Mit Casting-Stars ist das so eine Sache: Erst gibt's viel Bohei, dann recht schnell - nichts. Anders bei Christina Stürmer: Der Hype um das damals 21-jährige Mädchen aus Linz hielt sich nach dem zweiten Platz bei der ORF-Castingshow "Starmania" dank wohltuender Bodenständigkeit vergleichsweise in Grenzen, in Deutschland zündete die Österreicherin mit Verzögerung. Heute, mit 42, ist sie immer noch da. In der Würzburger Posthalle, wo sie in die zweite Halbzeit ihrer Akustik-Tour startete, verzauberte Stürmer 1000 Fans ohne Strom, dafür mit starker Stimme und viel Gefühl.
Die Mutter zweier Töchter hat einmal gesagt, sie brauche als tägliches Ritual ihr Mittagessen. Sonst werde sie grantig. Christina Stürmer scheint wohlgespeist zu haben am Dienstagmittag. Gut gelaunt und redselig führt sie als Ansagerin in eigener Sache durch ein Pop-Rock-Programm, das nicht weh tut. Eingängige Melodien kleiden Texte, deren Botschaften keinen übermäßigen Tiefgang brauchen, um Herz und Geist zu berühren. "Mama (ana ahabak)" ist als Antikriegsthema aktueller denn je.
Es ist ein reifer Auftritt einer gereiften Frau. Die sich die spitzbübische Lockerheit bewahrt hat, mit der sie 2003 durch "Starmania" gewirbelt ist. Die Angestellte einer Buchhandlung, deren Kollegin, so erzählte sie unlängst in einer Talkshow, ihr zugeraunt haben soll: "Husch da mal hin." Mitten in der Inventur geht sie zum Studio, kaum zurechtgemacht. Ein paar Wochen später steht sie im Finale. Wo ihr das Selbstvertrauen einen Streich spielt: Lässig den Rat der Coaches ignorierend, singt sie lieber ihr Wunschlied "Kompliment" von den Sportfreunden Stiller, wird "nur" Zweite - und startet anschließend dennoch, oder ausgerechnet deswegen durch.
Verbeugungen vor Wolfgang Ambros und den Sportfreunden Stiller
2023 darf sie sich in Wien in die Serie der legendären MTV-Unplugged-Konzerte einreihen. Als erste Frau aus dem deutschsprachigen Raum überhaupt. Mit all ihren Hits, sowie Erinnerungen an ihre "Helden". In Würzburg singt sie Covers von Wolfgang Ambros ("Du bist wia de Wintasun"), Deine Freunde ("Keine Märchen") oder eben den Sportfreunden Stiller. Und ein neues Lied: "Ein halbes Leben". Eine Verneigung vor dem eigenen Schaffen und Ambition gleichermaßen: "Das Beste hat doch eben gerade erst angefangen."
Stürmer diskutiert mit dem Publikum, ob sie erstmals in Würzburg sei. Okay, Kürnach. Sei aber nicht Würzburg. Die Jungs der Vorgruppe Please Madame kennen die Stadt besser, spielten bei Wein am Stein und sind im Februar im B-Hof. Möglichst ohne Panne. Eine solche, kurz vor München, hätte die charmanten Salzburger am Dienstag beinahe ausgebremst. Dann hätten die Menschen in der Posthalle nicht erfahren, dass "ein Mittagessen im Hause Stürmer etwas mit einem macht" - Probenraum-Gezwitscher.
Partner und Gitarrist Oliver Varga passt daheim auf die Kinder auf
Und wenn schon Geschichten von daheim, dann auch mit Christina Stürmer, die "lieber zappelt" als MTV-konform 80 Prozent eines Auftritts zu sitzen: Ihr Gitarrist und Partner Oliver Varga sei nicht dabei, "weil einer ja auf die Kinder aufpassen muss - und das kann ja schlecht ich sein". Als die Band "Seite an Seite" eingespielt hat, sei sie gerade das erste Mal schwanger gewesen. Klingt der Song deswegen so emotional? Man nimmt es der sympathischen Oberösterreicherin ab.
Das Unplugged-Format ist ideale Plattform für Stürmers Gefühlswelt, für ihre Texte um Liebe und Leben, um Sehnsucht und Träume. Es fängt aber auch diesen Wirbelwind mit der unendlichen Energie ein. Bis sie ganz am Ende bei den Zugaben noch einmal ausbricht. "Ich lebe" ist ihr größter Hit, einer zum Toben. "Engel fliegen einsam" einer ihrer emotionalsten - die Textsicherheit der Fans beweist, warum er seit vielen Jahren jedes Christina-Stürmer-Konzert beschließt.
