
Der afroamerikanischen Sängerin, Pianistin und Performerin Nina Simone (1933-2003) werden enorme Bühnenpräsenz, eine faszinierende tiefe Stimme und großes pianistisches Können zugeschrieben. Die Persönlichkeit inspirierte Dominique Dumais, Ballettdirektorin am Mainfranken Theater Würzburg, zu kreativer Auseinandersetzung. Entstanden ist daraus der Tanzabend "Classic Soul", der am Samstag in der Theaterfabrik Blauen Halle in Würzburg Premiere feierte.
Dabei bekam man allerdings nicht einfach einen biografischen Bilderbogen zu sehen. Vielmehr diente eine Auswahl an Aufnahmen und Mitschnitten von Auftritten Simones, dazu drei Werke Johann Sebastian Bachs in Einspielungen von Glenn Gould als Anknüpfungspunkte, um Aspekte eines Lebens herauszugreifen und tänzerisch neu zu interpretieren.

Um alle Gedankengänge und Hintergründe nachvollziehen und verstehen zu können, um nicht nur den Eindruck von neunzehn aufeinanderfolgenden vertanzten Musiknummern mit nachhause zu nehmen, musste man das Programmheft jedoch genau studiert haben. Die Abstraktion eines Klaviers am Bühnenrand, die den Blick in den entleerten Resonanzkörper freigab, war da noch das Einfachste. Glitzervorhang und Pailletten als Reminiszenz an den von Simone bevorzugten Halsschmuck oder an Bar- und Bühnenauftritte an sich, ein barockprächtiger Sessel als Symbol für Simones Stellung in der Musikwelt (Simone hatte auch einen solchen zu Hause), eine bewegliche rote Wand als Barriere waren da schon weniger leicht einzuordnen.
Gurrende Stimme und harte Beckenschläge
Choreografin Dumais widmet sich mit ihrem in ein differenziertes Lichtdesign getauchten Ensemble dem Facettenreichtum der Songtitel. Dabei dominieren ungeheure Körperlichkeit und viel individuelles Ausdrucksvermögen. Mal überträgt sich das Soul-Feeling der Musik in den Tanz, mal rekeln sich Menschen fast lasziv, dann wieder scheint Federvieh zu balzen. Immer wieder werden kleinste musikalische Figuren vertanzt, Finger umflirren die "Königin" Simone. Ein gnadenlos durchgehender Schlagzeugrhythmus begleitet eine temporeiche Ringkampfsituation. Simones gurrende Stimme und harte Beckenschläge, dazu intensive Atemgeräusche lassen ein Duo um Liebe kämpfen.

Stampfende Reihen und Gruppen zu Bongoklängen, eine rot gekleidete Tänzerin im Kokon der Gruppe, Trostlosigkeit und Trauer verbreitet das in schwarz gehaltene Gedenken an die Lynchmorde an den Afroamerikanern in den Südstaaten. Köstlich komisch die Moritat "Go Limp", in der sich die Protestmärsche der Bürgerrechtsbewegung mit dem nachlassenden Kampf einer jungen Dame um ihre Unschuld vereinen. Immer wieder gibt es an diesem Abend Raum für Improvisationen, alle Ensemblemitglieder nutzen diese Freiheit für individuelle Auftritte.
Bewundernswerte Kondition an den Tag gelegt
Dass das Ensemble durchwegs eine ganz starke tänzerische Leistung ablieferte und bewundernswerte Kondition an den Tag legte, wurde gebührend beklatscht. Doch manchmal hätte man sich in der Choreografie ein Weniger an Bewegungen gewünscht, ein Innehalten, mehr Stimmigkeit und Verschmelzen mit der Musik. So schienen über weite Strecken zwei Welten nebeneinander herzulaufen: die Musik der Nina Simone und die Kunst des modernen Tanzes.
Mainfranken Theater Würzburg, "Classic Soul", auf dem Spielplan bis Juni 2025. Karten unter www.mainfrankentheater.de