Du verstehst mi ned. Abseits dialektaler Übersetzungsholprigkeiten dürften nicht wenige im Publikum diesen Refrain abnicken. Wolfgang Ambros ist an diesem Abend tatsächlich nicht immer gut zu verstehen. Wenn er zwischendurch Geschichtchen erzählt, ist er unkonzentriert, verschluckt neben Silben ganze Gedanken. Der österreichische Liedermacher wirkt, sagen wir, etwas weinselig. Etwas arg. Sobald der 72-Jährige aber singt, und dafür ist er bei seinem Auftritt in Rottendorf (Lkr. Würzburg) schließlich da, ist seine Stimme klar, vergleichsweise fest und rotzig-charmant wie eh und je. Das macht Laune - auch wenn ein leiser Zweifel an der Verfassung des Künstlers bleibt.
Im März war Ambros, dem in der Vergangenheit immer mal Alkohol-Probleme nachgesagt wurden, noch im Spital. Wegen einer Fußentzündung, wie es heißt. Seine Wien-Konzerte holte er im April nach. Jetzt ist er in Deutschland unterwegs. Mit kleinem Besteck. Ambros pur. Nicht ganz ohne Strom, aber lediglich begleitet von Pianist Günter Dzikowski und Gitarrist Roland Vogl. Die Minimalbesetzung lässt Raum für Wiener Schmäh. Diesen etwas anderen, "goscherten" Humor. Ambros ist gut gelaunt, als habe es die 1:2-EM-Niederlage des Teams Austria gegen die Türkei tags zuvor nie gegeben.
Geschichten aus dem Wiener Kaffeehaus
Über Fußball spricht Ambros eh nicht. Lieber über Herzschmerz oder gleich nur Schmerz. Oder über das Wiedersehen mit einer "sehr stattlichen Dame" namens Adele im legendären Wiener Kaffeehaus Hawelka. An eine Bettina erinnert er sich auch im gleichnamigen Song. Der Geist der Achtziger und Siebziger zieht durch das Gut Wöllried. "Du bist wia die Wintersun" war 1972 eines seiner ersten Stücke. Ob es viele seiner Gäste kennen, zweifelt der Künstler provokant an. Mutmaßt später bei "Zwickt's mi", viel mehr könne ihnen womöglich nicht geläufig sein.
Dass das unhöflich sein könnte, grantelt er beiseite. Zugegeben: charmant. Herrlich, wie er seine Interpretation des Danzer-Klassikers "Weiße Pferde" beinahe rechtfertigt. Hübsch sein Kramen in der Bob-Dylan-Kiste: "Don't think twice, it's allright" - bei ihm heißt's "Denk ned noch". Wer wegen der Skistöcke, mit denen Ambros gebückt auf die Bühne tapst und nach einer knappen Stunde zu einer Pause wieder herunter, auf "Skifoan" wartet, wartet vergebens. Zunächst.
Klarer wird Wolfgang Ambros nach 20 Minuten Luftholen im Plausch nicht. Im Gegenteil. Dass er über die versteckten, liebevollen Gehässigkeiten selbst am meisten lacht, dürfte daran liegen, das er noch weinseliger wirkt - und es folglich immer anstrengender wird, ihm zu folgen. Dazu passt ein verunglücktes Geburtstagsständchen: Nicht, weil "Geburtstag" seinen zwischenmenschlichen Textzauber verloren hätte, sondern die Kommunikation mit Dieter und Elke, den Jubilaren des Abends, verunglückt.
Ein unerschöpfliches Repertoire an Gassenhauern
Wie auch der ein oder andere Ton auf seiner Akustikgitarre. Was Ambros stimmlich weiterhin überraschend souverän beiseite schmettert. Da helfen ihm seine beiden Mitmusikaten, die aus "Gezeichnet fürs Leben" einen ganz großen Moment machen. Und natürlich hilft ihm sein schier unerschöpfliches Repertoire an Gassenhauern.
Einen ganzen Sack voll davon gibt's als Zugaben, eingeleitet von seiner Premieren-Single "Da Hofa", über die "Blume aus dem Gemeinebau" und "Die Kinettn" bis zu "Es lebe der Zentralfriedhof". Ja. Und das Warten auf "Skifoan" hat auch ein Ende. Die Fans haben Spaß. Und Wolfgang Ambros gibt diesem nasskalten Abend trotz alle Misstöne zwischenmenschliche Wärme. Nur gibt die Bühne auch ihm noch Spaß und Wärme? Seine Kunst ist für die Ewigkeit, doch seine Zeit wirkt vorbei.
Auch nach diesem "Mainstream Kommentar".
Kaum ein Musiker hat mich so inspiriert.
Verwahrlost aber frei!
Mach weiter!
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