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Würzburg
CSU-Innenminister Beckstein warnte vor der Teutonia Prag: Warum wurde die Würzburger Burschenschaft nicht beobachtet?
Gewalt, Waffen, Hitlergrüße: Der Extremismus der Würzburger Burschenschaft Teutonia Prag ist seit 20 Jahren bekannt. Die Einschätzung des Verfassungsschutzes bleibt vage.
Die Burschenschaft Teutonia Prag bereitete ihm bereits 2001 in seiner Zeit als bayerischer Innenminister Sorge:  Günther Beckstein, hier bei einer Anhörung zum Thema Rechtsextremismus in diesem Jahr.
Foto: Christoph Trost, dpa | Die Burschenschaft Teutonia Prag bereitete ihm bereits 2001 in seiner Zeit als bayerischer Innenminister Sorge:  Günther Beckstein, hier bei einer Anhörung zum Thema Rechtsextremismus in diesem Jahr.
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 09.12.2023 02:52 Uhr

Ein halbtot geprügelter griechischer Staatsbürger in München, Hitlergruß in Regensburg - für Günther Beckstein war das Maß voll: "Jede Erscheinungsform des Rechtsextremismus muss intensiv beobachtet und bekämpft werden", sagte der damalige bayerische Innenminister im Jahr 2001 über die Burschenschaft Teutonia Prag. Doch die Studentenverbindung, die ihren Sitz 2009 von Regensburg nach Würzburg verlegte und ihrem Extremismus Ermittlungen zufolge bis heute nachgeht, wird nach wie vor nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Wie kann das sein?

Rückblick: In der Nacht zum 13. Januar 2001 überfallen in München rund 20 Neonazis einen Griechen und schlagen ihn krankenhausreif. "Wie der leitende Oberstaatsanwalt mitteilte, brachte ein Mitglied der Regensburger Burschenschaft Teutonia den 19-jährigen mutmaßlichen Haupttäter mit einem Auto in das Haus der Münchner Studentenverbindung Danubia", antwortet wenig später die Bundesregierung auf eine Anfrage im Bundestag. 

Am 24. Februar 2001 attackieren Neonazis einen Taxifahrer in Regensburg. Dem bayerischen Verfassungsschutzbericht zufolge geriet der Mann "mit seinen Fahrgästen, unter denen sich ein NPD-Mitglied mit Kontakten zur Regensburger Burschenschaft Teutonia befand, in Streit, nachdem sie beim Verlassen des Taxis den Hitlergruß gezeigt und 'Heil Hitler' gerufen hatten".

Innenminister Beckstein 2001 zur Teutonia: Rechtsextremismus intensiv bekämpfen

Am 14. Juni 2001 warnt der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) in einer Pressemitteilung: "Akteure aus dem Bereich des organisierten Rechtsextremismus suchten und fanden zuletzt auch Anschluss bei der Prager Burschenschaft Teutonia zu Regensburg."

Am 24. Juli 2001 veröffentlicht die Bundesregierung von SPD-Kanzler Gerhard Schröder nach einer Bundestagsanfrage eine ausführliche Stellungnahme zu den Burschenschaften Danubia und Teutonia. Auf die Frage, ob die Teutonia Prag als rechtsextrem eingestuft wird, verweist die rot-grüne Bundesregierung auf die Zuständigkeit des bayerischen Verfassungsschutzes und schreibt: "Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits im April 2000 bei den Ländern angeregt hat, der Frage 'Rechtsextremismus in Burschenschaften' näher nachzugehen."

Am 6. September 2001 teilt das Innenministerium in München mit: "Erstmals Burschenschaft im bayerischen Verfassungsschutzbericht". Beobachtet werde die Burschenschaft Danubia. Zur Teutonia Prag sagt Innenminister Beckstein laut Mitteilung, "dass dort noch erhebliche Widerstände gegen Beziehungen zum Rechtsextremismus bestehen". Er hoffe, "dass diese Kräfte erfolgreich sein werden".

Im zugehörigen Verfassungsschutzbericht 2001 taucht die Teutonia nur am Rande auf. In den folgenden Jahren ist die Teutonia im Verfassungsschutzbericht nicht mehr erwähnt. 

Verfassungsschutz 2020 zur Würzburger Teutonia: Kein Anhaltspunkt für Extremismus

Im Jahr 2009 verlegt die Teutonia Prag ihren Sitz von Regensburg nach Würzburg. Im Jahr 2014 hält Felix Menzel, Schlüsselfigur der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB), bei der Burschenschaft einen Vortrag über die "Neuordnung des Asylwesens". Kurz darauf beginnen in Würzburg die ausufernden Wügida-Proteste, die schließlich vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Bei einer Razzia bei der Würzburger Burschenschaft Teutonia Prag sollen im September 2023 unter anderem Waffen beschlagnahmt worden sein.
Foto: Privat | Bei einer Razzia bei der Würzburger Burschenschaft Teutonia Prag sollen im September 2023 unter anderem Waffen beschlagnahmt worden sein.

Im Jahr 2020 beschweren sich Anwohner über "Sieg Heil"-Rufe auf dem Gelände der Teutonia. Der Staatsschutz wird aktiv, stellt seine Ermittlungen jedoch ein, weil keine Verantwortlichen ermittelt werden konnten. Auf Anfrage der Redaktion teilt der Verfassungsschutz damals mit: "Hinsichtlich der Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg liegen derzeit keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen vor." Die Aktivitäten der Verbindung würden aber "genau im Hinblick auf mögliche Bezüge zur rechtsextremistischen Szene verfolgt".

Verfassungsschutz 2023 zur Würzburger Teutonia: Weiterhin kein Beobachtungsobjekt

Im November 2023 durchsucht der Staatsschutz wegen des Verdachts auf Volksverhetzung das Anwesen der Teutonia in Würzburg. Laut Staatsanwaltschaft beschlagnahmen die Ermittler Waffen und einen Gästebuch-Eintrag mit dem Spruch "Sieg Heil". Das Nachrichtenportal T-Online veröffentlicht ein Video, das einen Burschenschafter beim Zeigen von Hitlergrüßen auf dem Verbindungsgelände zeigen soll.

Auf eine aktuelle Anfrage der Redaktion beim Verfassungsschutz heißt es dazu: "Bei der Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg handelt es sich derzeit nicht um ein Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz verfolgt die Entwicklungen rund um die besagte Burschenschaft jedoch genau und bezieht neu bekanntwerdende mögliche Bezüge zum Rechtsextremismus in seine Bewertung mit ein."

Aber warum wird die Würzburger Teutonia nicht beobachtet? Dazu antwortet das Landesamt für Verfassungsschutz: "Die Schwelle zur Beobachtung unterliegt unterschiedlichsten Faktoren, immer auf Grundlage des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, und können an dieser Stelle nicht ausgeführt werden. Wir bitten um Verständnis."

Der Bayerische Verfassungsschutz

Der Verfassungsschutz sieht sich laut eigenen Angaben als "ein Frühwarnsystem, um Gefährdungen unserer Demokratie rechtzeitig zu erkennen". Auftrag sei "extremistische Aktivitäten im Inland zu beobachten". Aufsichtsbehörde des Landesamtes für Verfassungsschutz ist das Innenministerium.
Eine Beobachtung setzt laut bayerischem Verfassungsschutzgesetz voraus, "dass tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen". Bestrebungen, die "in erheblichem Maße Propaganda betreiben" sind laut Gesetz "erheblich beobachtungsbedürftig". Bestrebungen "mit der Bereitschaft zur Begehung schwerer Straftaten", die gegen ein Verfassungsschutzgut gerichtet sind, sind demnach "gesteigert beobachtungsbedürftig".
Quelle: ron

Update:
Seit Dezember 2023 wird die Aktivitas (aktive Mitgliedschaft) der Burschenschaft "Teutonia Prag zu Würzburg" wegen extremistischer Bestrebungen vom Verfassungsschutz beobachtet.
 
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  • Wolfgang Lenhard
    Unsere Demokratie ist etwas Zerbrechliches. Wir können nicht davon ausgehen, dass sie dauerhaft Bestand hat, wenn wir uns nicht aktiv dafür einsetzen. Personen und Organisationen, die die freiheitliche Grundordnung, die Demokratie und das Prinzip des Pluralismus untergraben, dürfen wir nicht gewähren lassen. Keine Toleranz für Intoleranz!
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  • Martin Deeg
    Das ist richtig. Es reicht allerdings nicht, die Krawallmacher und "Vorzeige"-Rechten anzugehen und dann auch nur, wenn das politisch vorgegeben wird - man muss die Rechtsstaatszersetzung IN den Institutionen angehen, hinter die Fassaden blicken!
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  • Philipp Becker
    Man wünscht sich, dass die Main-Post auch bei der linksextremen Szene mal ähnlich genau nachschaut, insbesondere was die erheblichen Verquickungen zu rot-grünen Parteien und Jugendorganisationen betrifft.
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  • Patrick Rettner
    Dazu fällt mir ein Text von Marc-Uwe Kling ein:
    “Ob Links- oder Rechtsterrorismus – da sehe ich keinen Unterschied”
    “Doch, doch”, ruft das Känguru, “die einen zünden Ausländer an, die anderen Autos. Und Autos sind schlimmer, denn es hätte meines sein können. Ausländer besitze ich keine.”
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  • Karl Weeth
    Die objektive Berichterstattung und kritische Analyse sollten keine politischen Grenzen kennen. Unabhängig von der politischen Ausrichtung müssen Vergehen oder Verbindungen zu politischen Gruppen auf Fakten basieren, die überall gleichermaßen gelten sollten. Eine umfassende und ausgewogene Berichterstattung trägt dazu bei, eine transparente Gesellschaft zu fördern und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Medien zu stärken. Jegliche Verquickungen von extremistischen Gruppen mit politischen Parteien oder Jugendorganisationen sollten auf sachlicher Grundlage beleuchtet werden, unabhängig von ihrer politischen Herkunft.
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  • Martin Deeg
    Welche "linksextremen" Organisationen treiben denn in Bayern ihr Unwesen?

    Können Sie welche nennen?
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  • Karl Weeth
    Ich habe in meinem Kommentar keine spezifischen Organisationen oder Gruppierungen in Bayern oder einem anderen Bundesland genannt. Mein Anliegen war es, darauf hinzuweisen, dass gleiche Maßstäbe für alle politischen Richtungen gelten sollten. Es ist wichtig, sowohl linksextreme als auch rechtsextreme Aktivitäten kritisch zu betrachten und entsprechend zu bewerten. Eine ausgewogene Diskussion sollte darauf abzielen, extremistische Ansichten und Handlungen unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung zu verurteilen.
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  • Martin Deeg
    In einem Bericht über eine rechtsextreme Burschenschaft fordern Sie eine "ausgewogene Diskussion"? Wie darf man sich das vorstellen?

    Ich kann Ihnen versichern, dass alles "Linke" und was ein ordentlicher Beamter mit sowas assoziiert, die ganze Aufmerksamkeit der Strafverfolgung bekommt. Es bleibt halt oft nicht viel hängen außer Bagatelldelikten.
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  • Karl Weeth
    Ich weiß nicht, was Sie in meinen Kommentar hineininterpretieren wollen. Er betont lediglich die Wichtigkeit einer ausgewogenen Diskussion, bei der alle extremistischen Ansichten und Handlungen, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung, verurteilt werden sollten. Das bedeutet, dass in einer Diskussion keine Parteilichkeit oder Voreingenommenheit gegenüber einer bestimmten politischen Ideologie herrschen sollte. Stattdessen sollte das Hauptziel darin bestehen, extremistische Ansichten und Handlungen zu verurteilen, da sie oft zu Gewalt und Unruhen führen können. Es ist ein Aufruf zur Förderung von Toleranz, Respekt und Verständnis für unterschiedliche Meinungen und Überzeugungen, während gleichzeitig extremistische Ansichten und Handlungen abgelehnt werden. Sie versuchen jedoch zu suggerieren, dass es in Bayern solche Gruppierungen gar nicht gibt. Dabei wäre ich mir jedoch nicht so sicher.
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  • Herbert Stapff
    Wehret den rechtsextremen Anfängen. Wir hatten das vor 100 Jahren schon mal. Es hat gereicht.
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