In diesem Jahr hätten Stefanie Meyer und ihr Mann den 20. Hochzeitstag gefeiert. Doch dazu ist es nicht mehr gekommen. "Sein Doppelleben, seine Affäre" sei im vergangenen Jahr aufgeflogen, sagt Stefanie Meyer, die eigentlich anders heiß. Seitdem lebt sie mit ihren beiden Kindern, zehn und elf Jahre alt, allein im Reihenhaus irgendwo in Unterfranken. Die Trennung, sagt sie, sei für sie aus heiterem Himmel gekommen: "Wir haben ähnlich getickt, es gab nie Streit."
Sie hatten sich bei der Arbeit kennengelernt. Er, etwa zehn Jahre älter als sie, stand gerade am Anfang seiner Karriere als Arzt, sie war noch mitten im Medizinstudium. "Wir hatten die gleichen Interessen", sagt Stefanie Meyer. "Wir gingen in die Oper, zu Lesungen und ins Theater. Alles fühlte sich gut an. Wir waren immer auf Augenhöhe." Das Leben lag vor ihnen. Dann kamen die Kinder – und sie arbeitete weniger.
Nach der Elternzeit habe sie dann angefangen Teilzeit zu arbeiten, zwei Tage in der Woche. "Dann hatte er die Chance, sich in einer Praxis einzukaufen", sagt Meyer über ihren Mann. "Es war klar, dass er Vollzeit arbeiten musste." Haushalt und Kinderbetreuung übernahm sie, beruflich steckte sie zurück: "Das war okay für mich. Die Rollenverteilung war bei uns klar: Der Mann arbeitet Vollzeit, die Frau kümmert sich um die Kinder. Das haben wir so besprochen. Und ich war glücklich." Ihr Leben sei darauf ausgerichtet gewesen, dass die Ehe hält und ihr Mann sie versorgt.
Der Mann als Versorger und Haupternährer - dieses Modell ist auch 2022 in Deutschland noch Realität. In kaum einem anderen Land der 38 Mitgliedsstaaten der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) tragen Frauen in einer Partnerschaft so wenig zum Haushaltseinkommen bei wie in Deutschland, ergab die Studie "Dare to Share": Der durchschnittliche Anteil von Frauen am Familieneinkommen betrug im Jahr 2017 demnach 22,4 Prozent.
Studie: Frauen haben geringen Anteil am Familieneinkommen
Die Studie "Dare to Share" hatte das Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben, als das Thema Partnerschaftlichkeit in Beruf und Familie zunehmend ins Bewusstsein rückte und es Überlegungen zur Einführung einer Familienarbeitszeit gab. "Deutschland war in dieser Hinsicht ein Trendsetter, da sich mehr und mehr die Überzeugung durchsetzte, dass Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt nur erreicht werden kann, wenn die unbezahlte Arbeit zuhause auch besser geteilt wird", sagt Monika Queisser, Abteilungsleiterin für Sozialpolitik im OECD-Büro für Deutschland. Viel geändert habe sich indes seitdem nicht.
Viele Frauen in Deutschland haben gar kein eigenes Einkommen
Auch die Studie "Mitten im Leben Wünsche und Lebenswirklichkeiten von Frauen zwischen 30 und 50 Jahren" der Bundesregierung aus dem Jahr 2016 wartete mit alarmierenden Daten auf. Trotz Berufsqualifikation waren damals nur 39 Prozent der Frauen im Alter von 30 bis 50 Jahren in Vollzeit erwerbstätig. Ein eigenes Nettoeinkommen über 2000 Euro hatten nur zehn Prozent aller Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Von den verheirateten Frauen in dieser Altersspanne hatten 19 Prozent kein eigenes Einkommen, 63 Prozent verdienten weniger als 1000 Euro.
Trennt sich ein Paar – in Deutschland wird jede dritte Ehe geschieden – kann dies für die Frau zu erheblichen finanziellen Problemen führen. Vor allem Frauen, die während der Ehe nicht oder nur geringfügig erwerbstätig waren, haben nach der Scheidung oft große Probleme, ihren Lebensstandard zu halten oder ihre eigene Existenz zu finanzieren.
Nach der Trennung plötzlich alleine mit den Kindern
Stefanie Meyer sagt, sie habe mit ihrem unbefristeten Arbeitsvertrag in einem gut bezahltem Job noch Glück gehabt: "Ich arbeite mehr und wir kommen über die Runden." Doch die Trennung ihr erst mal den Boden unter den Füßen weggezogen, von heute auf morgen sei sie alleine mit ihren Kindern dagestanden. Obwohl ihr Mann viel verdiene, komme er seinen Verpflichtungen nicht nach, sagt die 46-Jährige. Bis heute habe er ihr keinen Trennungsunterhalt bezahlt, die Kinder bekämen einen Mindestunterhalt. Der Fall gehe jetzt vor Gericht.
Problem Unterhaltsverpflichtungen: Viele Kinder erhalten die Mindesthöhe nicht
Eine Studie des Deutschen Jugendinstitut (DJI) zeigt: Von den Kindern der befragten Alleinerziehenden, die angaben, dass der andere Elternteil unterhaltspflichtig sei, erhielten 37 Prozent keinen oder nur unvollständigen Unterhalt vom anderen Elternteil. Bezieht man sich auf alle für die DJI-Studie Befragten, zeigt sich, dass nur jedes vierte Kind den Mindestunterhalt bekommt. "Oftmals wird eine Unterhaltshöhe vereinbart, die darunter liegt", sagt Dr. Sandra Huber, Leiterin der Studie.
Fast die Hälfte (48 Prozent) der Befragten, die für ihr Kind nicht den vollständigen Unterhalt erhält, gab an, dass der andere Elternteil sich weigere, den Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Mehr als ein Drittel (35 Prozent) verzichtet auf Unterhalt, um das Verhältnis zum anderen Elternteil nicht zu belasten. "Alleinerziehende sollten bei der juristischen Klärung und Durchsetzung der Unterhaltszahlungen besser unterstützt werden", sagt Hubert.
Laut Bundesfamilienministerium reduzieren knapp 70 Prozent der Mütter ihre Arbeitszeit, wenn sie Kinder unter zwölf Jahren haben. Sie übernehmen damit einen großen Teil der Sorgearbeit. Und organisieren Geburtstagspartys, fahren die Kinder zu ihren Hobbys, verbringen viel gemeinsame Zeit mit ihnen. "Wir Frauen sind zu gutgläubig!", sagt Stefanie Meyer. Und sie sei kein Einzelfall: "Viele meiner Freundinnen sind genauso abhängig von ihren Männern wie ich es war."
Problem Abhängigkeit und geringe Renten
Ihr Appell heute: "Macht euch nicht von Männern abhängig." Frauen sollten auch mit Familie im Beruf bleiben und einen Teil der Hausarbeit und Kindererziehung an den Mann abgeben, sagt die 46-Jährige. Ihr Rat: "Es wäre wichtig, beharrlich eine Absicherung fürs Alter einzufordern." Ein Beispiel wäre einen Teil des Familieneinkommens in eine private Rentenversicherung für die Frau einzubezahlen.
"Wenn man die Versicherungsverläufe von Frauen bei der Rentenversicherung sieht, stellt man fest, dass hier häufig die eigene Berufstätigkeit hinter der Verantwortung für die Familie zurückgestellt wird", sagt Christiane Straub, Bezirksgeschäftsführerin beim Sozialverband VdK in Mittelfranken. Dementsprechend seien die Renten von Frauen im Alter wesentlich geringer als die von Männern.
Und wenn es zur Trennung kommt? "Das gemeinsame Vermögen muss erst mal offengelegt werden", sagt Judit Maertsch, unabhängige Finanzberaterin beim Verbraucherservice Bayern in Würzburg. Ob die Partner wahre Angaben machen, könne auch vor Gericht oft nicht eindeutig geprüft werden.
Was der Verbraucherservice rät: Kontoauszüge prüfen, Steuerunterlagen anschauen
Frauen sollten sich daher laufend über Geldangelegenheiten informieren, sagt Maertsch: "Ein großes Thema ist digitales Geld und digitales Vermögen. Die Ehefrau sollte wissen, ob ihr Mann Online-Konten hat. Hat er Bitcoins gekauft? Besitzt er Goldvorräte?" Diese Verkäufe würden über das Giro- oder Gehaltskonto erfolgen, deshalb rät die Finanzexpertin: "Werfen Sie ab und zu einen Blick auf die Kontoauszüge. Darin sieht man Vertrags- oder Policenummern."
Viele Frauen hätten darüber kein Wissen und es gebe dazu kaum Unterlagen: "Auch Steuerunterlagen geben Hinweise darauf, welche Anlagen der Ehemann noch zusätzlich hat", sagt die Beraterin. Gerade bei einer Trennung, aber auch im Fall des Todes, seien diese Informationen extrem wichtig.
Hilfe in der Krise durch Familie, Nachbarn, Freunde
"Was mir und letztlich der ganzen Familie passiert ist, war eine Katastrophe und ich wünsche niemandem, das zu erleben", sagt Stefanie Meyer rückblickend. Sie selbst sei dank ihrer Familie, vielen Nachbarn und Freunden gut durch die Krise gekommen, auch wenn ihr die eigentliche Scheidung noch bevorsteht. "Es braucht unheimlich viel Kraft, Optimismus und liebe Menschen, um da wieder herauszufinden."
Über Trennungsunterhalt, Zugewinn-Ausgleich und Versorgungsausgleich partizipiert die Ehefrau in der „klassische Rollenverteilung“ nachehelich dann doch noch von ihrem „Versorger“.
Dass für manche Männer ‚nacheheliche Solidarität’ ein Fremdwort ist (und sie sich ihren Verpflichtungen entziehen), ist ein trauriges Kapitel. Ob es bei ‚den Frauen’ anders ist, wage ich zu bezweifeln.
Warum werden Unterhaltspflichten nicht konsequent durchgesetzt? Warum muss immer die Allgemeinheit einspringen wenn ein Vater keine Lust hat Unterhalt zu zahlen?