Aktuell stehen in der Kaiserstraße sieben Läden leer, teilweise seit Jahren. Früher gingen die Würzburger gerne in den inhabergeführten Geschäften einkaufen. Eine Chronik mit der Entwicklung vom 19. Jahrhundert über Zerstörung und Wiederaufbau bis heute.
1. Im 19. Jahrhundert: Die Kaiserstraße ist eine der besten Adressen in der Stadt
Die Kaiserstraße wird in den 1870er Jahren als Verbindung zum Hauptbahnhof angelegt. In der Zeit, als hier die ersten Pferdebahnen der Stadt fahren, siedeln sich exquisite Textil- und Schuhgeschäfte sowie Großhandlungen an. Da man damals mit der Eisenbahn reiste, ist die Nähe zum Bahnhof ein großer Vorteil.
Knapp ein Viertel der Kaufleute, Ärzte und Rechtsanwälte, die hier ihren Sitz hatten, sind in dieser Zeit jüdische Würzburger. Darunter sind Farben- und Kistenfabrikanten oder das Kunstgewerbehaus Laredo. Alle jüdischen Geschäftsbesitzer werden durch den NS-Staat bis 1938 enteignet und vertrieben.
2. Nach dem Zweiten Weltkrieg: In der Kaiserstraße werden Trümmer weggeräumt und ein 100 Jahre altes Palais abgerissen
Im Zweiten Weltkrieg wird die Kaiserstraße fast völlig zerstört. Ein dominantes Bauwerk übersteht den Krieg: das 1877 errichtete Buchnersche Palais hinter dem Kaisergärtchen. Es wird wiederhergestellt und von der Deutschen Bank genutzt.
In den 1960er Jahren beschließt die Stadt, das Gründerzeit-Gebäude abreißen zu lassen: Man will Platz für den C&A schaffen. Trotz heftiger Proteste der Bevölkerung wird das Palais 1971 plattgemacht.
3. In den 1960er Jahren: Einkaufsstraße mit exquisiten Geschäften und stadtbekannter Gastronomie
In den im sachlichen Stil der Nachkriegszeit errichteten Häusern siedeln sich exquisite Geschäfte an: Modehaus Kasper, Zigarren-Wolsdorff, Feinkost Ziegler . . . Diese inhabergeführten Geschäfte hatten einen guten Ruf und viele Stammkundinnen und -kunden. Auch an das Einrichtungshaus "Wohnkultur" erinnern sich viele alteingesessene Würzburgerinnen und Würzburger noch gut.
An das "Ludwig" sowieso: In der 1948 eröffneten Konditorei, die in ihrer Glanzzeit 14 Konditoren beschäftigt, werden nicht nur Torten verkauft. Zwischen 1 und 3 Uhr nachts ging man in den 60er Jahre zum Tanzen ins Café Ludwig. Zum Sonntagsessen kommen die Familien in den "Würzburger Hof", eine Wurst auf die Hand gibt es bei "Bratwurst-Eckart" und eine Kugel Eis für fünf Pfennige bei "Lazzaris".
4. In den 1990er bis 2000er Jahren ersetzen Filialen die individuellen Geschäfte und die Fußgängerzone kommt
1992 wird die Straße zur Fußgängerzone – was ihr wenig bringt, da baulich nichts verändert wird, Straßenbahnen und Anlieferverkehr weiterhin die Fahrbahn dominieren und Fußgänger auf die Gehsteige drängen. 1998 fällt die Straßenbahnhaltestelle in der Kaiserstraße weg, weil sie nicht in das staatliche Beschleunigungskonzept passt. Die Stadt plant Umbau und Verschönerung, aber lange wollen sich die Hausbesitzer nicht an den Kosten beteiligen.
Musikhaus Wittstatt, Schallplatten Holm-Pälz, Samen-Fetzer – immer mehr inhabergeführte Geschäfte schließen. Während es Anfang der 2000er Jahre in der Innenstadt noch durchschnittlich 30 Prozent Filialbetriebe gibt, sind es in der Kaiserstraße schon 70 Prozent. 2002 schließt das Modehaus Kasper, das Café Ludwig 2007, Wolle-Rödel 2019. Heute gibt es nicht mal mehr eine Handvoll Betriebe wie Goldkaiser, Café Kiess oder Apotheken in Familienbesitz.
5. Das Jahr 2015: Mit der 5,8 Millionen Euro teuren Sanierung soll alles besser werden
2015 beginnt nach 20 Jahren Überlegungen und Planungen die 5,8 Millionen Euro teure Sanierung: Drei Jahre lang werden Asphalt und Pflaster aufgerissen und ein einheitlicher Granitbelag verlegt, es gibt Mülltonen sowie drei geschwungene Bänke, ein Lichtband in Morseschrift mit taktilem Streifen für Sehbehinderte, die Gehsteige werden abgesenkt. Weil für die Pflanzung von Bäumen wegen Kanälen und Leitungen nicht genug Platz im Boden ist, werden im Sommer Pflanzkübel aufgestellt.
Die gleichzeitig angedachte Renovierung der Fassaden, die Hauseigentümer durch eine Förderung schmackhaft gemacht wurde, führten laut Stadt allerdings nur wenige durch.
6. Heute: Leerstand und Billigläden in der Kaiserstraße
Leerstand in der Kaiserstraße war bereits vor Corona ein größeres Problem wie in der übrigen Innenstadt. Bereits 2019 stehen hier einige Läden lange leer. In den nächsten Jahren verschärft sich das Problem: Aktuell sind sieben Geschäfte nicht vermietet, teilweise schon seit Jahren. Zwei weitere schließen in den nächsten Wochen. Das Angebot der verbleibenden Geschäfte bewegt sich immer mehr ins untere Preissegment.
Trotz sorgfältiger Recherche konnten nicht alle Rechteinhaber der Fotos ermittelt werden. Rechteinhaber werden gebeten, sich bei der Redaktion zu melden.
Was für Geschäfte sucht oder will der Kunde in der Kaiserstrasse haben?
Die Nähe zum Bahnhof bringt nichts.
Und in der Innenstadt ist es eher eine Randlage.
Und Grombühl und Äußere Pleich sind ebenfalls durch Ring und Bahnhof bzw Gleise getrennt.
Keine gescheiten Parkplätze in der Nähe tun das Übrige.
Bestenfalls eine 1C- Lage
Da muß ich widersprechen. Man hätte hinter den erhaltenen und gesicherten Fassaden auch neu aufbauen können. Damit wäre das Schicksal der Kaiserstraße möglicherweise abwendbar gewesen. Warum? Menschen möchten sich in sich einer Umgebung bewegen und aufhalten, die Authentizität vermittelt.
Dieter Wieland ("Topogragphie - Bauen und Bewahren", Serie im BR) hätte die Entwicklung trefflich kommentiert: "Diese neumodischen, nichtssagenden Fassaden ohne jeden ansprechenden Geschmack. Hingeklotzt ohne lebendig zu wirken. Den Todesstoß hat man dadurch gesetzt, daß man bei der Sanierung das architektonische Grauen nicht wenigstens durch oredenlich Grün kaschiert hat. So, wie man es sich in der Kaiserstraße in Heilbronn als Blaupause zu Gemüt führen kann". Und dsa Argument, es sei nicht genug Platz in Würzburg, führt gerade dieses Beispiel ebenfalls ad absurdum.
Heutzutage ist ein gelungener Mix von Einkauf, Gastronomie, Kunst und Entertainment gefragt. Die Kaiserstraße bedarf bedarf kreativer Impulse von außen. Schließlich muss sie wieder eine
Darauf müssen sich Städteplaner und Gewerbetreibende einstellen.
Man kann diese Mietwucherpreise nicht mehr erwirtschaften, die die Eigentümer aus der Vergangenheit gewohnt waren. Kleinere Brötchen können auch satt machen.
Den Flair auf dem Foto von 1900 machen ganz klar die Fassaden und auch in den 60ern waren die Neubauten zumindest zeitgemäß und modern. Hier hat 'Die Stadt' aber nur wenig Einfallsmöglichkeiten. Der Ball liegt ganz klar bei den Eigentümern.
Sollten Sie ihren alias nicht besser in Driverfriend umbenennen?
Damals wurde doch einige neu verlegt. Hätte man da nicht dafür sorgen können, daß Bäume eingepflanzt werden können?
Abgesehen davon, hätte man auch ohne Bäume oder mit Bäumen in Behältern wie in der Eichhornstraße zumindest Rasen und Blumen einbauen können. Obwohl, zu der entstandenen Wüste passen Palmen irgendwie ...
Nachdem die Fußgängerzonen neu gepflastert und versiegelt waren, hieß es dann, man brauche Grünflächen ...
"Die gleichzeitig angedachte Renovierung der Fassaden, die Hauseigentümer durch eine Förderung schmackhaft gemacht wurde, führten laut Stadt allerdings nur wenige durch."
Meines Erachtens das Hauptproblem der Kaiserstraße, dass sie einfach keinen Flair mehr hat und da sehe ich die Verantwortung in erster Linie bei den Hauseigentümern.
ist ein Waldschrat, wie wir seit dem Scheitern der Arcaden wissen... auch wenn das Dingen die Kaiserstraße wahrscheinlich noch schneller fertiggemacht hätte.