In einer Zeit, in der auch in der Fastnacht vieles immer lauter, schriller, schneller sein muss, wirkt Günter Stock ein wenig wie aus dem Rahmen gefallen. Er entwickelt seine Pointen im Tempo einer betäubten Schildkröte. Die Witze kommen in einer Geschwindigkeit daher, als sei ihnen das Benzin ausgegangen – doch am Ende klopfen sich die Besucher wieder alle auf die Schenkel und wischen sich Tränen aus den Augen. Als fränkisches Weinbäuerle zelebriert Günter Stock mit seiner staubtrockenen Art jeden seiner Gags wie einen Feiertag – und das ist wohl das Geheimnis des humorvollen Häckers.
Seit Jahren begeisterte Günter Stock in der "Närrischen Weinprobe", der Gemeinschaftsproduktion des Fastnacht-Verband Franken und BR, das Publikum. Doch nun ist Schluss. Am 22. Januar wird Stock 75 Jahre alt. Das Alter. "Ich tue mir zunehmend schwerer, die Texte zu merken", sagt er und gibt einen kleinen Einblick in sein Seelenleben: "Das sieht am Fernsehen vielleicht alles ganz leicht und locker aus", aber solche Auftritte für ein Millionenpublikum, gibt er zu, "die stressen doch ganz schön". Dazu die Selbstzweifel: Ist der Gag gut genug? Kommt der Vortrag an?
Günter Stock: Es gab auch Selbstzweifel
Günter Stock sah sich immer als Amateur im Konzert der Branchengrößen wie Michl Müller oder Bauchredner Sebastian Reich. Autogrammkarten hat er keine, und wenn in der Fanpost die Bitte nach einer Kopie des Vortrags im Fernsehen kam, dann hat Günter Stock eben selbst eine CD gebrannt und zugeschickt. Jetzt hat er eben für sich beschlossen, dass es gut ist, mit der Fernsehfastnacht: "Es ist doch schöner aufzuhören, wenn die Leute das noch schade finden, als wenn sie irgendwann sagen: ,Ach Gott, jetzt kommt der scho widder‘." Vermissen wird er die "Menschen drumherum", wie er sagt, Techniker, Maskenbildner, es sei immer eine herzliche Gemeinschaft gewesen.
Bernhard Schlereth, langjähriger Vorsitzender des Fastnacht-Verbandes und noch immer künstlerischer Leiter der närrischen Fernsehveranstaltungen, findet es schade, dass das Weinbäuerle geht, er hat aber auch Verständnis dafür. "Mir hat er immer gefallen, weil er sich auch selbst auf Korn genommen hat." Den Sprung in die Live-Prunksitzung "Fastnacht in Franken" nach Veitshöchheim hat Günter Stock dennoch nie geschafft. "Es hätte mich gereizt", sagt Stock, "aber ich bin nie gefragt worden". Er grämt sich nicht deshalb. "Er hätte das Zeug dazu gehabt", sagt Schlereth - und fügt nachdenklich an: "Vielleicht hätten wir ihn mal nehmen sollen. Aber mit seiner Figur hat er eben immer perfekt zur Närrischen Weinprobe gepasst."
Noch einmal begeisterte Stock vor wenigen Tagen im Hofkeller der Residenz mit den Geschichten über sich und das Kunnele, seine imaginäre Frau, die noch nie jemand zu Gesicht bekommen hat und die doch alle fränkischen Fastnacht-Fans so gut kennen. Dann war es vorbei. Wobei. So ganz aufhören wird Stock nicht. Seine nach der Pensionierung 2008 begonnenen Nachtwächterführungen in Würzburg, an die 200 im Jahr, wird er weiter machen. "Da werde ich oft erkannt und angesprochen", sagt Stock und fügt fast verwundert an: "Sogar von Norddeutschen."
Alles begann mit einer Büttenrede in Marokko
Und auch zu besonderen Anlässen wird er seinen Cordhut, den Weinkrug und den Häckerkittel noch aus dem Schrank holen. Die Utensilien hat er einst von der Winzerfamilie Götz in Margetshöchheim (Lkr. Würzburg) bekommen und pflegt sie bis heute. In „Marokko“, so der Spitzname des Ortes, war Günter Stock, der in Würzburg lebt, viele Jahre als Verwaltungsbeamter tätig. 1990 schließlich schaffte es das SPD-Mitglied dort auf den Bürgermeisterstuhl. Im gleichen Jahr begann auch seine Fastnachtskarriere, als Putzfrau stieg er bei der Prunksitzung in Margetshöchheim erstmals in die Bütt. Er kam an, und wechselte fortan Jahr für Jahr die Rolle, bis er die Figur des Winzers Karl erfand und behielt.
Irgendwann wurde auch Bernhard Schlereth auf den Bürgermeister in der Bütt aufmerksam, es war der Start zur Fernsehkarriere. Zahlreiche Ehrungen hat Günter Stock erhalten, darunter den Ettlinger Narrenbrunnen, eine Auszeichnung, die auch die legendäre Sängerin Margit Sponheimer oder Andreas Schmidt, Sitzungspräsident von "Mainz bleibt Mainz", und auch Schlereth bekommen haben.
Es wird also nicht still werden um Günter Stock. Nur in der Fastnacht vielleicht. Und dabei wäre das nur konsequent: "Eigentlich bin ich überhaupt kein Faschingsnarr", sagt er, "das war nie meins. Da bin ich früher immer ausgerissen".