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Würzburg
Corona-Ausbruch in Würzburg: Angehörige in Sorge um Heimbewohner
Seit Samstag gab es keinen weiteren Corona-Todesfall. Trotzdem befindet sich das Würzburger Seniorenheim im Ausnahmezustand. Auch für Angehörige eine belastende Situation.
Blick auf das Seniorenheim St. Nikolaus (blau) der Stiftung Bürgerspital im Würzburger Stadtteil Sanderau. Es ist über einen Anbau mit dem Seniorenheim Ehehaltenhaus (recht) verbunden.
Foto: Daniel Peter | Blick auf das Seniorenheim St. Nikolaus (blau) der Stiftung Bürgerspital im Würzburger Stadtteil Sanderau. Es ist über einen Anbau mit dem Seniorenheim Ehehaltenhaus (recht) verbunden.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 09:39 Uhr

Es ist eine Ausnahmesituation für alle Beteiligten. Für die alten Menschen, die ihre Zimmer nicht mehr verlassen dürfen. Für die Pflegekräfte, die in Quarantäne zuhause bleiben müssen. Und für die Pflegekräfte, die noch im Seniorenheim St.Nikolaus arbeiten, und täglich befürchten müssen, dass zu den neun Todesfällen noch weitere hinzukommen. Dass das Coronavirus noch mehr der ohnehin geschwächten Menschen dahinrafft. Menschen, die keine Fremden waren, sondern denen man nahestand.

Und dann ist es eine Ausnahmesituation für die Angehörigen der 160 Heimbewohner: Sie dürfen seit Bekanntwerden des ersten Corona-Falls in dem Würzburger Seniorenheim ihre Mütter, Väter, Omas oder Onkel nicht mehr besuchen. Müssen darauf vertrauen, dass ihre Liebsten in guten Händen sind. Dass alles getan wird, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Dass Hygiene-Vorschriften eingehalten werden und dass sie über alle wichtige Entwicklungen informiert werden – vor allem dann, wenn es einem Einzelnen schlechter geht.

Personeller Engpass, weil auch Pflegekräfte infiziert sind

Die Angehörigen sind verunsichert und in Sorge. Das hat die Redaktion in mehreren Gesprächen erfahren. Mehr Fragen stehen im Raum als Antworten. Was zum einen der prekären Lage im Heim geschuldet ist: Weil über 30 positiv getestete Pflegekräfte noch unter Quarantäne stehen, fehlt es an Personal. Ein Engpass, der auch durch Umschichtung aus Reha- und Geriatriezentrum des Bürgerspitals nicht aufzufangen ist.

Angehörige berichten, sie hätten teils tagelang versucht, telefonisch durchzukommen. Wo, wie in der vergangenen Woche, Bewohner reihenweise sterben und Pflegekräfte bis zur körperlichen und seelischen Erschöpfung arbeiten, da leidet die Kommunikation. Die Tochter einer betagten Bewohnerin hat der Redaktion geschrieben, die Main-Post sei in Sachen Heimsituation ihre wichtigste Informationsquelle.

1970 wurde das historische Ehehaltenhaus um das Seniorenheim St. Nikolaus (rechts) erweitert. Das Wahrzeichenen beider Heime ist die St.Nikolaus-Kapelle. 
Foto: Daniel Peter | 1970 wurde das historische Ehehaltenhaus um das Seniorenheim St. Nikolaus (rechts) erweitert. Das Wahrzeichenen beider Heime ist die St.Nikolaus-Kapelle. 

Und sie legt Wert auf Differenzierung: Alle bisherigen Corona-Fälle wurden im Heim St. Nikolaus registriert und nicht im benachbarten Ehehaltenhaus. Beide Häuser gehören zur Stiftung Bürgerspital, doch dort hat man eine genaue Verortung der Fälle bisher vermieden.

Immerhin hatte sich Direktorin Annette Noffz in der vergangenen Woche gegenüber dieser Redaktion noch zur Situation geäußert. Seit Samstag – seit Bekanntwerden weiterer vier Todesfälle, Live-Schalten von ARD und ZDF und der Belagerung durch Boulevard-Reporter – ist das anders. Mit Verweis auf begrenzte Kapazität und Vorrang der Krisenbewältigung, beantwortet das Bürgerspital keine Einzelanfragen von Medien mehr. Man wolle künftig aber mit Pressemitteilungen regelmäßig über die Lage im Heim informieren.

Die Angehörigen unterdessen hoffen auf möglichst direkte Auskünfte und Aufklärung. Andere Einrichtungen bieten Hotlines an oder benachrichtigen die Nahestehenden über E-Mails. Woran es derzeit nicht mangelt, sind Gerüchte und wilde Spekulationen, in der Öffentlichkeit wie bei den Angehörigen selbst.

Bewohner dürfen nicht eingesperrt werden

Da sind etwa Zweifel, dass das Personal die Hygiene-Vorschriften korrekt einhält – was die Stiftungsdirektorin schon vor Tagen  zurückgewiesen hat. Alle Mitarbeiter dürften die isolierten Zimmer nur mit Mundschutz und Schutzkittel betreten – was Bewohner bestätigen – und müssten die Handschuhe nach Einmalgebrauch abstreifen.

Und Senioren, die trotz Verbot im Heim frei herumlaufen, wie ein Angehöriger berichtet? Auch Demenz-Erkrankte leben in der Einrichtung. Irren sie umher, werden sie vom Personal in ihre Zimmer zurückgebracht. So die Maßgabe. Einsperren ohne richterlichen Beschluss ist untersagt.

Die Direktorin der Stiftung Bürgerspital Annette Noffz ist derzeit als Krisenmanagerin gefordert.
Foto: Thomas Obermeier | Die Direktorin der Stiftung Bürgerspital Annette Noffz ist derzeit als Krisenmanagerin gefordert.

Und schließlich beschäftigt Angehörige wie Öffentlichkeit die Frage, wie das todbringende Virus ins Heim gelangen konnte. Angehörige, Pflegekräfte, mobile Bewohner selbst? Vermutlich lässt sich die Infektionsquelle tatsächlich nicht mehr genau ausmachen. Wie dann der bayerische Innenminister in der "heute"-Sendung dazu kommt, den Verdacht auf einen Pfleger zu lenken, bleibt sein Geheimnis. Oder er verfügt über weitergehende Informationen. Die Stiftungsdirektorin jedenfalls nimmt das Pflegepersonal in Schutz: "Alle arbeiten an der Belastungsgrenze. Unsere Mitarbeiter versuchen die Bewohner in dieser schwierigen Situation bestmöglich zu betreuen."

Es gibt nicht genügend Test-Sets für alle Bewohner

Und trotzdem ist den Angehörigen ihre Besorgnis kaum zu nehmen. Da ist die ältere Frau, die ihren Mann täglich gefüttert hat. Jetzt sind beide an Corona erkrankt – er im Heim, sie zuhause in Quarantäne. Da ist der Sohn, der nicht weiß, wie es mit seiner Mutter nach einem Sturz weitergehen soll. Da ist eine Tochter, die sich wundert, warum nicht längst alle 160 Bewohner auf Corona getestet sind.

Die Antwort hierauf ist so einfach wie drastisch: Es gibt dafür nicht genügend Test-Sets, Nachschub ist derzeit nirgends zu erhalten. Das Heim wird somit weiterhin nur beim konkreten Verdacht und bei Symptomen einen Test veranlassen, beim Personal wie bei den Bewohnern.

Staatsanwaltschaft sieht keine Veranlassung zu Ermittlungen

Dass nicht alle schwerkranken Corona-Patienten, wie am Montag acht von ihnen, in der Klinik behandelt werden, liegt teilweise an Patientenverfügungen oder dem Wunsch der Angehörigen. In Abstimmung mit ihnen entscheiden die Ärzte. Wie die Behörden der Deutschen Presse-Agentur bestätigten, schließen Staatsanwaltschaft und Polizei ein Mitverschulden des Heims bei den bisherigen neun Todesfällen aus.

 
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  • T. H.
    Zum Glück kann nicht jeder mitmischen. Das Personal wird alles erdenkliche tun. Es handelt sich um eine furchtbare Tragödie.

    Wie berichtet, haben viele alte Menschen Patientenverfügungen, heißt keine lebenserhaltenden Maßnahmen. Weder in Kliniken noch in Heimen. Deswegen sind nicht alle in Kliniken. So simpel.

    Außerdem weiß niemand, ob er ansteckend ist bis er selbst Symptome zeigt. Viele zeigen keine Symptome, gehen entsprechend zur Arbeit. So simpel.

    Macht den Leuten das Leben nicht schwerer als es in der Situation eh schon ist. Niemand hat verdient, dass sich die Öffentlichkeit das Maul zerreißt. Es ist alles schon so schlimm genug.
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  • A. S.
    Ich finde, man muss auf jeden Fall versuchen aufzuklären, warum sich das Coronavirus derart in diesem Heim verbreiten konnte. Wie es eingeschleppt wurde, lässt sich wahrscheinlich nicht mehr herausfinden. Das finde ich auch nicht so wichtig wie die Frage, wie es sich innerhalb des Heimes so stark ausbreiteen konnte, wenn man angeblich nach dem ersten Todesfall schon Schutzmaßnahmen ergriffen hat und kein Besuch mehr von außen erlaubt war. Dann hätte es ja keine weitere Ansteckung mehr geben dürfen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der erste Infizierte Kontakt zu so vielen anderen hatte. Irgendwo muss es eine Schwachstelle geben! Vielleicht die Kapelle? Dass die Bewohner noch gemeinsam dort zum Gottesdienst zusammengekommen sind? Oder ein Seelsorger, der die Bewohner noch besuchen durfte und vermutlich keine Handschuhe und keine Schutzmaske trug? Oder über das Essen? Ich finde es sehr wichtig, das herauszufinden, um in diesem Heim und in anderen weitere Ansteckungen zu vermeiden.
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  • I. E.
    Das sind hier alles Spekulationen und Panikmache
    Was soll das?
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  • G. B.
    Das ist schon Klärungsbedarf!
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  • G. B.
    Komisch.
    Die scheinen mir erst jetzt langsam aufzuwachen, wenn schon 9 Menschen gestorben sind. Auch nu wegen des bundesweiten Medienechos.
    Warum waren nicht mehr Leute im Krankenhaus? Letzte Woche war keiner auf intensiv gelegen. Obwohl schon 4 Menschen gestorben waren. Plötzlich waren 5 weitere tot.
    Wollte man evtl Plätze für " wichtigere " oder jüngere Patienten freihalten?
    Jedenfalls ist erst jetzt die Todesserie zumindest gebremst.
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  • M. S.
    Ich finde hier sollte die Mainpost schon hart dranbleiben und auch Antworten einfordern und nicht klein beigeben (zur Not nach der Krise).

    Der Staat greift mittlerweile überall ein und mischt sich ein, beschließt Hilfen, Eilgesetze etc. - aber irgendwie kommt es mir vor als würde dieser "Corona-Hotspot" alleingelassen? - ich bitte hier die Mainpost nachzufragen...
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  • M. S.
    "Da ist eine Tochter, die sich wundert, warum nicht längst alle 160 Bewohner auf Corona getestet sind.

    Die Antwort hierauf ist so einfach wie drastisch: Es gibt dafür nicht genügend Test-Sets, Nachschub ist derzeit nirgends zu erhalten. Das Heim wird somit weiterhin nur beim konkreten Verdacht und bei Symptomen einen Test veranlassen, beim Personal wie bei den Bewohnern."

    In diesem Fall d.h. wo von 160 Bewohnern bereits 9 verstorben sind, wo sich 30 positiv getestete Pfeger in Quarantäne befinden muss man sich schon fragen ob alles getan wird was möglich ist.

    Ein Test wäre ja erstmal etwas Grundlegendes - wenn es daran schon scheitert? Warum mangelt es in diesem "Epizentrum" an Pflegekräften? Warum wird da niemand hinbeordert?

    Anderswo werden auch Menschen getestet bei denen man sich fragt ob es unbedingt nötig gewesen wäre? Es gibt sicher Personen die nur deswegen getestet werden weil sie "unnachgiebig quengeln" was einen Test betrifft o.ä.
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    was hier einFranke schreibt kann man nur befürworten. Ich habe ja nur die Aussensicht in Form der Berichterstattung, doch der gesunde Menschenverstand sagt, wenn hier nicht einmal grundlegend alle Bewohner und Mitarbeiter getestet werden, ist es doch auch überhaupt nicht möglich den Virus dort einzudämmen. Sollte ihn ein Mitarbeiter haben und noch nicht getestet sein, trägt er ihn wieder zu mehrernen Senioren und umgekehrt wenn ein Bewohner infiziert ist und nicht bekannt (Sympthone sind teilweise ja sehr gering) gibt er es wieder an die Mitarbeiter. Das ist doch ein nie zu endender Kreislauf!!! Sollte es Mitarbeiter/Ärzte betreffen, die noch nicht mal grundgetestet sind wird dies zudem mit nach Hause oder in die Praxen mitgenommen. Hier muss es doch definitiv Möglichkeiten geben alle Maßnahmen zur Eindämmung zu ergreifen. Kann hier nicht einmal die Stadt Würzburg aktiv unterstützen?
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