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Würzburg
Die Chronik der Würzburger Kaiserstraße: Sechs Kapitel von früher Pracht bis zum heutigen Leerstand
Die Kaiserstraße war einmal eine beliebte Einkaufsstraße in Würzburg. Wer kennt noch Geschäfte wie Modehaus Kasper, "Wohnkultur" oder das berüchtigte Café Ludwig?
Eine Ansichtskarte zeigt die Kaiserstraße um 1900.
Foto: Bildarchiv Weppert | Eine Ansichtskarte zeigt die Kaiserstraße um 1900.
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:35 Uhr

Aktuell stehen in der Kaiserstraße sieben Läden leer, teilweise seit Jahren. Früher gingen die Würzburger gerne in den inhabergeführten Geschäften einkaufen. Eine Chronik mit der Entwicklung vom 19. Jahrhundert über Zerstörung und Wiederaufbau bis heute.      

1. Im 19. Jahrhundert: Die Kaiserstraße ist eine der besten Adressen in der Stadt

Blick vom Bahnhofsplatz auf das 1877 erbaute Buchnersche Palais zwischen Kaiser- und Bahnhofstraße. Nach knapp 100 Jahren wurde das Palais 1971 abgerissen, um Platz für das C&A-Geschäft zu machen.
Foto: Sammlung Metz | Blick vom Bahnhofsplatz auf das 1877 erbaute Buchnersche Palais zwischen Kaiser- und Bahnhofstraße. Nach knapp 100 Jahren wurde das Palais 1971 abgerissen, um Platz für das C&A-Geschäft zu machen.

Die Kaiserstraße wird in den 1870er Jahren als Verbindung zum Hauptbahnhof angelegt. In der Zeit, als hier die ersten Pferdebahnen der Stadt fahren, siedeln sich exquisite Textil- und Schuhgeschäfte sowie Großhandlungen an. Da man damals mit der Eisenbahn reiste, ist die Nähe zum Bahnhof ein großer Vorteil. 

Knapp ein Viertel der Kaufleute, Ärzte und Rechtsanwälte, die hier ihren Sitz hatten, sind in dieser Zeit jüdische Würzburger. Darunter sind Farben- und Kistenfabrikanten oder das Kunstgewerbehaus Laredo. Alle jüdischen Geschäftsbesitzer werden durch den NS-Staat bis 1938 enteignet und vertrieben. 

2. Nach dem Zweiten Weltkrieg: In der Kaiserstraße werden Trümmer weggeräumt und ein 100 Jahre altes Palais  abgerissen

Die zerstörte Kaiserstraße im Jahr 1945.
Foto: Walter Röder | Die zerstörte Kaiserstraße im Jahr 1945.

Im Zweiten Weltkrieg wird die Kaiserstraße fast völlig zerstört. Ein dominantes Bauwerk übersteht den Krieg: das 1877 errichtete Buchnersche Palais hinter dem Kaisergärtchen. Es wird wiederhergestellt und von der Deutschen Bank genutzt.

In den 1960er Jahren beschließt die Stadt, das Gründerzeit-Gebäude abreißen zu lassen: Man will Platz für den C&A schaffen. Trotz heftiger Proteste der Bevölkerung wird das Palais 1971 plattgemacht. 

3. In den 1960er Jahren: Einkaufsstraße mit exquisiten Geschäften und stadtbekannter Gastronomie 

Anfang der 60er Jahre drängten sich viele Autos, aber auch viele Menschen durch die Kaiserstraße. 
Foto: Hans Heer | Anfang der 60er Jahre drängten sich viele Autos, aber auch viele Menschen durch die Kaiserstraße. 

In den im sachlichen Stil der Nachkriegszeit errichteten Häusern siedeln sich exquisite Geschäfte an: Modehaus Kasper, Zigarren-Wolsdorff, Feinkost Ziegler . . . Diese inhabergeführten Geschäfte hatten einen guten Ruf und viele Stammkundinnen und -kunden. Auch an das Einrichtungshaus "Wohnkultur" erinnern sich viele alteingesessene Würzburgerinnen und Würzburger noch gut.

An das "Ludwig" sowieso: In der 1948 eröffneten Konditorei, die in ihrer Glanzzeit 14 Konditoren beschäftigt, werden nicht nur Torten verkauft. Zwischen 1 und 3 Uhr nachts ging man in den 60er Jahre zum Tanzen ins Café Ludwig. Zum Sonntagsessen kommen die Familien in den "Würzburger Hof", eine Wurst auf die Hand gibt es bei "Bratwurst-Eckart" und eine Kugel Eis für fünf Pfennige bei "Lazzaris".   

Ein Bild vom Café Ludwig Mitte der 60er Jahre. Hier wurde getanzt. Trotz sorgfältiger Recherche konnte der Rechteinhaber des Fotos nicht ermittelt werden. Rechteinhaber werden gebeten, sich bei der Redaktion zu melden.
Foto: Archiv Mainpost | Ein Bild vom Café Ludwig Mitte der 60er Jahre. Hier wurde getanzt. Trotz sorgfältiger Recherche konnte der Rechteinhaber des Fotos nicht ermittelt werden. Rechteinhaber werden gebeten, sich bei der Redaktion zu melden.

4. In den 1990er bis 2000er Jahren ersetzen Filialen die individuellen Geschäfte und die Fußgängerzone kommt

Die Kaiserstraße im Jahr 2010.
Foto: Norbert Schwarzott | Die Kaiserstraße im Jahr 2010.

1992 wird die Straße zur Fußgängerzone – was ihr wenig bringt, da baulich nichts verändert wird, Straßenbahnen und Anlieferverkehr weiterhin die Fahrbahn dominieren und Fußgänger auf die Gehsteige drängen. 1998 fällt die Straßenbahnhaltestelle in der Kaiserstraße weg, weil sie nicht in das staatliche Beschleunigungskonzept passt. Die Stadt plant Umbau und Verschönerung, aber lange wollen sich die Hausbesitzer nicht an den Kosten beteiligen.

Fotoserie

Musikhaus Wittstatt, Schallplatten Holm-Pälz, Samen-Fetzer – immer mehr inhabergeführte Geschäfte schließen. Während es Anfang der 2000er Jahre in der Innenstadt noch durchschnittlich 30 Prozent Filialbetriebe gibt, sind es in der Kaiserstraße schon 70 Prozent. 2002 schließt das Modehaus Kasper, das Café Ludwig 2007, Wolle-Rödel 2019. Heute gibt es nicht mal mehr eine Handvoll Betriebe wie Goldkaiser, Café Kiess oder Apotheken in Familienbesitz.

5. Das Jahr 2015: Mit der 5,8 Millionen Euro teuren Sanierung soll alles besser werden 

Erneuerung der Gleise und des Pflasters in der Kaiserstraße im Sommer 2017.
Foto: Johannes Kiefer | Erneuerung der Gleise und des Pflasters in der Kaiserstraße im Sommer 2017.

2015 beginnt nach 20 Jahren Überlegungen und Planungen die 5,8 Millionen Euro teure Sanierung: Drei Jahre lang werden Asphalt und Pflaster aufgerissen und ein einheitlicher Granitbelag verlegt, es gibt Mülltonen sowie drei geschwungene Bänke, ein Lichtband in Morseschrift mit taktilem Streifen für Sehbehinderte, die Gehsteige werden abgesenkt. Weil für die Pflanzung von Bäumen wegen Kanälen und Leitungen nicht genug Platz im Boden ist, werden im Sommer Pflanzkübel aufgestellt. 

Die gleichzeitig angedachte Renovierung der Fassaden, die Hauseigentümer durch eine Förderung schmackhaft gemacht wurde, führten laut Stadt allerdings nur wenige durch.

6. Heute: Leerstand und Billigläden in der Kaiserstraße

Ein Räumungsverkauf in der Kaiserstraße. Auch dieses Geschäft zieht aus. 
Foto: Daniel Peter | Ein Räumungsverkauf in der Kaiserstraße. Auch dieses Geschäft zieht aus. 

Leerstand in der Kaiserstraße  war bereits vor Corona ein größeres Problem wie in der übrigen Innenstadt. Bereits 2019 stehen hier einige Läden lange leer. In den nächsten Jahren verschärft sich das Problem: Aktuell sind sieben Geschäfte nicht vermietet, teilweise schon seit Jahren. Zwei weitere schließen in den nächsten Wochen. Das Angebot der verbleibenden Geschäfte bewegt sich immer mehr ins untere Preissegment.

Trotz sorgfältiger Recherche konnten nicht alle Rechteinhaber der Fotos ermittelt werden. Rechteinhaber werden gebeten, sich bei der Redaktion zu melden.

 
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  • fuchs-josef@t-online.de
    Immer die bösen Hauseigentümer man kann es nicht mehr hören
    Was für Geschäfte sucht oder will der Kunde in der Kaiserstrasse haben?
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  • coladeris
    Wie wunderschön die Kaiserstraße mal war, als noch keine Fahrräder rumstanden
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  • stotch
    Liegt ganz klar an den Fahrrädern und nicht an einem Weltkrieg
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  • Ironic
    Der Röntgenring trennt den Bahnhof zu stark von der Stadt ab.
    Die Nähe zum Bahnhof bringt nichts.
    Und in der Innenstadt ist es eher eine Randlage.
    Und Grombühl und Äußere Pleich sind ebenfalls durch Ring und Bahnhof bzw Gleise getrennt.
    Keine gescheiten Parkplätze in der Nähe tun das Übrige.
    Bestenfalls eine 1C- Lage
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  • xyz12
    > Im Zweiten Weltkrieg wird die Kaiserstraße fast völlig zerstört.
    Da muß ich widersprechen. Man hätte hinter den erhaltenen und gesicherten Fassaden auch neu aufbauen können. Damit wäre das Schicksal der Kaiserstraße möglicherweise abwendbar gewesen. Warum? Menschen möchten sich in sich einer Umgebung bewegen und aufhalten, die Authentizität vermittelt.

    Dieter Wieland ("Topogragphie - Bauen und Bewahren", Serie im BR) hätte die Entwicklung trefflich kommentiert: "Diese neumodischen, nichtssagenden Fassaden ohne jeden ansprechenden Geschmack. Hingeklotzt ohne lebendig zu wirken. Den Todesstoß hat man dadurch gesetzt, daß man bei der Sanierung das architektonische Grauen nicht wenigstens durch oredenlich Grün kaschiert hat. So, wie man es sich in der Kaiserstraße in Heilbronn als Blaupause zu Gemüt führen kann". Und dsa Argument, es sei nicht genug Platz in Würzburg, führt gerade dieses Beispiel ebenfalls ad absurdum.
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  • giacomo
    @xyz12: "Man hätte hinter den erhaltenen und gesicherten Fassaden auch neu aufbauen können." Ich möchte den Leuten von damals keine Vorwürfe machen. Die Würzburger wollten ihre Stadt damals so schnell wie möglich wieder aufbauen. Ob die stehengebliebenen Fassaden aufgrund der massiven Hitze, verursacht durch Stabbrandbomben, noch stabil genug waren, ist wahrscheinlich zu bezweifeln.
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  • freihold
    ...eine zeitgemäße Visitenkarte Würzburgs werden.
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  • freihold
    Die historische Bildergalerie ist wirklich beeindruckend und erinnert uns Ältere lebhaft an Nachkriegsjahrzehnte um 1970 folgend, als Kaiserstraße, Domstraße und Schönbornstraße noch echte Einkaufsmittelpunkte waren, dort das meiste verfügbare Geld ausgegeb en wurde. Doch die Zeiten haben sich längst geändert. Nostalgie hilft nicht weiter.
    Heutzutage ist ein gelungener Mix von Einkauf, Gastronomie, Kunst und Entertainment gefragt. Die Kaiserstraße bedarf bedarf kreativer Impulse von außen. Schließlich muss sie wieder eine
    Darauf müssen sich Städteplaner und Gewerbetreibende einstellen.
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  • Funkenstern
    Die Eigentümer leben noch in der "guten alten Zeit" Sprich: melken und kassieren. Bevor die Kuh wieder Milch geben wird, muss man sie erst wieder anfüttern. Sprich Investitionen, reelle Mieten, die den heutigen Gegebenheiten angepasst sind und Entgegenkommen bei Anfängern.
    Man kann diese Mietwucherpreise nicht mehr erwirtschaften, die die Eigentümer aus der Vergangenheit gewohnt waren. Kleinere Brötchen können auch satt machen.
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  • freihold
    Die Chronik der Kaiserstraße mit einer Reihe historischer Fotos ist wirklich beeindruckend. Wir Ältere erinnern uns gerne an Zeiten, als diese Einkaufsmeile ebenso wie Domstraße und Schönbornstraße noch echte Einkaufszentren waren. Menschen bereit waren, dort ihre wichtigsten Einkäufe vorzunehmen, Geld auszugeben. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute erscheint es
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  • stotch
    Am Straßenbelag wird es wohl nicht liegen. Der ist trotz Sanierung heute sicher nicht der schönste, war aber um 1900 auch nur einheitlich grau gepflastert und in den 60ern vor lauter Verkehr kaum zu sehen.

    Den Flair auf dem Foto von 1900 machen ganz klar die Fassaden und auch in den 60ern waren die Neubauten zumindest zeitgemäß und modern. Hier hat 'Die Stadt' aber nur wenig Einfallsmöglichkeiten. Der Ball liegt ganz klar bei den Eigentümern.
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  • peterlesbub
    Wäre ich Kaiser, würde ich mein Einverständnis zur Straßenbezeichnung zurückziehen.
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  • zaunbau.guckel@t-online.de
    Am besten gefällt mir das Bild aus den 60ern. Da war noch Leben in der guten alten Kaiserstraße. Heute durch die Straße zu laufen ist echt erschreckend. Nur noch Billigläden und Einheitsbrei, geschweige denn die vielen Leerstände. Wirklich traurig, was aus der Kaiserstraße geworden ist.
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  • juergenmagic@t-online.de
    Genau, da konnte man noch mit dem Auto durchfahren und nicht so außenrum wie heute zwinkern kannte ich auch noch.
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  • kej0018@aol.com
    @walkerfriend

    Sollten Sie ihren alias nicht besser in Driverfriend umbenennen?
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  • mainpost@swamp.franken.de
    "Weil für die Pflanzung von Bäumen wegen Kanälen und Leitungen nicht genug Platz im Boden ist, werden im Sommer Pflanzkübel aufgestellt. "

    Damals wurde doch einige neu verlegt. Hätte man da nicht dafür sorgen können, daß Bäume eingepflanzt werden können?

    Abgesehen davon, hätte man auch ohne Bäume oder mit Bäumen in Behältern wie in der Eichhornstraße zumindest Rasen und Blumen einbauen können. Obwohl, zu der entstandenen Wüste passen Palmen irgendwie ...

    Nachdem die Fußgängerzonen neu gepflastert und versiegelt waren, hieß es dann, man brauche Grünflächen ...
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  • Belph
    "Die Stadt plant Umbau und Verschönerung, aber lange wollen sich die Hausbesitzer nicht an den Kosten beteiligen."

    "Die gleichzeitig angedachte Renovierung der Fassaden, die Hauseigentümer durch eine Förderung schmackhaft gemacht wurde, führten laut Stadt allerdings nur wenige durch."

    Meines Erachtens das Hauptproblem der Kaiserstraße, dass sie einfach keinen Flair mehr hat und da sehe ich die Verantwortung in erster Linie bei den Hauseigentümern.
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  • tommy33
    Tja… ein gutes Beispiel für „Deutschland schafft sich ab“ !
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  • steve67
    Trotz heftiger Proteste der Bevölkerung wurde das Buchner´sche Palais abgerissen. Das scheint in der Geschichte der Stadt so Usus zu sein, dass Politiker gegen die Bevölkerung über Bauten entscheiden. Eher selten zum Guten....
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Wer sich den Neuerungen entgegenstellt - @ steve67 -

    ist ein Waldschrat, wie wir seit dem Scheitern der Arcaden wissen... auch wenn das Dingen die Kaiserstraße wahrscheinlich noch schneller fertiggemacht hätte.
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