"Das ist auch ein Grund, warum viele Traditionsgeschäfte in der Nachbarschaft verschwunden sind", weiß der 64-Jährige: "Die Nachkommen finden ihren Lebensinhalt nicht mehr so in der Arbeit wie wir." Das sagt Weismantel zu seiner Cousine Hildegard Jung, Seniorchefin im Corso-Kino. Die beiden Familienbetriebe, sind so ziemlich die letzten der Straße.
Feinkost Ziegler, Drogerie Nägler, Betten Kestler - andere Traditionsgeschäfte mussten schließen, weil ihre Waren woanders billiger angeboten werden oder dort vor der Tür geparkt werden kann. Letzteres ist für Weismantel ein Standort-Nachteil der Kaiserstraße, den die Stadt verschärft hat: "Die Einführung der Fußgängerzone 1992 war ein Fehler und schadet auch den ansässigen Arztpraxen."
Das nächste Problem ist der Wegfall der Straba-Haltestelle im Jahr 1998. Verantwortlich dafür ist die Regierung von Unterfranken: Wie die Würzburger Straßenbahn (WSB) mitteilt, störe die Haltestelle das staatliche Beschleunigungskonzept. Damit ist laut Weismantel die Anbindung an die Einkaufsmeile Domstraße/Schönbornstraße gekappt und ein Rückgang der Laufkundschaft die Folge. "Seitdem ist die Kaiserstraße eine Insel."
Schuhe, Mode, Pommes - in der Kaiserstraße kann man heute vor allem Artikel von Filialisten kaufen. Persönliche Beratung und individuelles Angebot der verschwundenen Spezialisten fehlen manchen Kunden. Dass einige Läden auch schnell nach ihrer Eröffnung wieder verschwunden sind, liegt auch an den hohen Mieten. "Manch ein Hausbesitzer lebt ganz gut in Florida," sagt Weismantel.
Den "extrem schnellen Wechsel" der Geschäfte beklagt auch Anton Dotzel, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft (AG) Kaiserstraße. Er fragt sich, wann die Straße endlich repariert wird. Seit zehn Jahren fordert die AG die Absenkung der Gehwege, neue Beleuchtung und Asphaltierung. "Im Sommer letzten Jahres hatten wir einen erneuten Termin mit dem Baureferat, seitdem habe ich nichts mehr gehört," erklärt Dotzel.
Laut Rathaus-Sprecher Ole Kruse liegt das an den Hausbesitzern der Kaiserstraße. Angesichts der Finanzsituation der Stadt müssten diese den 500 000 Euro teuren Straßenumbau zu 70 Prozent bezahlen. Kruse: "Nur ein Viertel der Hausbesitzer hat sich dazu bereit erklärt." Deshalb habe die Stadt entsprechende Pläne auch nicht weiterverfolgt.
Rudolf Weismantel und Hildegard Jung sind in der Kaiserstraße aufgewachsen. Ihnen liegt die 1874 gebaute Straße am Herzen, von Niedergang möchten sie deshalb nicht reden. "Ich verstehe gar nicht, dass die Kaiserstraße so einen schlechten Ruf hat," sagt die Corso-Chefin. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass der früher so gut war: Hinter den prächtigen Häuserfassaden wurden vor dem Krieg nur beste Qualität verkauft, auch drei renommierte Hotels residierten in der Verbindungsstraße zwischen Bahnhof und Innenstadt. "Heute hört die Innenstadt für das Rathaus am Barbarossaplatz auf", meint Hildegard Jung.