
Stellen Sie sich vor, Sie sind jung, voller Energie und Plänen für die Zukunft. Doch plötzlich reißt eine unsichtbare Krankheit Sie aus Ihrem Alltag. Sie fühlen sich ständig erschöpft, können kaum noch Ihre täglichen Aufgaben erledigen. Für Menschen, die vom Chronischen Fatigue Syndrom (CFS) betroffen sind, ist das die Realität.
Die Krankheit ist unberechenbar. Sie trifft oft junge Menschen und macht sie zu Pflegefällen. In Deutschland sind laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung etwa 500.000 Menschen an CFS erkrankt. In der Corona-Pandemie hat sich die Zahl verdoppelt.
Als diese Redaktion mehrfach über das Thema Chronisches Fatigue Syndrom berichtete, meldeten sich viele, die selbst an der Krankheit leiden oder Angehörige von Erkrankten sind. Was alle eint: Sie finden kaum medizinische Hilfe in der Region.
Fehlende medizinische Versorgung bei CFS: Odyssee von Arzt zu Arzt
So wie Klara H., die sich im Dezember 2020 mit dem Corona-Virus infiziert hatte. "Anfangs waren es nur Schnupfen und Husten, doch mit jedem Tag verschlechterte sich mein Zustand", berichtete die gelernte Krankenschwester vor einem Jahr. Fast vier Wochen lang habe sie gegen die Krankheit gekämpft. "Dann begann eine Odyssee von Arzt zu Arzt. Die medizinische Versorgung für Menschen mit meiner Erkrankung ist in Würzburg sehr schlecht." Ihre Hausärztin sei auch keine große Hilfe gewesen, sagt die 24-Jährige: "Sie hatte noch nie von der Krankheit gehört."
ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, meist ausgelöst durch eine Virusinfektion. Verschiedene Erreger sind dafür bekannt, darunter Herpesviren wie das Epstein-Barr-Virus, Dengue- oder Influenza-Viren und auch das Corona-Virus. "Es gibt bis heute keinen Test, mit dem man die Krankheit eindeutig diagnostizieren kann", sagt Arpad Grec, Chefarzt für Psychosomatik am Rehabilitationszentrum in Bad Bocklet (Lkr. Bad Kissingen).
Im Sommer 2023 habe sie sich für eine sogenannte Immunadsorption entschieden, berichtet Klara H. jetzt: "Dabei werden hauptsächlich Autoantikörper aus dem Blut gefiltert, die bei ME/CFS im Verdacht stehen, eine zentrale Rolle im Krankheitsmechanismus zu spielen." Das Verfahren werde bei anderen Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose schon angewendet, für viele Long-Covid-Betroffene sei die Blutwäsche ein Hoffnungsschimmer.
"Meine Familie hat zusammengelegt und insgesamt 30.000 Euro für fünf Blutwäschen in einer Privatpraxis in Frankfurt aufgebracht", sagt die 24-Jährige. Angenehm sei es nicht gewesen: "Man liegt wie beim Blutspenden auf einer Liege. Dabei fließt das Blut durch einen Katheter aus der Armvene heraus, läuft durch einen Apparat und fließt dann gereinigt am anderen Arm wieder in den Körper hinein." Doch nach vier bis sechs Wochen sei es ihr besser gegangen: "Ich konnte zum Beispiel mit dem Rollstuhl kurze Spaziergänge unternehmen und Freunde treffen", sagt Klara H. "Bis heute profitiere ich von der Behandlung."

Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Blutwäsche jedoch nicht. "Hierzu gibt es keine wissenschaftlichen Daten, die in diesem Kontext einen Nutzen belegen", sagt Stefan Dreising, Pressesprecher der Uniklinik Würzburg. "Daher führen wir hier auch keine solche Behandlung durch."
Doch für viele Betroffene ist die Blutwäsche die letzte Hoffnung, solange es keine wirksamen Medikamente gegen das komplexe Leiden gibt. Klara H. und ihre Familie klagen mittlerweile gegen die Krankenkasse für eine Kostenübernahme. "Doch es gab bisher keine Entscheidung", sagt die Würzburgerin.
"Wir Betroffenen fühlen uns immer noch kaum gesehen und gehört", sagt Nadine B., die vor einem Jahre ihre Geschichte ebenfalls öffentlich machte. Im Alter von 18 Jahren erkrankte sie am Pfeifferschen Drüsenfieber - und wurde nicht mehr gesund. "Der Alltag ist sehr beschwerlich. Leider hat sich an meiner Situation nichts verbessert. Mein Zustand hat sich verschlechtert", sagt die heute 33-Jährige aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld. Ihre Ausbildung als Steuerfachangestellte hatte sie damals abbrechen müssen und ist bis heute so krank, dass sie nicht arbeiten kann.
Vernetzt in und um Würzburg: ME/CFS-Selbsthilfegruppe gehören etwa 80 Erkrankte an
Eine spezifische ME/CFS-Ambulanz gibt es an der Uniklinik in Würzburg noch immer nicht. Auf Nachfrage nennt die Pressestelle auch keine Ärztin und keinen Arzt am Klinikum, mit dem man über die Krankheit und eine mögliche Behandlung sprechen könnte. Dafür sind viele Betroffene inzwischen in Selbsthilfegruppen vernetzt. Etwa 80 an ME/CFS-Erkrankte gehören allein der Selbsthilfegruppe Raum Würzburg und Umgebung an, sagt Heike Seufert, die die Gruppe leitet und selbst seit zehn Jahren an dieser Krankheit leidet.
"Schlimm für uns ist, dass wir uns ständig rechtfertigen müssen, dass wir nicht können, wie wir sollen", sagt die Leiterin. "Schlimm ist auch die Einsamkeit, weil gesellschaftliches Leben für uns unmöglich ist." Bis sie vor einem halben Jahr zur Selbsthilfegruppe kam, "hatte ich nicht mal einen einzigen Menschen, der mich verstanden hat", sagt Seufert. "Leider sind wir körperlich nicht in der Lage, laute Proteste oder Streiks zu organisieren. Wir haben keine Lobby, die uns vertritt. Wir sind nur viele schwerkranke Menschen, die Therapie, Medikamente, Pflege, Hilfe und Verständnis brauchen."