ihre Trasse bauen, hieß es darunter. Der Fußweg kennzeichnet ungefähr die Grenze zu Versbach.
Ernst Lauterbach
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:03 Uhr

Gräbt man tief im Archiv dieser Redaktion, so findet sich der erste Hinweis auf eine geplante Verlängerung der Straßenbahn von Grombühl nach Versbach in einem Artikel vom 21. Dezember 1972. Das ist nunmehr 50 Jahre her. Es sei zwischen Stadt und Universität Einigkeit erzielt worden, „dass die Straßenbahn als Massenverkehrsmittel in der Josef-Schneider-Straße zweispurig ausgebaut und bis nach Versbach geführt wird“, hieß es damals. Die Trasse bekam den Namen Linie 1.

Ein 400 Meter langer Tunnel und eine über 100 Meter lange Brücke waren geplant

Vorgesehen war der Anschluss an die Grombühler Linie mit einem rund 400 Meter langen Tunnel unter dem Gelände der Unikliniken hindurch und einer 124 Meter langen viaduktähnlichen Stahlbetonbrücke ins Tal bis zu einer Wendeschleife an den Hochhäusern am Ende der Hessenstraße. Von dort aus könnte die Trasse später unter der B19 hindurch nach Lengfeld und Estenfeld  verlängert werden, hieß es. Lengfeld und Versbach waren damals noch eigenständige Dörfer und kamen erst durch die Gemeindegebietsreform 1978 zur Stadt Würzburg.

Eine der Überlegungen während der Planungen für die Line 1 war,  die Häuserzeile rechts komplett abzureißen, um den Schienen Platz zu machen. Eine andere war die Untertunnelung der Straße.
Foto: Silvia Gralla | Eine der Überlegungen während der Planungen für die Line 1 war,  die Häuserzeile rechts komplett abzureißen, um den Schienen Platz zu machen. Eine andere war die Untertunnelung der Straße.

Gleichzeitig diskutiert wurden übrigens die Verlängerung der Linie 3 in die Winterhäuser Straße, die Linie 5 über die Herieden zum Heuchelhof und weiter nach Rottenbauer, eine Linie 6 über das Frauenland bis nach Gerbrunn (erhoffter Baubeginn spätestens 1977) und eine Linie 7 nach Höchberg. Auch über Linien nach Randersacker und Zell wurde laut nachgedacht. 

Am 1. Januar 1974 wurde das Planfeststellungsverfahren eröffnet

Am 1. Januar 1974 wurde das Planfeststellungsverfahren eröffnet. Aus Versbach kam Gegenwind. Den Dörflern gefiel nicht, dass die Städter die Trasse auf Versbacher Gemarkung über ein geplantes Baugebiet bauen wollten. Gegenstimmen kamen auch von 40 Anwohnern der Hessenstraße, weil die Trasse teils nur wenige Meter an ihren Häusern vorbeiführen sollte, und von einer Bürgerinititative Lindleinsmühle, die alternative Trassenvorschläge vermisste. "Trambahn auf dem falschen Gleis?", titelte der Chronist. Schon damals zogen sich solche Verfahren offensichtlich hin.

Mitte 1977 deutete sich Schlimmes an: "Signal für Line 1 steht auf Halt"

Mitte 1977 deutete sich Schlimmes an: "Signal für Line 1 steht auf Halt", hieß es im Juni, das Bundesverkehrsministerium forderte ein Nahvehrkehrs-Gutachen. Im Dezember war dann endgültig Schluss.  Bonn teilte das Ergebnis des Gutachtens mit: Die Straßenbahn könne nicht gefördert werden. Wenn der Verkehr so zunehme, dass Busse nicht mehr ausreichten, könne erneut geprüft werden, hieß es. Die Pläne waren „gestorben“.

Doch Totgesagte leben länger: Mitte 1985 verkündete der WVV-Aufsichtsrat, bis 1990 sollten rund 100 Millionen Mark in den Ausbau des Straßenbahnnetzes investiert werden. "Mit 100 Millionen voll auf die Schiene", titelte die Zeitung am 25. Juli. Auf der Agenda: Die Linie 1 in die Lindleinsmühle, die Linie 5 zum Heuchelhof, und eine eigene Straßenbahnbrücke über den Main neben der Friedensbrücke für die Linien 2 und 4 in die Zellerau. 40 Millionen Mark wollte die WVV selbst stemmen, für die restlichen 60 Millionen hoffte man wieder auf Bund-Länder-Programme.

Statt Straba wollte man in der Lindleinsmühle eine Verbesserung des Busverkehrs

Inzwischen waren Versbach und Lengfeld ja Würzburger Stadtteile, die es anzubinden galt. Den Versbachern war zur „Hochzeit“ 1978 sogar eine bessere „Verkehrsbedienung des Stadtteils Versbach durch die Würzburger Straßenbahn GmbH“ versprochen worden, wie es im Vertrag hieß.

Bei einer Veranstaltung des Lengfelder SPD-Ortsverein wurden im November 1985 Pläne vorgestellt: Die Strecke sollte wieder in der Josef-Schneider-Straße abzweigen und via Tunnel und Brücke durch die Bayernstraße, die Versbacher Landstraße und die Hessenstraße hinauf zur  Unterführung der B19 fahren und weiter bis hinab ins Kürnachtal und in Verlängerung der Frankenlandstraße bis zu einer Wendeschleife jenseits der Kürnachtalhalle.

Auch in Lengfeld formierte sich Widerstand gegen die Streckenführung

Doch sogleich meldete sich wieder die Bürgerinitiative aus der Lindleinsmühle: Die Streckenführung über Grombühl sei zu umständlich, klagte man. Man wollte stattdessen eine Verbesserung des Busverkehrs. Denn eine Straßenbahn sei "ökonomisch und ökologisch nicht sinnvoll", meinte man  laut einem Zeitungsbericht von 21. November. Eine "Bürgerinitiative Lebenswertes Grombühl" schlug die Streckenführung über die Schweinfurter Straße vor.

Und auch in Lengfeld formierte sich bei einem Treffen der örtlichen Vorsitzenden von CSU, SPD, des Bürgervereins, des Turn- und Sportvereins und des Bund Naturschutz der Widerstand. Dort befürchtete man eine Zerstörung ihres Naherholungs- und Freizeitgebietes im Kürnachtal. Zudem würde mit dem bevorstehenden Ausbau des Greinbergknotens ja auch die Busverbindung in die Innenstadt verbessert, hieß es am 25. März 1986 unter der Überschrift:"Straba-Pläne der WVV zerstören Kürnachtal". 

Für die Lengfelder sollte es nun eine Trasse entlang der neuen Bundesstraße 8 geben

Und es zog sich weiter: Den neuesten Zwischenstand im Januar 1989 stellte der damalige Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende der Würzburger Straßenbahn Jürgen Weber vor: Für die Lengfelder sollte es nun eine Trasse entlang der neuen Bundesstraße 8 bis zum Israelitischen Friedhof an der Werner-von-Siemens-Straße geben.  Bis dorthin sollten die Lengfelder mit Bussen gelangen.

Neuer Ärger zeichnete sich ab, als bekannt wurde, dass für eine mögliche Trasse entweder ein Teilstück der Versbacher Straße untertunnelt werden, oder aber mehr als ein Dutzend Einfamilienhäuser zwischen Lindleshang und Zinklesweg abgerissen werden müssten, wenn nicht, müssten die Schienen direkt hinter den Häusern verlaufen. Weil der Tunnel am teuersten gekommen wäre, erwog die Stadt, die Hausbesitzer mit hohen Abfindungen zu locken. Vergeblich. Die 60 Bewohner organisierten sich und präsentierten zusammen mit der Interessengemeinschaft Würzburger Straßenbahn eine Tunnelvariante. Allerdings ohne Finanzierungsvorschläge.

Die Regierung von Unterfranken verweigerte die Förderung für die Pläne

Auch ein erneuter Vorstoß, die Lengfelder Strecke bis in den Ortskern zu führen, stieß im Stadtteil auf Widerstand. Dieses mal sollte sie entlang der Bundestraße 8 und durch das Kürnachtal bis zum sogenannten Auwäldchen führen, das einer Wendeschleife zu Opfer fallen würde. Dies gefiel nicht.

Im Juli 1991 fiel ein Grundsatzbeschluss des Stadtrates: Die Häuser in der Versbacher Straße dürfen stehen bleiben, dafür wird die Straße auf zwei Spuren zurückgebaut und so Platz für die Straßenbahngeleise geschaffen. Doch dafür verweigerte die Regierung von Unterfranken die Förderung. Durch den Rückbau sei die Leistungsfähigkeit der Straße nicht mehr gegeben, hieß es vom Peterplatz. Ein von der Stadt vorgelegtes Gutachten, das das Gegenteil nachwies, ließ man dort nicht gelten. 

Die Straßenbahn-Linie 1 nach Würzburg-Versbach: Eine unendliche Geschichte

Den Abriss der 15 Häuser in der Versbacher Straße wollte niemand durchsetzen

Blieb also nur der Abriss der 15 Häuser. Doch den damit sicher verbundenen Streit und Ärger scheute man im Rathaus. Die Straßenbahn nach Versbach war damit in weite Ferne gerückt. Eine Lösung mit einer eingleisigen Führung im Bereich der Häuser wurde noch bis 1996 diskutiert, richtig geplant wurde aber wohl nicht mehr. Auch die Pläne für die Anbindung Lengfelds kamen nicht weiter, sie scheiterten am Widerstand fast des gesamten Stadtteils. Den Lengfeldern war ihr Naherholungsgebiet Kürnachtal einfach zu wichtig, als dass sie es einer Straßenbahntrasse opfern wollten. 

Erst in jüngster Zeit wurden die Überlegungen einer Straßenbahn für Versbach und Lengfeld wieder aufgenommen, diesmal unter dem Arbeitstitel "Linie 7". Der Stadtrat hat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Planungen für die mit dieser Nummer geplanten Straßenbahn nach Höchberg wurden inzwischen begraben.

 
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