zurück
Würzburg
Demos in Würzburg, Schweinfurt und der Region: Wie viel bringt es wirklich, gegen rechts auf die Straße zu gehen?
Im Interview spricht der Würzburger Bariş Yüksel über den Rechtsruck innerhalb der Gesellschaft und warum nicht nur die AfD Schuld daran ist, sondern alle Parteien.
In Würzburg lockten die Demonstrationen gegen Rechts mehrere tausend Menschen auf die Straße.
Foto: Patty Varasano | In Würzburg lockten die Demonstrationen gegen Rechts mehrere tausend Menschen auf die Straße.
Gina Thiel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:21 Uhr

Sie wollen ein Zeichen gegen rechts setzen und zeigen, dass in Deutschland kein Platz für Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung ist. In den vergangenen Wochen gingen hunderttausende Menschen auf die Straße, nachdem das Recherchenetzwerk Correctiv über ein Treffen verschiedener Rechtsextremer Ende vergangenen Jahres in Potsdam berichtet hatte. Dort wurde die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland geplant.

Auch in Würzburg kamen in den vergangenen Tagen tausende Menschen zusammen, um gegen rechts zu demonstrieren. Aber reichen Demonstrationen aus, um einen Rechtsruck der Gesellschaft zu verhindern?

Diese Redaktion hat mit Bariş Yüksel, Sprecher vom Würzburger Bündnis Demokratie und Zivilcourage, über diese Frage gesprochen. Er setzt sich seit mehreren Jahren ehrenamtlich gegen Rassismus ein und forscht zu diesem Thema an der Tampere University in Finnland.

Sie engagieren sich seit vielen Jahren in Würzburg für Antirassismus, Antidiskriminierung und gegen Antisemitismus. Was haben die Rechercheergebnisse von Correctiv bei Ihnen ausgelöst?

Bariş Yüksel: Mich haben sie nicht überrascht und auch nicht schockiert. Betroffene von Rassismus warnen seit Jahren vor der Bedrohung durch rechts. Die NSU-Morde, die Anschläge in Halle und Hanau – das ist noch nicht lang her. Trotzdem wurde kontinuierlich weggeschaut. Auch bei der AfD, die nie ein Geheimnis daraus gemacht haben, dass ihr Ziel ein vermeintlich 'reines deutsches Volk' ist. Das ist nichts, was die Leute überraschen sollte und bedeutet, dass alle, die nicht in diese Ideologie passen, in großem Stil abgeschoben werden sollen. Auch das sollte nicht überraschen.

Barış Yüksel arbeitet ehrenamtlich seit vielen Jahren beim Bündnis Demokratie und Zivilcourage und organisiert die Würzburger Woche gegen Rassismus.
Foto: Lisa-Marie Kaspar | Barış Yüksel arbeitet ehrenamtlich seit vielen Jahren beim Bündnis Demokratie und Zivilcourage und organisiert die Würzburger Woche gegen Rassismus.
Dennoch scheint es ja bei vielen Menschen trotzdem etwas ausgelöst zu haben und sie sind auf die Straße gegangen. Was meinen Sie, warum?

Yüksel: Es war schon ein Weckruf, weil es in so einer Deutlichkeit bekannt geworden ist. Auch im Zusammenhang mit bekannten Unternehmen, sodass dann Namen wie "Hans im Glück" oder "Backwerk" genannt geworden sind. Es ist auch nichts Neues, dass Unternehmen mit in diese rechten Netzwerke verstrickt sind. Aber das sind dann mal Namen, die jeder kennt und das hat dann doch bewegt.

Nun gab es dieses starke Zeichen gegen rechts mit den Demos. Reicht das aus, um einen gesellschaftlichen Rechtsruck zu vermeiden?

Yüksel: Absolut nicht. Es ist zwar schön, dass so viele Leute auf die Straße gegangen sind und so viel Potenzial gezeigt haben. Ich glaube aber, dass mit so einer Demo nichts gewonnen ist.

Was können wir als Gesellschaft denn stattdessen tun, damit sich die Geschichte nicht wiederholt?

Yüksel: Was wir brauchen, ist ein Bewusstsein dafür, dass es schon länger eine gesellschaftliche Schieflage gibt. Rassismus ist fest in der Gesellschaft verankert. Rechte und rassistische Positionen finden sich in der gesellschaftlichen Mitte und teilweise auch in progressiven Parteien wieder. In der Politik wird gerade nur darüber gesprochen, wie wir Migration eindämmen können. Das ist die Frage, die alle umtreibt und ich frage mich, ist das wirklich das große Problem? Darauf aufbauend müssen wir Strategien erarbeiten, wie wir uns von dem rechten Gedankengut lösen können.

Was kann man denn als einzelne Person tun, abgesehen vom Demonstrieren?

Yüksel: Ganz genau hinschauen und die politischen Vertreterinnen und Vertreter in die Verantwortung nehmen. Gerade werden viele beschönigende Begriffe, wie 'Rückführung' oder 'irreguläre Migration' benutzt, die eine sehr menschenfeindliche Politik beschönigen. Die logische Konsequenz ist, dass solche Positionen in der Gesellschaft ganz normal werden. Und natürlich gibt es in jeder Stadt – auch hier in Würzburg – bestehende Projekte, Gruppen und Initiativen, die sich gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus einsetzen. Die kann jede Person unterstützten, auch finanziell, und sich dort engagieren. Und das Wichtigste: viel mehr in Bildungsarbeit investieren und sich fortbilden.

Viele fordern nun auch ein Verbot der AfD als Konsequenz aus den aufgedeckten Plänen. Glauben Sie, das ist eine Lösung?

Yüksel: Es ist ein ganz kleiner Beitrag. Mit dem Verbot nimmt man der AfD die Grundlage der Finanzierung und setzt ein Zeichen. Aber es sind ganz viele andere größere Schritte, die genauso wichtig sind. Ich glaube, man müsste bei den progressiven Parteien anfangen und darauf drängen, dass man den Abschiebekurs aufgibt. Es gibt Studien, die zeigen, wenn man sich dem Kurs der AfD annähert, um Leute zurückzugewinnen, legitimiert man diese Positionen in der Gesellschaft. Man fördert also einen Rechtsruck.

Wie passt das denn dann damit zusammen, dass gerade auch Vertreterinnen und Vertreter der Regierungsparteien auf den Demos Redebeiträge gegen rechts halten?

Yüksel: Ich sehe das sehr kritisch. Wer sich auf eine Demo stellt und sagt: 'Wir wollen eine Brandmauer gegen rechts errichten', der muss auch seine eigene Politik hinterfragen. Wieso hat denn ein Rückführungsverbesserungsgesetz eine Mehrheit im Bundestag bekommen? Und zwar die von Grüne, SPD und FDP.

Umfrage
Ted wird geladen, bitte warten...
Sie haben gesagt, dass rechtes Denken mittlerweile in der breiten gesellschaftlichen Mitte angekommen ist. Sind wir also schon mitten drin, die Geschichte zu wiederholen?

Yüksel: Ich glaube, man muss ganz deutlich sagen: Die Geschichte wiederholt sich gerade jetzt. Wir sind mitten in dem Prozess. Deshalb ist Prävention auch nicht mehr das drängendste Thema. Es müssen jetzt Gegenmaßnahmen gefunden werden. Jetzt ist der Moment. Wenn es nicht jetzt passiert, dann ist es zu spät. Auch in meinem Umfeld spiegelt sich das deutlich wieder. Da ist die Angst seit vergangenem Jahr wirklich groß. Da schwingen Fragen mit wie: Wie lang sind wir noch sicher? Was passiert, wenn die AfD bei der Bundestagswahl die Mehrheit holt? Wer nimmt unsere Sorgen ernst?

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Gina Thiel
Abschiebungen
Alternative für Deutschland
Antirassismus
Antisemitismus
Deutscher Bundestag
FDP Würzburg
NSU-Morde
SPD Würzburg
Stadt Würzburg
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Heike Pauline Grauf
    Laut GG der BRD ist die Würde des Menschen unantastbar und die Freiheit der Person unverletzlich. Wir müssen deshalb hinnehmen, dass ein Psychopath in der Forensik auf Freigang geht und einen Menschen umbringt, weil der Psychiater sich geirrt hat. Denn Irren ist menschlich. Selbstverständlich müssen wir ungleich mehr hinnehmen, dass polarisierende Parteien von unseren Mitbürgern gewählt werden, sofern diese Parteien nicht erwiesenermaßen den Umsturz in eine Diktatur planen. Selbst wenn Mörder unter diesen Parteien wären, würde dies die Parteien an sich unberührt lassen, denn Sippenverfolgung ist unzulässig. Doch ich sehe weder Mörder in der AfD, noch eine geheime Konferenz. Denn ich kann Google benutzen.Und noch ist Google in der BRD frei zugänglich. Und da gegen Martin Sellner nichts vorliegt, ist auch er gestern wider alles Mediengeunke frei in die BRD spaziert. Die beiden letztgenannten Freiheiten können sich schnell ändern. Aber mit der AfD hätte dies aktuell weniger zu tun.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Heike Pauline Grauf
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Jochen Behr
    Was heisst gegen Rechts? Gegen die Werteunion? Gegen Konservative in der CSU/ CDU? Wäre F.J.S. dann heutzutage auch das Feinbild der "Linken"?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Alfred Neumann
    "Ist heute jeder links, der nicht ultrarechts ist?"
    Aus Sicht der Freunde der "Abwärts für Deutschland" ja. Jeder der nicht aggressiv die Meinung teilt wird dann als linksgrün-versifft angesprochen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Klaus B. Fiederling
    es bringt schon sehr vel, auf die Straßen zu gehen, hat Herr Braun vollkommen recht.
    Wenn wir jetzt unsere Stimmen gegen AfD und rechtsratikale Parteien nicht erheben,
    wann dann? Nach der Wahl nützt es uns nichts mehr. Wenn wir es jetzt versäumen,
    gegen Rechte und andere Volksverhetzer nicht zu demonstrieren, dann kann man auch
    hinter her nicht jammern, Mensch, hätten wir was dagegen unternommen. Es nützt nur
    nichts, wenn man jetzt demonstriert, man muß vorallem auch Farbe bekennen bei der Wahl.
    Dagegen sein ist das eine - Handeln ist besser. Und wem es in unseren schönen Bayern nicht gefällt, kann auch gerne gen Osten auswandern, gelle?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Ja. Die Symbolpolitik des "Rückführungsverbesserungsgesetzes" ist ja schon jetzt nicht genug, Bayern wieder first:

    ...."Ergänzt wurde die beschlossene »Rückführungsverbesserung« durch mehrere Gesetzes- und Entschließungsanträge des Freistaats Bayern:

    Antrag auf Entschließung des Bundesrats zur Reform des Asylrechts (BR-Drs. 30/24);

    Antrag auf Entschließung des Bundesrats »Zentrale Bundesausreisezentren an den großen Flughäfen« (BR-Drs. 32/24);

    Antrag auf Entschließung des Bundesrats zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten (BR-Drs. 33/24);

    Gesetzesantrag »Gesetz zur weiteren Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren« (BR-Drs. 29/24).

    Schon die Überschriften-Terminologie spiegelt jahrzehntelang verfeinerte Propagandakunst, die hinter dem seligen »Gute-Kita-Gesetz« und einem zukünftigen »Glückliches-Alter-Gesetz« nicht zurücksteht."....

    Quelle: Thomas Fischer, Spiegel
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Matthias Braun
    Es bringt viel gegen Rechts auf die Straße zu gehen. Die rechten Lemminge ,die sich meist hinter ihren sozialen Medien verstecken ,sollen sehen , dass sich ein breiter Widerstand gegen rechtem Populismus und gegen Hass,Hetze und Propaganda formiert. Demokratie hat ein Gesicht und dies witd durch die vielen Demonstrationen und Veranstaltungen sichtbar .
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Hubert Endres
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Helga Scherendorn
    10 Millionen können sich nicht irren, mein Freund
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Andreas Graf
    frau scherendorn,

    da gibt es auch den spruch: leute esst sch....e, milliarden fliegen können nicht irren!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Klaus B. Fiederling
    @Andreas Graf: diesen Satz hab ich noch nie gehört, aber man weiß ja nicht, was in den Köpfen so mancher herumschwirrt....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Helga Scherendorn
    @Friederling, Gottlob weiß man das nicht!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Bitte bleiben Sie beim Thema.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Thomas Müller
    Nunja, zuerst sollte mal definiert werden wer oder was überhaupt „rechts“ ist? Vor nicht allzu langer Zeit war das noch die CSU/CDU laut FJS. Und heute? Ist heute jeder rechts der nicht ultralinks ist?
    Sollten hier unsere Staatsmedien und auch Politiker nicht viel differenzierter Berichten und aufklären?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Dietmar Eberth
    Yer (bayerische) Verfassungsschutz berichtet jetzt schon regelmäßig:
    https://www.verfassungsschutz.bayern.de/mam/anlagen/sprachregelung_afd_webseite.pdf
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Patrick Rettner
    Ist heute jeder links, der nicht ultrarechts ist?
    Sie merken selbst, dass das ne blöde Frage ist, oder?
    Politisch rechts bedeutet in erster Linie konservativ. Die AfD ist so konservativ, dass sie sich die Verhältnisse von 1939 zurückwünscht. Reicht Ihnen das als Erklärung?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Thomas Müller
    Würde mir reichen aber Ihre Erklärung reicht nicht. Laut Wikipedia ist die AFD Konservativ.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_konservativer_Parteien

    Ergo rechts! Aber alle anderen Parteien auch! Also gegen wen demonstriert man jetzt wenn man gegen rechts demonstriert?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Hans Grein
    Die AfD ist keine Konservative Partei, im Gegenteil. Auch Wikipedia sagt genau: "Die Alternative für Deutschland (Kurzbezeichnung AfD) ist eine rechtspopulistische und rechtsextreme politische Partei in Deutschland".
    Und wenn man hört, was in dieser geheimen Verschwörer-Sitzung in Potsdam so geträumt wurde, wenn man in die Bücher der AfD-Vordenker Höcke und Krah schaut, wenn man sieht und hört wie sich führende Parteigänger der AfD so äußern und aufführen, dann kann jeder sehen und verstehen, dass diese Truppe und ihr Umfeld ein Unglück für dieses Land werden, wenn wir uns nicht dagegen stellen. Und deswegen ist es gut, dass wir ALLE auf der Strasse zeigen: nicht mit uns.
    (und natürlich an der Wahlurne)
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Hans-Karl Heil
    Na..Herr Rettner,,,jetzt verdrehen aber Sie einiges, oder? So kommen wir nicht weiter!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten