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Eisingen
Corona-Krise in Eisingen: Pflegeheim ist an Belastungsgrenze
Die Pandemie hat ein Behinderten-Pflegeheim in Eisingen mit Wucht getroffen. Wie es den Bewohnern geht, und wo die Einrichtung sich von der Politik vernachlässigt fühlt.
Das Pflegeheim St. Josefs-Stift in Eisingen hat aktuell mit einem heftigen Corona-Ausbruch zu kämpfen.
Foto: Silvia Gralla | Das Pflegeheim St. Josefs-Stift in Eisingen hat aktuell mit einem heftigen Corona-Ausbruch zu kämpfen.
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:43 Uhr

Die Gelassenheit, mit der Melissa Hager über die aktuelle Situation im Pflegeheim St. Josefs-Stift in Eisingen berichtet, ist beeindruckend. Immerhin hat die Heim-Sprecherin am Montag eine Hiobsbotschaft zu verkünden: 55 Menschen aus dem Umfeld der Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung wurden laut Hager in der vergangenen Woche positiv auf Corona getestet.

"Uns geht es den Umständen entsprechend gut", fasst Hager die Situation ihrer Einrichtung zusammen. Trotzdem führten die Umstände – 30 infizierte Bewohner, 23 infizierte Mitarbeiter und zwei infizierte externe Personen – ihre Einrichtung an die Belastungsgrenze: "Aktuell schaffen wir es noch, den Betrieb aufrechtzuerhalten", so Hager weiter. "Das ist aber nur wegen dem unglaublichen Einsatz unserer Mitarbeiter möglich." Zudem gebe es bislang immerhin keine schweren Krankheitsverläufe.

700 Tests sind im St. Josef-Stift durchgeführt worden

Unterstützt werde die Einrichtung aktuell von einer Sanitäterin des Katastrophenschutzes, man gehe zudem davon aus, bald Hilfe von weiteren Einrichtungen der Region zu erhalten. Zudem kläre man derzeit mit dem Gesundheitsamt, inwiefern positiv getestete, symptomfreie Mitarbeiter im Notfall eingesetzt werden könnten, so Melissa Hager.

213 erwachsene Bewohner und 380 Mitarbeiter hat das St. Josefs-Stift. In der vergangenen Woche hatte es dort erstmals den Verdacht auf Corona-Infektionen gegeben. Am Freitag folgte dann eine großflächige Reihentestung: 700 Tests waren durchgeführt worden, übers Wochenende tröpfelten die erschreckenden Ergebnisse ein. Zurückzuführen sei der Ausbruch auf Bewohner, und nicht auf Mitarbeiter, sagt Hager: "Das hat uns das Gesundheitsamt bestätigt."

Hinweis: In einer früheren Version wurden die Werk- und Förderstätten als Ursprung des Ausbruchs angegeben. Das ist falsch. Laut Sprecherin Hager können die Corona-Maßnahmen dort zuverlässig eingehalten werden. Der Ursprung sei bekannt und liege an anderer Stelle.

Menschen mit geistiger Behinderung haben beim Impfen nur "hohe Priorität"

Tragisch ist für Hager der Ausbruch insofern, als dass man Infektionen in der Einrichtung bisher komplett habe vermeiden können. "Wir hatten gehofft, wir schaffen das noch bis zur Impfung." Das Thema Impfung sei aus ihrer Perspektive ein sehr ärgerliches Thema. So ließe sich zwar feststellen, dass die lokalen Behörden ihr Bestmöglichstes für eine rasche Impfung von Menschen mit geistiger Behinderung tun würden. "In der Praxis kommt bei uns aber leider nicht wirklich etwas an."

Die Priorisierung, in welcher Reihenfolge Bevölkerungsgruppen geimpft werden, ist in der Corona-Impfverordnung des Bundes geregelt. Höchste Priorität haben laut Verordnung etwa Senioren über 80 Jahre. Menschen mit einer geistigen Behinderung sowie Mitarbeiter in entsprechenden Einrichtungen werden laut Verordnung mit hoher Priorität, also nachfolgend geimpft.

Pflegeheim-Sprecherin wünscht sich höhere Impf-Priorisierung ihrer Klienten

Angesichts der besonderen gesundheitlichen und mentalen Schutzbedürftigkeit geistig behinderter Menschen wünscht sich Heim-Sprecherin Melissa Hager eine höhere Priorisierung dieser Bevölkerungsgruppe. Für viele ihrer Klienten stelle das Virus ein hohes gesundheitliches Risiko dar, und auch psychisch seien Krisen wie aktuell in Eisingen oft nur schwer zu verarbeiten. So seien zwar viele ihrer Klienten in der Lage, aktuelle Entwicklungen und Zusammenhänge zu verstehen, aber nicht alle: "Der Ausbruch und die ungewohnte Schutzkleidung können durchaus verstörend wirken."

Laut Gesundheitsamt sollen die Außenwohngruppen des Pflegeheims bereits ab dieser Woche geimpft werden. Das Haupthaus in Eisingen selbst werde aufgrund des nicht einzugrenzenden Ausbruchgeschehens jedoch vorerst zurückgestellt.

 
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  • georg-ries@web.de
    Ich hätte erwartet dass in diesen Einrichtungen regelmäßig getestet wird. Nicht erst, wenn das Kind in den Brunne gefallen ist.....
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  • hhager
    Die Mitarbeitenden des St. Josefs-Stift werden seit Wochen zweimal wöchentlich getestet, seit einiger Zeit nun sogar dreimal wöchentlich. Dies ist in der Infektionsschuztverordnung vorgeschrieben. Besucher*innen dürfen die Einrichtung ebenfalls nur mit negativem Testergebnis betreten. Wenn Bewohner*innen nach einem Besuch zu Hause in die Einrichtung zurückkehren, müssen auch Sie einen negativen Test vorlegen. All diese Maßnahmen wurden eingehalten, aber eine endgültige Garantie gibt es am Ende nicht - unter anderem deshalb, da die Tests immer nur eine Momentaufnahme darstellen.
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  • tabima
    Umso erfreulicher, dass Förderschulen dank "Notbetreuung" quasi teilweise voll geöffnet sind - zumindest aus Sicht des Virus....jede Woche neue Busfahrer, die die Kinder in die Einrichtung bringen, zusammen mit Schülern aus anderen Klassen über eine halbe Stunde im Bus unterwegs....ohne Maske natürlich. Viel anders wird es in den Werk- und Tagesstätten nicht ablaufen. Aber dann wundern, wenn es passiert?
    Schade, dass das Kind immer erst in den Brunnen fallen muss, bevor gehandelt wird.
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  • waldtom1
    An dem ganzen Inpfdesaster ist die EU Kommisionspräsidentin VdL und die Bundeskanzlerin schuld. Erstere, weil sie es schlicht versemmelt hat, rechtzeitig genügend Impfstoff zu bestellen und letztere, weil sie die Verantwortung für die Impfstoffbeschaffung an das Bürokratiemoster EU abgegeben hat.
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  • klafie
    gemerkt: Seit 50 Lebensjahren kann er nur "Mama" oder "Papa" sagen, krappelt wie ein Baby am Boden,
    malt wie ein 2jähriger. Die Eltern redeten damals bei diesem Arzt gegen eine Wand, ihn doch ins Krankenhaus
    zu bringen.
    Aber wie gesagt um beim Thema zu bleiben: Es ist hier wieder mal ganz deutlich zu merken: ein totales Versagen
    über die Vorgehensweise der Impfpolitik.
    Wenn alle über 80jährigen zuerst geimpft sind, wieviele junge Menschen müssen sich dann erst noch anstecken,
    die voll im Berufsleben stehen? Denke, da sind wir mal einer Meinung, oder?
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  • klafie
    diese Zahlen sind schon sehr beunruhigend. Und ich gehe mal davon aus, auch für alle anderen normaldenkenden Leser.
    Hier kann ich nun wirklich nicht mehr nachvollziehen, was die Politik beflügelt, dass zuerst
    alle älteren Menschen geimpft werden sollen, und dann die Jüngeren.
    Eigentlich müssten doch, egal ob in Altenheimen, Krankenhäusern oder wie hier im st. Josefs-Stift in Eisingen erst einmal an das Wohl des Pflegepersonals gedacht werden !!
    Was nützt es, wenn die Pflegekräfte fehlen und den kranken Menschen nicht geholfen,
    bzw. sie nicht gepflegt werden können? Ich habe auch einen 100% behinderten Cousin
    im St. Josef -Stift, der von Klein auf, noch im Säuglingsalter hinein mußte, weil der damalige Arzt nicht erkannte, dass er an Hirnhaut erkrankt war und Fieber um 40Grad hatte und das mehrere Tage lang. Die profane Ausrede des Arztes: Man solle sich nicht
    verrückt machen, ein Kind schreit halt mal und das ist Kindbettfieber. Das Resultat des
    Jungen hat man dann nach einem Jahr geme
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  • klaus.1960k@t-online.de
    @klafie: Was hat dieses sicherlich traurige Schicksal ihres Cousins von vor zig Jahren mit dem Artikel und mit der Pandemie zu tun? Immer nur auf alles und Jeden zu schimpfen macht die Sache auch nicht besser.
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