
Unterbesetzung, Notbetreuung, Burnout – dass die aufgrund von Personalmangel seit langem schwelende Kita-Krise zu eskalieren droht, ist inzwischen allseits bekannt. Auch in Grundschulen sieht die Personalsituation nicht besser aus. Entsprechend groß war der Andrang beim "StadtGespräch" der Main-Post am Montagabend im Rudolf-Alexander-Schröder-Haus. "Sind Würzburgs Kitas und Grundschulen fit für die Zukunft?" lautete die Fragstellung des Formats, das von den Main-Post Redakteurinnen Katja Glatzer und Lara Meißner moderiert wurde.
Rund 120 Besucherinnen und Besucher waren gekommen, um mit Akteurinnen und Akteuren aus dem Kita-Umfeld und Entscheidungsträgerinnen aus der Region Würzburg zu diskutieren. Entsprechend intensiv war der Austausch von Publikum und Podium, bei dem es viel um Probleme ging – aber auch um Lösungen, denn die Stadt Würzburg hat nach eigenen Angaben einen Plan, den sie dem Publikum beim "StadtGespräch" zumindest teilweise offenbarte.
Würzburger Kita-Mitarbeiterin: Ich weiß nicht, wie lange ich noch Kraft habe
Dafür war es nach Ansicht des Publikums auch höchste Zeit. Wortmeldungen, Erfahrungsberichte, Buhrufe und immer wieder aufkommender Applaus zeigten: Beim Thema Kitas in Würzburg ist enorm viel Druck im Kessel. "Ich weiß nicht, wie lange ich noch Kraft habe, diesen Job auszufüllen", fasste eine Kita-Mitarbeiterin, die sich zu Wort gemeldet hatte, die Stimmung des Publikums zusammen.

"Die Frage ist nicht, wie arbeiten wir, sondern können wir überhaupt arbeiten?", sagte auch Christian Gündling, Kita-Leiter und Vorstandsmitglied der Bildungsgewerkschaft GEW in Würzburg. Aufgrund des Personalmangels stelle sich ihm jeden Morgen die Frage, wie lange seine Kita überhaupt noch öffnen kann. Das verfügbare Personal stehe in keinem Verhältnis zur riesigen Nachfrage, also halte sich seine Einrichtung fast schon dauerhaft mit Studierenden und Freiwilligen über Wasser.
Die schwierigen Arbeitsbedingungen wirkten sich auf das Wohlbefinden der Kinder aus, ergänzte Verena Delle Donne (Leiterin der Erziehungs- und Familienberatung beim Sozialdienst katholischer Frauen). Bindungsschwierigkeiten und aggressives Verhalten seien manchmal die Folge. Nicht immer sei es daher förderlich, den eigentlich benötigten Betreuungszeitraum zwanghaft aufrecht zu erhalten. "Das ist besser als etwas zu erschaffen, das nicht gut ist für die Kinder", sagte Delle Donne.
Stadt Würzburg will keine pauschalen Defizitvereinbarungen unterzeichnen
"Wie sieht es mit Lösungsansätzen aus?", wollte Moderatorin Katja Glatzer von Monika Kraft wissen, die als stellvertretende Fachbereichsleiterin Jugend und Familie die Stadt Würzburg bei der Diskussion vertreten hatte. Sie bezeichnete das Problem als "Gordischen Knoten, der sich kaum lösen lässt" und beteuerte, dass das Thema bei der Stadt hohe Priorität habe und aktuell intensiv in Expertenrunden diskutiert würde. "Wir sind kurz davor, Lösungen vorzuschlagen", sagte Kraft. Mehr könne sie jedoch nicht sagen, weil das Thema erst in den Stadtrat getragen werden müsse.

Hier setzte GEW-Funktionär Gündling an, demzufolge aktuell etwa kommunale Defizitausgleichsverträge diskutiert würden. Diese sollen Kitas gegen finanziellen Mehraufwand schützen, den ein besseres Betreuungsangebot mit sich bringen kann. Außerdem wende die Stadt Würzburg bislang einen doppelten Fördersatz nicht an, der Kindern ab drei Jahren mehr Betreuung ermöglichen soll, und leite staatliche Ausbaufördergelder nicht direkt an Kita-Träger weiter.
"Defizitvereinbarungen werden wir nicht pauschal machen", sagte Monika Kraft. Diese müssten durch teure Controlling-Maßnahmen überprüft werden. Der doppelte Fördersatz werde geprüft, allerdings bedeute der nicht automatisch eine Verbesserung der Bedingungen, denn das dafür notwendige Personal stehe aktuell einfach nicht zur Verfügung. Auch die Ausbauförderung könne nicht ohne weiteres zur Betriebskostenfinanzierung an Träger weitergegeben werden.
Stadt Würzburg: Die Botschaft ist angekommen, Kitas brauchen mehr Geld
"Sie brauchen mehr Geld zur laufenden Betriebskostenfinanzierung. Die Botschaft ist angekommen", beteuerte die stellvertretende Fachbereichsleiterin dann dennoch. Außerdem würden weitere Ansätze geprüft. Denkbar sei etwa, die Öffnungszeiten von Kitas je nach schwerpunktmäßigem Bedarf zu kategorisieren. Außerdem müsse die Frage gestellt werden, ob Angebote wie musikalische Frühförderung zugunsten einer ausreichenden Grundversorgung reduziert werden könnten.
Doch nicht nur die Würzburger Kitas leiden unter dem eklatanten Personalmangel. Angela Berndt, Grundschullehrerin und Fachgruppensprecherin der GEW Unterfranken für Grund- und Mittelschulen, gab zu bedenken, dass nicht einmal jeder Klasse in Würzburg eine ausgebildete Lehrkraft zur Verfügung stünde. Zudem habe Würzburg keine "mobile Reserve", die im Krankheitsfall unkompliziert einspringen könnte. Lösungen müssten die Lehrkräfte für sich selbst finden. "Das kann man mal machen, aber wenn das der Normalfall ist, leidet das soziale Gefüge", so Berndt.
Bürgermeisterin Judith Roth-Jörg, zu deren Verantwortung die Schulen in Würzburg gehören, bestätigte das Problem, verwies aber auch auf die staatliche Verantwortung beim Thema Schulen. "Entscheidend ist, dass wir Probleme gemeinsam angehen", sagte Roth-Jörg dann auch abschließend. Hier knüpfte auch Fachbereichsleiterin Monika Kraft an, die an dem Abend wohl die schwierigste Rolle gehabt hatte. Sie bat darum, Fehler der Verwaltung, die sich nicht immer verhindern ließen, zu verzeihen und sagte: "Wir brauchen für diese anstrengende Herausforderung Gnade miteinander."