
Jährlich sind 200.000 Kinder in Deutschland von Trennungen betroffen. 90 Prozent leben anschließend bei der Mutter, jedes dritte Trennungskind verliert den Kontakt zum Vater. Eine Trennung mit Kindern ist nicht leicht. Zu der Enttäuschung über die gescheiterte Beziehung gesellt sich die Sorge um die Kinder. Denn dass es Kindern nicht leicht fällt, die Trennung der Eltern zu verstehen und zu verarbeiten, ist vielen bewusst.
Die Heilpädagogin Katrin Freudenberger und die Sozialpädagogin Sabine Schlereth vom Sozialdienst katholischer Frauen in Würzburg erklären, was Eltern bei einer Trennung beachten sollten.
1. Die Kinder bei Entscheidungen einbeziehen
Kinder spüren meist, wenn in ihrer Familie etwas nicht stimmt. Gerade in Trennungssituationen fühlten sich Kinder oft verunsichert. Vieles ändert sich im Familienleben und die Zukunft ist zunächst ungewiss. "Mama und Papa verstehen sich nicht mehr, aber Mama und Papa bleiben Eltern - und wir beide werden uns auch weiter um euch kümmern", das sollte die Kernbotschaft an die Kinder sein, erklärt Sabine Schlereth.
Die Eltern sollten alles über die Trennung klar kommunizieren und die Kinder bei Entscheidungen mit einbeziehen. Denn "je klarer die Entscheidungen der Eltern sind, desto weniger fühlen sich die Kinder dafür verantwortlich", sagt Katrin Freudenberger. Wichtig sei, altersgemäß mit den Kindern zu sprechen - bei allen Krisen. Bei kleineren Kindern helfen auch Bilderbücher, um das Geschehen zu verarbeiten.
2. Bewusst Zeit mit den Kinder verbringen
Die Trennung der Eltern ist eine Krise im Leben der Kinder. "Aber ich glaube, dass Kinder stark genug sind, das gut hinzubekommen", sagt Katrin Freudenberger. Sie haben in dieser Zeit allerdings mehr Unterstützungsbedarf. "Die Trennung ist wie ein Sturm, wie ein Gewitter, das über der Familie tobt", so die Beraterin. Wichtig für die Kinder sei nun, die Beziehung zu pflegen und die Wurzeln zu stärken. Das funktioniere indem man wertvolle Zeit - Quality Time - miteinander verbringe. Das gelinge gut beim Vorlesen, Kuscheln, gemeinsamen Hörspiel hören, Basteln, Werken oder Backen.
Es brauche keinen großen oder teuren Ausflug, erläutert auch Sabine Schlereth. Vielmehr gehe es um viele kleine Momente im Alltag, die man bewusst zusammen genießt und sich dafür Zeit nimmt. "Wenn Sie sich voll und ganz Ihrem Kind zuwenden, dann fühlt es sich geliebt und erst genommen."
3. Den eigenen Akku immer wieder aufladen
Eine Trennung ist für die ganze Familie belastend. Daher ist es auch für Erwachsene wichtig, immer wieder den eigenen Akku aufzuladen. Wie das gelingt? "Schaffen Sie sich kleine Inseln im Stressmeer", sagt Freudenberger. Nur wenn der eigene Akku geladen ist, kann man überhaupt die Bedürfnisse der Kinder klar sehen. "Gehen Sie spazieren, lesen Sie mal wieder ein Buch, telefonieren Sie mit Freundinnen, gehen Sie essen, zünden Sie mal eine Kerze an, nehmen Sie ein Bad, fahren Sie Fahrrad, spüren Sie in sich hinein, was Ihnen gut tun könnte", so die Beraterin.
Jede und jeder habe eine andere Strategie, um zu entspannen und die Seele baumeln zu lassen. Das sei in dieser Zeit ganz besonders wichtig. Auch kleine Auszeiten im Alltag helfen.
4. Kindern den Kontakt zu beiden Elternteilen ermöglichen
Wichtig sei auch, den Kindern im Fall einer Trennung den Kontakt zu beiden Elternteilen zu ermöglichen, "damit der Mama-Anteil und der Papa-Anteil gut genährt wird", erklärt Sabine Schlereth. Dazu gehöre auch, den anderen Elternteil nicht vor dem Kind abzuwerten. "Die Kinder wünsche sich fast immer mit beiden Eltern Kontakt", sagt die Sozialpädagogin. Auch wenn der Kontakt unterschiedlich ausfällt oder wenn der Kontakt einen anderen Umfang hat. Es komme nicht auf das Pensum an, sondern auf die Qualität der Zeit.
Kinder lieben bedingungslos. Und zwar beide Elternteile. "Es ist wichtig, möglichst positiv oder zumindest neutral über das andere Elternteil zu sprechen", erklärt Schlereth. Kinder vermissen das Elternteil, das gerade nicht da ist. "Jeder Kontakt mit den Eltern ist eine wertvolle Zeit für das Kind."
5. Die Gefühle des Kindes ernst nehmen
Viele unnötige Reibereien entstehen durch Missverständnisse. "Es lohnt sich, Zeit zu investieren, dem Kind wirklich zuzuhören, seine Gefühle anzunehmen und ihm bei der Lösungssuche zu helfen", sagt Katrin Freudenberger. "Wenn Ihr Kind unangenehme Gefühle hat, schenken Sie ihm die volle Aufmerksamkeit", so die Beraterin. Eine Trennung ist für alle Beteiligten schwierig und emotional herausfordernd.
"Ein offener Umgang mit allen Emotionen kann auch Ihnen helfen, unangenehme Gefühle besser wahrzunehmen, diese einzuordnen um dann eine gute Lösung zu finden", erklärt Freudenberger.
6. Den Pausenknopf drücken und kurz innehalten
Wenn es zu negativen Gefühlen und Vorwürfen kommt, könne man ruhig auch mal den Pausenknopf drücken. Das sei ein wichtiger Inhalt des Kurses "Kinder im Blick", der in Würzburg regelmäßig in den Beratungsstellen im Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und in der Evangelischen Erziehungsberatungsstelle (EBZ) angeboten wird. Während des Kurses wird dies in Rollenspielen geübt. So sind Eltern gewappnet für schwierige Momente, Gespräche oder WhatsApp-Nachrichten. Den Pausenknopf drücken bedeute zum Beispiel, vielleicht erst zu einem späteren Zeitpunkt auf eine Nachricht vom anderen Elternteil zu reagieren.
"Horchen Sie in sich hinein: Wie ist eigentlich gerade meine Stimmung? Welche Gefühle haben die Situation in mir ausgelöst? Dann können Sie auch besser überlegen, was Ihnen jetzt guttun oder helfen würde", rät Freudenberger.