Wenn Irmgard Schreck an den Herbst 1971 zurückdenkt, dann ist ihr zum Heulen: Damals wurde mit dem so genannten Buchnerschen Palais am Kaisergärtchen ein repräsentativer Bau der Gründerzeit in Schutt und Staub gelegt – und Platz geschaffen für das heutige Modehaus C & A.
Filmmaterial für Würzburg-DVD der Main-Post
Ehemann Albert hat die Abrissarbeiten mit einer Super 8-Kamera vom Haus gegenüber gefilmt. Ein beeindruckendes Zeitdokument, das die heute 82-jährige Seniorin für die Würzburg-DVD der Main-Post zur Verfügung stellt. Und sie hat – gut verstaut in einem Schrank – noch mehr Filmaufnahmen aus dem vergangenen Jahrhundert gefunden.
Wie berichtet, bittet die Main-Post in einer Leseraktion um selbstgedrehte Filme aus dem 20. Jahrhundert, von den 20er bis zu den 90er Jahren. Sie sollen das Stadtleben und besondere Ereignisse zeigen.
Gemeinsam mit der Filmfirma „art & weise“ wird im Laufe des Jahres eine einzigartige Würzburg-DVD produziert, ein filmisches Porträt der Stadt aus teils unbekannten und überraschenden Blickwinkeln. Auch Zeitzeugen kommen zu Wort. Die Main-Post ist weiter auf der Suche nach privatem Filmmaterial.
Ehemann filmte ab 60er Jahre
Irmgard Schreck hat sich gerne in der Redaktion gemeldet. Sie erinnert sich noch gut daran, wie sich ihr Mann Albert Anfang der 60er Jahre seine erste Kamera gekauft hat, „die war ziemlich teuer.“ Während die Gattin durchaus Zweifel ob dieser Investition hatte, war der Hobbyfilmer von seinen Aufnahmen überzeugt: „Die werden einmal wertvoll...“ Jetzt zum Beispiel, wenn sie Eingang finden in den Würzburg-Film.
15 Spulen hat Irmgard Schreck dieser Tage aus dem Schrank geholt. Festgehalten sind darauf neben dem Familienleben mit zwei Töchtern auch Würzburger Ereignisse, an die sich ältere Jahrgänge noch gut erinnern: die Weihe der Domglocken 1966 etwa, ein Fischerstechen aus dem Jahr 1968 oder Aufnahmen vom Kiliani-Volksfest aus dem Fußball-WM-Jahr 1974.
Gesellschaftliche Ereignisse aus 60er und 70er Jahren
Würzburger Faschingszüge, damals noch unter Beteiligung schneidiger US-Kapellen, gehören ebenso zum Fundus wie das Hochwasser 1970, Deutsche Schwimmmeisterschaften im Dallenbergbad oder Ausflüge auf die Festung in den 60er Jahren.
Besonders nah gehen Irmgard Schreck aber die Filmausschnitte aus dem Jahr 1971 mit dem einstürzenden Buchnerschen Palais, das viele noch als Gebäude der Deutschen Bank aus der Nachkriegszeit kennen. „Es ist unfassbar, dass die Stadt damals den Abriss zulassen konnte“, ist die 82-Jährige noch heute enttäuscht.
Persönliche Erinnerunge bis in Vorkriegszeit
Das Architekturjuwel aus der Gründerzeit, erbaut 1877, war vom Bahnhof aus ein wunderbares Entrée zur Innenstadt. Irmgard Schreck kannte das Haus aus frühester Kindheit. Ende der 30er Jahre wohnte ihre Familie am nahen Röntgenring, die Kinder tobten in der Nachbarschaft und im Glacis herum, das Palais am Eingang zur edlen Kaiserstraße war ihnen nur allzu vertraut.
Im Flammeninferno des 16. März 1945 brannte das Gebäude aus – später musste das oberste Stockwerk abgetragen werden, Gauben wurden aufgesetzt. Hier fanden die Eltern von Irmgard Schreck, eine geborene Dietz, 1950 für einige Jahre eine Dachwohnung – ehe sie die Straßenseite wechselten: Gegenüber in der Kaiserstraße 31 führten die Eltern bereits seit 1929 die renommierte Konditorei/Café Dietz – nach der völligen Zerstörung zunächst 1949 eingeschossig neu errichtet, später wurden vier Etagen draufgesetzt. Die Familie zog in den obersten Stock.
Abriss des Palais festgehalten
Von hier aus richtete Albert Schreck Ende Oktober 1971 seine Kamera auf die Abrissarbeiten an der Deutschen Bank: Alle Proteste aus der Bevölkerung, von Verbänden und Presse hatten nichts genützt – der Würzburger Stadtrat gab das Buchnersche Palais zum Abriss frei.
„Was waren das für wunderbare Figuren und was für eine herrliche Fassade aus rotem Sandstein“, trauert Irmgard Schreck dem Gebäude so nach, wie es noch etliche ältere Würzburger tun werden. Aufhalten konnte die Bagger damals niemand. Manche Figuren wurden privat verkauft, wertvolle Fassadenelemente teilweise eingelagert.
Zumindest in den Filmaufnahmen ist das Buchnersche Palais, benannt nach der einstigen Baufirma – noch als Stück Würzburg aus dem vergangenen Jahrhundert vorhanden – Albert Schreck sei Dank. Auch den Bau des heutigen C&A-Gebäudes an gleicher Stelle hat er dokumentiert und liefert damit ein weiteres spannendes Zeitzeugnis für den geplanten Würzburg-Film.
Main-Post sucht weiteres Filmmaterial
Haben auch Sie noch alte Filmspulen mit Würzburg-Aufnahmen zuhause? Dann machen Sie mit beim großen Leser-Filmprojekt der Main-Post.
Ihr Beitrag zum Würzburg-Film
Wer eigene Filmausschnitte zu der Würzburg-DVD beisteuern möchte, kann die entsprechenden Bänder oder Filmrollen bei der Main-Post abgeben, am besten direkt in der Würzburger Lokalredaktion: Schönthalstraße 6 (1. Stock), 97070 Würzburg, oder in unserer Geschäftsstelle in der Plattnerstraße 14. Auch eine Zusendung per Post ist möglich – bitte gut geschützt in einem wattierten Umschlag.
Verarbeitet werden können alle heute gängigen und die meisten der früher üblichen Film- (Super 8, Normal 8, 9,5 oder 16 mm) und Video-Formate (U-Matik, Video8, Hi8, VHS-C, S-VHS, DV, DVCAM Betacam-SP). Die Firma „art & weise“, die das Projekt für die Main-Post umsetzen wird, trägt Sorge dafür, dass das Material sorgfältig aufbewahrt, pfleglich behandelt und nach Gebrauch zurückgelangt. Wer Aufnahmen zur Verfügung stellt, sollte darauf achten, dass er dem Film das Freigabedokument (erhältlich von der Main-Post) und eine Kurzbeschreibung hinzufügt, aus der hervorgeht, welche Besonderheit zu sehen ist und an welcher Stelle. Wichtig ist darüber hinaus ein möglicher Hinweis auf Sequenzen, die keinesfalls veröffentlicht werden sollen.
Ansprechpartner in der Würzburger Lokalredaktion der Main-Post sind Andreas Jungbauer, Tel. (0931) 6001-780, E-Mail: andreas.jungbauer@mainpost.de, und Karl-Georg Rötter, Tel. (0931) 6001-160, E-Mail: karl-georg.roetter@mainpost.de