zurück
WÜRZBURG
Vor 40 Jahren: Versbach und Lengfeld werden Stadtteile
Versbach       -  Ein vierspurige Straße zerschneidet Versbach in zwei Teile.
Foto: Daniel Peter | Ein vierspurige Straße zerschneidet Versbach in zwei Teile.
Ernst Lauterbach
 |  aktualisiert: 27.04.2023 05:48 Uhr

Kommunalwahl 1992. Am Tag der Veröffentlichung der Wahlergebnisse klingelt beim Kollegen von der Landredaktion das Telefon. Ein Leser beschwert sich, dass bei den Landkreisergebnissen Lengfeld nicht zu finden sei. Auf die Antwort des Kollegen, Lengfeld sei ja auch ein Würzburger Stadtteil, tönt ihm ein empörtes „Seit wann denn das?“, aus dem Hörer entgegen. Es hat ziemlich lange gedauert, bis sich manche Mitbürger an die letzten Eingemeindungen im Rahmen der Gemeinde-Gebietsreform am 1. Januar 1978 gewöhnt hatten.

Die bis dahin selbstständigen Orte Lengfeld und Versbach gehörten ab diesem Zeitpunkt zur Stadt Würzburg. Dem voran ging ein langer Kampf der Gemeinden um ihre Selbstständigkeit, hauptsächlich getrieben vom Widerstand der Bürger. Bei einer Bürgerbefragung in Lengfeld zum Beispiel hatten sich 95 Prozent der Einwohner gegen eine Eingemeindung nach Würzburg ausgesprochen, aber davon ließen sich die Verantwortlichen nicht beirren. 16 zu 1 lautete das Abstimmungsergebnis im Lengfelder Gemeinderat, mit dem man sich anschließend für einen Anschluss an Würzburg entschied.

Einer der letzten Landwirte im Stadtgebiet

„Die eine Gegenstimme war mein Onkel Otto Roth“, erinnert sich der Lengfelder Landwirt Wolfgang Roth, einer der letzten Landwirte im Stadtgebiet. Er sitzt jetzt für die CSU im Würzburger Stadtrat. Geholfen hat die Gegenstimme nichts. Es werde einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und viel Fingerspitzengefühls bedürfen, um den Bürgern der neuen Stadtteile das Gefühl zu geben, sie gehörten gleichberechtigt zu Würzburg, war am 29. Dezember 1977 im Fränkischen Volksblatt zu lesen.

„Lengfeld war extrem interessant für die Stadt, weil es viel mitzubringen hatte“, erläutert Wolfgang Roth. „Vor allem viele Grundstücke. Ohne Lengfeld würde es zum Beispiel das Gewerbegebiet Ost nicht geben“, sagt er. Und auch heute profitiere die Stadt von den Gewerbesteuereinnahmen der Betriebe, Autohäuser und Großmärkte, dies sich auf ehemaligen Lengfelder Äckern, wie dem Gewerbegebiet Ost oder entlang der Bundesstraße 19 angesiedelt hätten.

„Allerdings haben wir auch Wünsche an die Stadt“

Nach mittlerweile 40 Jahren hätten sich die Lengfelder auch damit abgefunden, nach eigener 1200-jähriger Geschichte ein Teil der Stadt Würzburg mit rund 11 000 Einwohnern zu sein. „Allerdings haben wir auch Wünsche an die Stadt“, sagt Roth. Für so viele Einwohner fehle Naherholungsraum, speziell in der Ortsmitte entlang der Kürnach, weiß der Lengfelder Stadtrat. Dabei ist es drunten im Tal, rund um das Gasthaus zum Hirschen der Familie Schömig und die alte katholische Kirche, noch ein wenig wie im Dorf. Ein bisschen ist dort noch der Hauch des alten Lengfeld zu spüren.

Da verhält es sich auf der anderen Seite der Lengfelder Höh in Versbach, das nach rund 800 Jahren Eigenständigkeit ebenfalls mit sehr gemischten Gefühlen am 1. Januar 1978 zu Würzburg kam, etwas anders. Selbst das Angebot der Gemeinde Versbach, der Stadt Würzburg im Gegenzug für den Verzicht auf die Eingemeindung 125 Hektar seiner westlichen Gemarkung zu überlassen, hatte nicht geholfen.

Eine geheime Abstimmung in der Gemeinde

„Es gab schon 1971 eine geheime Abstimmung in der Gemeinde. Bei einer Beteiligung von 76 Prozent der Versbacher Einwohner waren 93,24 Prozent gegen eine Eingemeindung“, erzählt Josef Hofmann, der als Versbacher für die Freie Wählergemeinschaft im Würzburger Stadtrat sitzt. „Das hat aber nichts geholfen, der Gemeinderat hat dann letztendlich die Eingemeindung abgesegnet, weil die Stadt die Übernahme gemeindlicher Bauvorhaben angeboten hatte“, weiß Hofmann.

So habe Versbach von der Stadt unter anderem ein neues Feuerwehrhaus mit Schulungsraum und fünf Wohnungen, Geld für die Mehrzweckhalle mit Kegelbahnen und für die Friedhofserweiterung mit einer Aussegnungshalle bekommen, freute sich schon Ende 1978 der frühere Versbacher Bürgermeister Erwin Wolf im Fränkischen Volksblatt. Wolf saß nach der Eingemeindung als SPD-Vertreter in Rat der Stadt Würzburg.

„Der Bau der Straße hat nichts mit der Eingemeindung zu tun“

Die vierspurige Straße durch die frühere Mitte des Dorfes ärgert viele Versbacher, zumal eine Reihe von Gebäuden weichen musste, unter anderem das historische Versbacher Rathaus. „Der Bau dieser Straße hat aber nichts mit der Eingemeindung zu tun“, sagt Josef Hofmann. „Ich habe alte Versbacher befragt, deren Häuser dafür abgerissen werden mussten, die sind schon 1975 ausgezogen.“ Dennoch gibt es auch in Versbach noch schöne Eckchen und Fleckchen.

Versprochen hatte man den Versbachern zur „Hochzeit“ einen bessere „Verkehrsbedienung des Stadtteils Versbach durch die Würzburger Straßenbahn GmbH“, wie es im Vertrag heißt. Zunächst wurde die Buslinie 12 bis zur Brunnenstraße verlängert. Aus den Ende der 1980er Jahre ins Auge gefassten Plänen zur Einbindung Versbachs in eine Straßenbahnlinie, die über Grombühl nach Lengfeld führen sollte, beziehungsweise eine zweite Steckenführung nach Versbach durch das Kürnachtal, wurde nichts. Unter anderem hielt der Bürgerverein Lengfeld die Beibehaltung des Busverkehrs wegen der schwierigen Gleisführung für sinnvoller.

Schließlich wurden die Planungen eingestellt

1991 begann zwar das Planfeststellungsverfahren für die Strecke nach Versbach. Die geplante Trasse wurde dann aber durch die Regierung von Unterfranken abgelehnt, da an einer Engstelle die breite Straße für den Individualverkehr von vier auf zwei Spuren hätte zurückgebaut werden müssen. Daraufhin wurden noch einmal verschiedene Trassen diskutiert. Schließlich wurden die Planungen eingestellt.

Viele Versbacher Bürger fühlen sich auch heute noch von der Stadt stiefmütterlich behandelt, lautete vor kurzem das Credo einer Bürgerversammlung der Initiative„Pro Versbach - Natur und Mensch“. Die Versbacher formulierten schon vor zwei Jahren im Rahmen des Integrierten Stadtteil-Entwicklungskonzepts (ISEK) ihre Forderung nach einer neuen Ortsmitte, besserer Nahversorgung und mehr Naherholungsgebieten im Pleichachgrund. Für eine ebenfalls lange gewünschte Radverbindung in die Innenstadt hat der Stadtrat allerdings vor kurzem 300 000 Euro frei gegeben.

Auch ein angedachtes Baugebiet oberhalb des Vierwindenweges erhitzt die Gemüter. Es soll Kronberg III nahe IKEA ersetzen, wo eine Feldhamsterpopulation den Planern Sorgen bereitet. „Die Erschließung muss durch ein verkehrstechnisches Gutachten geklärt werden, welche Möglichkeiten es dafür gibt“, sagt Hofmann.

„Versbach lädt nicht zum Verweilen ein“

Ihm ist die Ortsdurchfahrt seit langem ein Dorn im Auge. „Versbach lädt nicht zum Verweilen ein, sondern zum Durchfahren“, sagt er. Die vierspurige Straße zerschneide Versbach bis heute. „Man hat damals gedacht, die Verkehrsentwicklung gehe so weiter“, weiß er. „Dafür hat man den Ortsmittelpunkt mit dem Rathaus zerstört. Das muss neu gestaltet werden, unter anderem dafür brauchen wir aber auch Mittel aus der Städtebauförderung, und da müssen wir sehen, wie wir die bekommen.“

Der ehemalige Versbacher Bürgermeister Erwin Wolf und sein Bürgermeister-Vize Alois Sinzinger hatten 1978 die „Erhöhung der Lebens- und Wohnqualität“ als wichtigste Zukunftsaufgabe genannt. Daran hat sich wohl bis heute nichts geändert.

„Der Bau der Straße hat nichts mit der Eingemeindung zu tun.“
Josef Hofmann - Versbacher Stadtrat
Aufbruch und Umzug in Versbach, stand unter diesem Foto.
Foto: Knötig | Aufbruch und Umzug in Versbach, stand unter diesem Foto.
Die alte Lengfelder Hauptstraße und jetzige Laurentiusstraße im Dezember 1977.
Foto: Georg Heussner | Die alte Lengfelder Hauptstraße und jetzige Laurentiusstraße im Dezember 1977.
Am 1. Januar 1978 wurde Versbach nach Würzburg eingemeindet. Nicht jedem gefiel das, wie dieses Foto vom 20. Juni 1978 zeigt.
Foto: Silvio Galvagni | Am 1. Januar 1978 wurde Versbach nach Würzburg eingemeindet. Nicht jedem gefiel das, wie dieses Foto vom 20. Juni 1978 zeigt.
Im Altort hat Lengfeld seinen dörflichen Charakter durchaus erhalten können.
Foto: Johannes Kiefer | Im Altort hat Lengfeld seinen dörflichen Charakter durchaus erhalten können.
Erinnerung an das alte Lengfeld, Entstehungsjahr unbekannt, stand unter diesem Foto vom Dezember 1977.
Foto: Wolfgang Knüpfing | Erinnerung an das alte Lengfeld, Entstehungsjahr unbekannt, stand unter diesem Foto vom Dezember 1977.
Sie besiegelten am 31. März 1976 die Eingemeindung: (von links) Bürgermeister Erwin Wolf (Versbach), der Würzburger Oberbürgermeister Klaus Zeitler und Bürgermeister Helmuth Bühl (Lengfeld). Die Beobachter im Hintergrund sind Gemeinde- und Stadträte.
Foto: Walter Röder | Sie besiegelten am 31. März 1976 die Eingemeindung: (von links) Bürgermeister Erwin Wolf (Versbach), der Würzburger Oberbürgermeister Klaus Zeitler und Bürgermeister Helmuth Bühl (Lengfeld).
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Ernst Lauterbach
CSU
Freie Wähler
Ikea
Josef Hofmann
Landwirte und Bauern
Regierung von Unterfranken
Stadt Würzburg
Verkehrstechnik
Wolfgang Roth
Wünsche
Würzburger Straßenbahn
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top