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Würzburg
Bundestagswahl 2021: Welche Forderungen ein Würzburger Unternehmer stellt
Bürokratie, Corona, Steuern: Was der Würzburger Unternehmer Jochen Bähr sich nach der Wahl von der Politik erhofft – und welche Versprechen ihm Kandidatinnen und Kandidaten geben.
Der Würzburger Unternehmer Jochen Bähr in seiner Firma 'büroforum' am Würzburger Heuchelhof.
Foto: Thomas Obermeier | Der Würzburger Unternehmer Jochen Bähr in seiner Firma "büroforum" am Würzburger Heuchelhof.
Julia Back
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:59 Uhr

Der Wähler hat das Wort: Am 26. September ist Bundestagswahl – doch welche Änderungen erwarten sich die Menschen in Stadt und Landkreis Würzburg danach von der Politik? In einer Serie stellen wir Wählerinnen und Wähler aus verschiedenen Bereichen in den Mittelpunkt. Sie schildern, wo es hakt und was sich ihrer Meinung nach dringend ändern muss. Antwort bekommen diese von den Direktkandidatinnen und Direktkandidaten der sechs im Bundes- und Landtag vertretenen Parteien aus dem Wahlkreis Würzburg.

Der Wähler hat das Wort: Unternehmer Jochen Bähr 

"Was sich dringend ändern muss, ist die Bürokratisierung. Der Verwaltungsaufwand, den man hat, um ein Ziel zu erreichen, wird immer höher. Wir hatten beispielsweise erst Spatenstich zu unserem vierten Bauabschnitt zur Vergrößerung der Firma. Zwischen dem ersten und diesem liegen knapp 20 Jahre. Der Aufwand, um einen Bauantrag zu bekommen, hat sich jedes Mal erhöht. Es sind mehr Hürden und auch ein Vielfaches an Kosten dazu gekommen.

Als Unternehmer wird es immer aufwendiger zu expandieren. Dabei schaffen wir damit Arbeitsplätze und tun etwas für die Wirtschaft – und auch für das Land. Aber anstatt, dass es einem einfacher gemacht wird, wird es immer schwieriger.

Keine wirtschaftliche Abhängigkeit 

In der Corona-Krise hat sich gezeigt, was passiert, wenn die Lieferketten unterbrochen werden. Waren werden knapper und damit auch teurer. Egal, ob die Produkte aus Fernost oder der heimischen Wirtschaft kommen. Die Politik muss etwas dafür tun, dass auch hier bei vernünftigen Löhnen zu vernünftigen Preisen produziert werden kann. Deutschland und Europa dürfen nicht abhängig sein.

Wenn wir dieses Land in den Bereichen Infrastruktur und Lebensstandard so haben wollen, wie es ist, dann ist die Besteuerung in Ordnung. Das funktioniert seit Jahrzehnten. Unser Unternehmen zahlt ja auch Steuern und das ist auch angemessen. Es ist aber nicht okay, wenn große internationale Firmen nicht ihren fairen Steueranteil leisten.

Und es gibt eine Ausnahme: Wenn ich etwas an meine Kinder vererbe, muss ich darauf achten, dass diese sich nicht an der Erbschaftssteuer totbezahlen. Vor allem, wenn es um geschäftliche Dinge geht. Dieses Unternehmen wurde vor 20 Jahren gegründet und hat einen gewissen Wert – der aber nicht in Geld vorhanden ist, sondern in Gebäuden und Waren. Das Geld wurde immer wieder investiert. Wenn eines meiner Kinder die Firma übernimmt und dann gegebenenfalls viele Steuern zahlen muss, wie soll das gehen?

Wandel in den Innenstädten

Der Einzelhandel tut sich im Vergleich zum Onlinehandel schwer. Deshalb wird in den Innenstädten ein Wandel stattfinden. Viele Geschäfte werden wegfallen – auch weil die Umsätze in keinem Verhältnis mehr zu den Mieten stehen, wenn 100 Quadratmeter 5000 Euro Miete kosten. Das ist per se kein politisches Problem, sondern unsere Marktwirtschaft. Aber man muss beginnen, die Innenstädte neu zu denken. Was passiert mit den Leerständen? Würzburg wird in zehn Jahren ganz anders aussehen. Hier braucht es dringend Konzepte."

Jochen Bähr (51) ist geschäftsführender Gesellschafter des Würzburger Unternehmens "büroforum planen und einrichten GmbH" mit 75 Mitarbeitern. Das Unternehmen plant und richtet Arbeitswelten ein. Zur Firma gehört auch der Bereich einrichten design, der einen Onlineshop umfasst. büroforum ist mit Niederlassungen in Würzburg, Schweinfurt und Lohr vertreten.

Das sagen die Würzburger Direktkandidatinnen und Direktkandidaten der sechs im Bundestag und Bayerischen Landtag vertretenen Parteien zu Bährs Aussagen und dem Thema Wirtschaft:

Simone Barrientos (Die Linke): "Wir fordern eine Vermögenssteuer für wirklich Reiche"

Simone Barrientos (57) aus Ochsenfurt will auch im September wieder für Die Linke in den Bundestag einziehen.
Foto: Linksfraktion / Olaf Krostitz | Simone Barrientos (57) aus Ochsenfurt will auch im September wieder für Die Linke in den Bundestag einziehen.

"Wir stehen vor großen Herausforderungen. Die Folgen von Corona müssen bewältigt werden und auch der überlebenswichtige sozial-ökologische Umbau wird Geld kosten. Unser Grundgesetz sieht die Möglichkeit einer Vermögensteuer vor. Wir fordern eine Vermögenssteuer für wirklich Reiche. Der Freibetrag soll bei 1 Million liegen, selbst genutztes Eigentum wird in unserem Entwurf nicht betroffen sein. Auch Betriebsvermögen bis 5 Mio Euro sind ausgenommen. Der Eingangssteuersatz soll bei einem Prozent liegen. Erst ab einem Vermögen über 50 Mio Euro fordern wir den Höchststeuersatz von 5 Prozent. Betroffen wären also Multimillionäre und Milliardäre.

Mit diesen Einnahmen könnten dringend notwendige Investitionen in Bildung, Gesundheit, Wohnen bewältigt werden. Einkommen und Vermögen sind ungleich verteilt. Deshalb wollen wir den Mittelstand und Einkommen unter 7000 Euro monatlich entlasten. Das beste Konjunkturprogramm ist die Bekämpfung von Armut in diesem Land. Natürlich muss Steuerbetrug bekämpft werden. Konzerne und Banken bereichern sich auf Kosten der Allgemeinheit mit betrügerischer Absicht, wie WireCard und Cum-Ex-Geschäfte gezeigt haben. Diese ergaunerten Milliardenbeträge fehlen dem Staat. Wir brauchen dringend Geld für Innovationen, die den großen Herausforderungen der Zukunft gerecht werden."

Sebastian Hansen (Bündnis 90/Die Grünen): "Wir wollen europaweit einheitliche Regeln für Unternehmenssteuern"

Sebastian Hansen (26) aus Waldbüttelbrunn will für die Grünen in den Bundestag einziehen.
Foto: Thomas Obermeier | Sebastian Hansen (26) aus Waldbüttelbrunn will für die Grünen in den Bundestag einziehen.

"Unsere Wirtschaft steht vor zwei großen Herausforderungen: die Bewältigung der Corona-Folgen und dem Umbau, der für das Erreichen der Pariser Klimaziele notwendig ist. Für große Teile der deutschen Industrie sind diese Ziele längst fester Bestandteil der Planungen geworden – wir Grüne wollen nun für verlässliche Rahmenbedingungen und Anreize für Klimaschutz sorgen. Gleichzeitig braucht es dringend Investitionen in unsere marode Infrastruktur. Schnelles Internet muss überall verfügbar sein, die Bahn gestärkt und erneuerbare Energien sowie Energiespeicher dringend ausgebaut werden. Wir planen deswegen ein Investitionspaket von 500 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren.

Planungs- und Genehmigungsprozesse müssen nicht nur dabei, sondern auch für die Unternehmen entbürokratisiert werden. Das wollen wir mit einer effizienteren, digitalen Verwaltung und der Vereinfachung von Berichtspflichten erreichen. Klar ist für uns auch, dass insbesondere große, internationale Unternehmen gerecht besteuert werden müssen. Wir wollen europaweit einheitliche Regeln für Unternehmenssteuern und eine Digitalkonzernsteuer für Facebook, Google und Co. Außerdem sorgen wir in den Innenstädten mit viel Grün für mehr Aufenthaltsqualität. Das sorgt auch für mehr Umsatz im von Corona getroffenen Einzelhandel."

Freya Altenhöner (SPD): "Die gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen ist wichtig für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft."

Die Würzburgerin Freya Altenhöner (33) will für die SPD nach der Wahl in den Bundestag einziehen.
Foto: Kathrin Königl | Die Würzburgerin Freya Altenhöner (33) will für die SPD nach der Wahl in den Bundestag einziehen.

"Entbürokratisierung gelingt am einfachsten, wenn wir Verwaltung stärker digitalisieren. Unser Ziel ist ein moderner bürgernaher Staat, der allen Bürgern und Bürgerinnen einen einfachen, digitalen Zugang zu seinen Dienstleistungen bietet.

Mit dem Lieferkettengesetz haben wir einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu vernünftigen Löhnen und Preisen weltweit durchgesetzt.

Durch die Pandemie konnte man erneut sehen, dass Deutschland viele Aufgaben nicht allein bewältigen kann. Das gilt für den Klimaschutz, aber auch für die Besteuerung von großen internationalen Konzernen.

Die gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen ist wichtig für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Derzeit konzentriert sich das Vermögen auf einige wenige Hochvermögende. Um dem entgegenzusteuern, sind Vermögens-und Erbschaftssteuer wichtige Instrumente. Wir wollen die Steuern für die Reichsten um vier Prozent erhöhen, damit für kleine und mittlere Einkommen Entlastungen möglich sind.

Für moderne Innenstädte brauchen wir eine echte Verkehrswende, in der auch dem ÖPNV, dem Radverkehr und dem Fußverkehr mehr Platz eingeräumt wird. Für den Einzelhandel braucht es neue Konzepte damit er konkurrenzfähig bleibt. Leerstand muss gemanagt werden, damit er für Kultur und als Wohnraum genutzt werden kann."

Paul Lehrieder (CSU): "Wir wollen die Besteuerung der Unternehmen modernisieren"

Paul Lehrieder (61) aus Gaukönigshofen  will auch im September wieder für die CSU in den Bundestag einziehen.
Foto: Deutscher Bundestag / Inga Haar | Paul Lehrieder (61) aus Gaukönigshofen  will auch im September wieder für die CSU in den Bundestag einziehen.

"Die Union plant für die neue Wahlperiode unter anderem die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Den von Ihnen angesprochenen Verwaltungsaufwand werden wir durch die Digitalisierung der Akten und Urkunden vereinfachen.

Wir wollen die Besteuerung der Unternehmen modernisieren, damit sie wettbewerbsfähig bleiben. Die Steuerlast für Gewinne soll auf 25 Prozent begrenzt werden. Außerdem werden die Abschreibungsregeln überarbeitet, hierfür planen wir unter anderem die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Eine Erhöhung der Erbschaftssteuer lehnen wir ab.

Wir fördern faire Lieferketten mit Marktverantwortung von Verarbeitungsebene und Handel. Marktpreise müssen fair sein und den Erzeugern ein auskömmliches Einkommen ermöglichen –Markt- und Produktionsrisiken dürfen nicht allein beim Erzeuger liegen.

Uns ist es wichtig, dass die Innenstädte erhalten bleiben und werden für sie zusätzlich zum Städtebauprogramm ein Förderprogramm auflegen. Damit soll beispielsweise die Modernisierung von Fußgängerzonen oder der Umbau von Passagen und Ladengeschäften gefördert werden.

Weitergehende Fragen beantworte ich Ihnen sowie allen anderen Bürgerinnen und Bürgern jederzeit gern in einem persönlichen Gespräch."

Andrew Ullmann (FDP): "Steuererhöhungen sind Sabotage am Aufschwung"

Der Würzburger Andrew Ullmann (58) will auch nach der Wahl im September wieder für die FDP in den Bundestag einziehen. 
Foto: Patty Varasano | Der Würzburger Andrew Ullmann (58) will auch nach der Wahl im September wieder für die FDP in den Bundestag einziehen. 

"Deutschland hat einen massiven Reformstau. Bauverfahren dauern in Deutschland viel zu lange. Mit der Vergrößerung ihrer Firma zeigen Sie ein eindrucksvolles Beispiel, welche negativen Auswirkungen die Bürokratie auf Wirtschaftswachstum und Unternehmergeist haben kann. Wir haben mit der Digitalisierung die Werkzeuge an der Hand, die staatliche Verfahren beschleunigen können.

Wir Freie Demokraten werden in keine Bundesregierung eintreten, in der Steuererhöhungen beschlossen werden. Steuererhöhungen sind Sabotage am Aufschwung. Eine Ausnahme machen wir jedoch. Große Internetkonzerne, wie Google, Amazon oder Facebook, müssen ihren fairen Anteil an der Steuerlast zahlen.

Bei den Innenstädten möchte ich gerne auf ein starkes Beispiel in Rheinland-Pfalz hinweisen. Die FDP hat in Regierungsverantwortung das Thema Innenstadtgestaltung als eines der Hauptthemen in den Koalitionsvertrag verhandelt. Wir wollen Konzepte, um Innenstädte als wirtschaftliche, kulturelle und kommunikative Zentren zu fördern. Dazu gehört die Unterstützung für den Handel, um neue Konzepte auszuprobieren und die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Aber ebenso können Handwerksbetriebe die Innenstadt aufwerten und einen regionalen Bezug herstellen. Denn so begegnen sich Hersteller und Kunden. Es gibt viel zu tun."

Robert Starosta (Freie Wähler): "Wir sollten wieder 'Zurück zu den Wurzeln' finden."

Robert Starosta (51) aus Würzburg will für die Freien Wähler in den Bundestag einziehen.
Foto: Fabian Gebert | Robert Starosta (51) aus Würzburg will für die Freien Wähler in den Bundestag einziehen.

"In den Beziehungen zwischen Deutschland und China muss sich ein Paradigmenwechsel vollziehen. Die Corona (Covid-19)-Krise entfacht eine neue Debatte über die Notwendigkeit einer stärkeren 'Diversifizierung' der Lieferketten und damit einer gesteuerten Loslösung von China. Das wird nicht einfach sein, und es wird auch nicht schnell gehen. Klar ist jedoch, dass sich Deutschland und die Europäische Union von ihren bisherigen Bestreben nach einer engeren Integration der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit China verabschieden müssen.

Wir sollten wieder 'Zurück zu den Wurzeln' finden. Regional, national und europaweite Produktionsstätten sollten wieder ausgebaut werden. Deutlicher zu sehen sind Lieferschwierigkeiten bei Arzneimitteln oder in der Chipproduktion, inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Bespielen.

Die Freihandelsabkommen der letzten Jahre gehören der Vergangenheit an. Stärkung der eigenen (regionalen oder nationalen) Wirtschaft ist kein Protektionismus sondern reine Vernunft und Logik."

 
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