"Ich liebe Bayern", sagt João, der aus der 200.000 Einwohner-Stadt Itabuna im Osten Brasiliens kommt. Seit dem 19. August 2022 lebt er für ein Jahr bei Gastmutter Anett, Gastvater Thomas und Gastbruder Paul Dymalla in Sonderhofen. "Die Kultur ist einfach toll, zum Beispiel die Maibaum-Tradition oder Bratwurst und Weißwurst." Derzeit besucht er die 11. Klasse des Gymnasiums in Marktbreit. In Brasilien wäre er schon in der 12., doch in Deutschland müsse er aus organisatorischen Gründen die niedrigere Stufe besuchen. "Wenn er mit Gleichaltrigen lernen würde, hätte er zu wenig Schule, weil die Q12 gerade schon Abitur macht", erklärt Gastmutter Anett Dymalla.
João liebt die deutsche Sprache und Kultur
Die größte Herausforderung am Anfang sei das Deutschsprechen gewesen. "Es ist einfach eine schwere Sprache", meint João. Aber gerade das Erlernen der Sprache sei für ihn ein Grund gewesen, nach Deutschland zu kommen. "Ich glaube, das ist eine wichtige Sprache", so João. "Ich habe in Brasilien schon drei Jahre lang Deutsch gelernt, aber das war offensichtlich nicht genug", ergänzt er lachend.
Am Anfang habe die Familie viel auf Englisch miteinander kommuniziert, inzwischen aber liefe die Verständigung auf Deutsch fast einwandfrei. "Manchmal gab es Missverständnisse, weil man sich falsch ausgedrückt und João es nicht richtig verstanden hat, aber das waren alles Probleme, die man klären konnte", sagt Gastvater Thomas Dymalla.
Neben der Sprache ist João auch von der Kultur fasziniert. "Ich mag die deutsche Liebe zum Sport und zur Musik", sagt João. In Brasilien hätten sie zwar auch viele große Musiker und Sportler, aber es sei nicht so ein Highlight der Gesellschaft. Ein weiterer Grund für seinen Aufenthalt hier sei außerdem sein Berufswunsch. "Ich will Psychologie studieren und das hat ja viel mit Deutschland zu tun wegen Sigmund Freud und den anderen bekannten Psychologen", erklärt João.
Ungewohnt und herausfordernd wie die Sprache seien auch die winterlichen Temperaturen in Deutschland gewesen. Beim Schlagen eines Weihnachtsbaums habe João sehr gefroren, erzählt Anett Dymalla. "Das war dramatisch", sagt dieser lachend. Die Deutschen allgemein hat er verschlossener kennengelernt als es die Brasilianer sind. "Ich habe mich noch nicht zu 100 Prozent daran gewöhnt, aber es ist nicht so schlimm", so João.
Viele neue Eindrücke erwarteten João in Deutschland
Gleich am ersten Tag in seiner Gastfamilie fand eine Abschiedsfeier für Pauls Schwester Anna statt, die ebenfalls für ein Austauschjahr ihre Heimat verlässt. Das ganze Haus sei voller Verwandter gewesen. "Für João war das ein Wurf ins kalte Wasser", erinnert sich Dymalla. Und auch am ersten Schultag seien gleich viele Leute auf João zugekommen. "Ich war ganz überrascht, wie viele Freunde ich in den ersten Tagen schon gefunden habe", sagt João. "Das hätte ich nicht erwartet."
Auf vielen Ausflügen hat João die Region inzwischen kennengelernt: Würzburg mit seiner alten Mainbrücke und der Residanz zum Beispiel. Im Winter ging es dann auf die Weihnachtsmärkte und nach Rothenburg ob der Tauber. "Eines der Highlights für mich war der Besuch des Oktoberfests", sagt João. Auch das Konzentrationslager in Auschwitz hätten sie sich angeschaut, weil João historisch interessiert ist. "Wir haben schon viel zusammen gemacht, aber lauter Dinge, die wir auch machen würden, wenn wir keinen Austauschschüler hätten", ist Anett Dymalla überzeugt.
Gastfamilienmangel der Organisation führte zur Aufnahme von João
Der Kontakt zu João kam durch die Organisation Youth for Understanding (YFU) zustande über die auch Anna Dymalla ihr Auslandsjahr in Frankereich verbringt. "Wir hatten eigentlich nicht die Intention, in diesem Jahr jemanden aufzunehmen, sondern erst, wenn sie wieder da ist", sagt Anett Dymalla. Jedoch habe sich die YFU selbst mit der Bitte an sie gewandt, über ihre Entscheidung nachzudenken, da sie ja ein Zimmer frei hätten.
Nach Corona bestehe ein großer Mangel an Gastfamilien, berichtet Anett Dymalla. Letztendlich habe die Familie einer Aufnahme zugestimmt und von der YFU-Zentrale in Hamburg eine Auswahl an Steckbriefen von Schülern bekommen, mit Fotos und Briefen. "Da ist uns João quasi zugehüpft", so Anett Dymalla.
Familie Dymalla kann die Aufnahme eines Austauschschülers nur weiterempfehlen
Anderen Familien können Anett und Thomas Dymalla nur empfehlen, einen Austauschschüler aufzunehmen. "Es ist spannend, Einblicke in eine andere Kultur zu bekommen", meint Anett Dymalla. Am Anfang hätten sie zwar etwas Sorge gehabt, dass sie vielleicht zu wenig Zeit haben, weil beide sehr viel arbeiten würden. YFU habe jedoch klar kommuniziert, dass die Gastfamilie kein Reiseführer sein soll. "Es wird nicht von einem erwartet, dass man jedes Wochenende Sightseeing macht oder ein Programm aufstellt, sondern dass man den Familienalltag lebt", sagt Anett Dymalla. "Man ist eigentlich recht schnell in einem Alltag drin."
So müsse João auch im Haushalt mithelfen, zum Einkaufen gehen oder den Geschirrspüler ausräumen. Das seien Aufgaben, die in einer Familie einfach dazugehören. Und João sei jetzt wie ein Familienmitglied. "Es ist wie ein ganz normales Familienleben", sagt Thomas Dymalla. "Es geht auf und ab, wie überall, aber wenn jeder mitmacht, kann man die Zeit genießen."
Aktuell sucht YFU weitere interkulturell interessierte Familien in der Region, die ab Sommer 2023 für ein ganzes oder halbes Schuljahr oder auch für einen kürzeren Zeitraum Gastfamilie werden möchten. Weitere Infos unter www.yfu.de.