Jahrelang führte er ein Leben zwischen Rathaus und Rampenlicht und sein Alltag war ein Spagat zwischen Büttenrede und Bürgermeisteramt. Und selbst im stolzen Alter von inzwischen 79 Jahren denkt der ehemalige Kommunalpolitiker Günter Stock noch lange nicht daran, die Füße hochzulegen. Als Würzburger Nachtwächter führt er Touristinnen und Touristen durch die Straßen seiner Heimatstadt.
Geboren und aufgewachsen in der Stadt am Main schlug Günter Stocks Leben zügig einen Pfad Richtung Bühne ein. In der Grundschule fehlte bei einem weihnachtlichen Krippenspiel einer der heiligen drei Könige und so machte Stock mehr oder weniger zufällig seine ersten Erfahrungen im Rampenlicht. Was der damals Sechsjährige noch nicht wusste: Er wird es die nächsten 70 Jahre nicht mehr verlassen. Als Büttenredner machte er sich schnell einen Namen im Umfeld der fränkischen Festnacht und gehörte hier seit 1990 zum Inventar. Dazu war er von 2003 bis 2015 Teil des Ensembles der "Närrischen Weinprobe", die zu Fasching im Bayrischen Rundfunk läuft. "Der Aufstieg bis zum BR lief ganz organisch ab. Ich hatte am Anfang viele kleinere Auftritte. Da hat man mich gesehen und so kamen immer größere dazu", berichtet er.
Zum Teil auf drei Prunksitzungen an einem Abend
Die damalige Zeit hat er als sehr stressig in Erinnerung: "Ich war teilweise an einem Abend auf drei Prunksitzungen, bin hin und her gefahren, dann hat man nicht auf Anhieb einen Parkplatz gefunden und kurzfristig ist irgendwas am Ablauf geändert worden. Immer war irgendwas." Inzwischen tritt Stock deutlich kürzer. "Im Fernsehen muss man jedes Mal was Neues vorbereiten und mit dem Alter wird es für mich immer schwerer, mir die Sachen zu merken. Kleinere Auftritte mache ich aber nach wie vor, wenn ich denn Lust habe."
Ein guter Büttenredner muss für Stock unaufgeregt und publikumsbezogen sein. Außerdem müsse man sich auch selbst auf die Schippe nehmen können. Auf der Bühne verkörpert er meist Kunstfiguren, die bekannteste ist die eines fränkischen Winzers. Der starke fränkische Dialekt gehört zu seinen Auftritten natürlich dazu.
Dem Margetshöchheimer Altbürgermeister ist die Kommunalpolitik nach wie vor wichtig
Fast gleichzeitig zu seinem Durchbruch als Büttenredner begann auch sein politisches Engagement. Im Jahr 1990 wählte man ihn zum Bürgermeister der Gemeinde Margetshöchheim, ein Amt, welches er 18 Jahre lang innehaben wird. Er war dort bereits vorher viele Jahre in der Gemeindeverwaltung tätig. "Ich wurde vom damaligen Bürgermeister angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, sein Nachfolger zu werden. Ich hatte durch die Arbeit viel Ahnung von den Abläufen und das Kommunikative hat mir ebenfalls sehr gelegen", erklärt Stock.
Einen Interessenskonflikt zu seiner Bühnentätigkeit sah er damals wie heute nicht: "Für die Leute in Margetshöchheim war ich immer eher der Bürgermeister als der Büttenredner, das hat man gut trennen können. Man konnte durchaus politische Witze machen oder andere Dörfer humorvoll auf die Schippe nehmen. Nur beleidigend darf man auf keinen Fall werden. Auch heute, wo Political Correctness viel größer geschrieben wird, ist das aus meiner Sicht noch problemlos möglich." Günter Stock schätzt Kommunalpolitik heute noch als extrem wichtig ein, da es die Art von Politik ist, die am engsten mit den Bürgerinnen und Bürgern verzahnt ist.
Bis heute sieht man Günter Stock immer noch in der Rolle des Nachtwächters, in der er mit Touristinnen und Touristen durch die Straßen Würzburg streift. In authentisch fränkischer Mundart gibt er als einer von acht Nachtwächtern Anekdoten über seine Geburtsstadt zum Besten. "Ein Historiker würde bei unseren Führungen wahrscheinlich nicht mitgehen. Bei uns gibt es Humor und Informationen, letztere jedoch eher oberflächlich. Wenn wir mal Gäste aus Norddeutschland oder Österreich und der Schweiz haben, passen wir den Dialekt außerdem etwas an."
Günter Stock bezeichnet sich selbst als Rampensau
Die Tätigkeit als Nachtwächter ist für Stock eine Art Ersatz für seine Bühnenvergangenheit: "Ich bin das, was man als Rampensau bezeichnet. Und das bleibt man auch immer, das gebe ich zu. Der Zuspruch der Leute bedeutet mir sehr viel." Nach eigener Aussage wird er regelmäßig erkannt und vor allem auf seine Rolle in der Närrischen Weinprobe angesprochen.
Zuletzt hat der Würzburger als Autor auf sich aufmerksam gemacht. In seiner Sammlung "Frängische Gschichdli und Gedichdli" erzählt Stock lokale Besonderheiten, Alltagssituationen und biblische Geschichten in seiner geliebten fränkischen Mundart. "Der lokale Dialekt ist für mich ein ganz besonderes Kulturgut, da er einer Region eine Identität gibt. Ich finde es sehr schade, dass er von immer weniger Leuten gesprochen wird", bedauert er. Das 35 Seiten starke Heft kann im Nachtwächterstüble in der Innenstadt erworben werden.
Auch im fortgeschrittenen Alter kann sich das Würzburger Original noch nicht vorstellen, komplett zur Ruhe zu kommen. Stock ist sich bewusst, dass ihn das Alter irgendwann dazu zwingen wird, aber aktuell macht ihm der Kontakt zu den Leuten noch zu viel Freude.