
Nicola Förg zählt zu den bekanntesten und meistgelesenen deutschen Krimi-Autorinnen. 22 Krimis um Kommissarin Mangold und Kommissar Weinzirl hat die Allgäuerin bisher veröffentlicht, viele davon haben es auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft. Mit ihrem neuen Buch "Hintertristerweiher" verlässt sie ihr angestammtes Genre und widmet sich der Lebensgeschichte dreier Hauptfiguren zwischen dem Zweiten Weltkrieg und der Gegenwart. Neben der Unterhaltung verbindet Nicola Förg mit ihrem Roman eine ernste Botschaft. Einer der Schauplätze ist Ochsenfurt. Vor wenigen Tagen gab sie dort ihre erste Lesung.
Nicola Förg: Beim Wort Regionalkrimi muss ich erst mal zusammenzucken. Ich bin gar kein Freund des Begriffs, weil ich finde, jeder Krimi muss irgendwo verortet sein, ob Donna Leon in Venedig oder Wallander in Ystad. Die würde man auch nicht als Regionalkrimi bezeichnen, sondern einfach nur als Krimi. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Ich morde natürlich weiter, aber ich mache zwischendrin gern mal was anderes.
Förg: Ein Stück weit ist es ein Lockdown-Buch, weil dieser Lockdown im Winter dazu geführt hat, dass ich mein Büro aufgeräumt habe und dabei auf die alten Unterlagen meiner Eltern gestoßen bin. Dabei hab ich gemerkt, dass ich meine Eltern viel zu wenig gefragt habe. Mein Vater war bei meiner Geburt 50, meine Mama auch schon Ende 30, und über den Krieg haben sie nie viel erzählt, was ich verstehen kann. Die Erlebnisse waren so traumatisch, dass sie viele Menschen in sich einschließen mussten.
Förg: Das nicht direkt. Die Figuren sind frei erfunden. Das Buch wirft ein Schlaglicht auf diese drei Figuren: Beni aus dem Allgäu, Isabelle aus der französischen Vendée und eben Fritz aus Ochsenfurt. Krieg und Nachkriegszeit, das sind so abstrakte Begriffe. Es geht aber um Millionen von Einzelschicksalen. Und jeder hat seine eigenen Tragödien aufzuarbeiten, aber auch seine jubelnden Momente. Ich wollte kein Kriegs- und Nachkriegs-Buch schreiben, sondern vom Leben erzählen.
Förg: Die wichtigste Botschaft ist: Fragt eure Eltern und Großeltern, bevor die letzten Zeitzeugen sterben. Fragt nach, weil ihre Geschichten sonst für immer verloren sind. Geschichten sind wichtig. Sie helfen uns Nachgeborenen zu verstehen, warum unsere Eltern und Großeltern so sind, wie sie sind.
Förg: Das glaub ich nicht. In der Gegenüberstellung der zwei Geschichten auf unterschiedlichen Zeitebenen ist das ganz klar. Die Jetztzeit-Geschichte ist definitiv komplett unterhaltend. Die historischen Geschichten sind teilweise beklemmend und gehen ans Herz. Aber so ist das Leben, und ich finde, ein Buch darf das auch. Leider gibt es, wie in der Musik, diese Trennung zwischen ernster Literatur und Unterhaltung. Ich glaube, dass man mit einem unterhaltsamen Buch Literatur produzieren und umgekehrt mit Literatur auch unterhalten kann.

Förg: Das kam durch den Kontakt zu Markus Giese aus Ochsenfurt, der mich angeschrieben hat, nachdem er mein Buch "Das stille Gift" gelesen hatte. Wir haben uns dann bei einer Lesung persönlich kennengelernt – und ich die Region hier am Main. Wenn man als Bergkind wie ich immer solche Bergklumpen (lacht) vor der Nase hat, dann finde ich die Landschaft aus Reben, Fachwerk und Gassen schon sehr inspirierend. Es ist eine anmutige Gegend. Und weil ich für einen Protagonisten eine Heimat suchte und das eine Gegend sein muss, in die ich mich hineinspüren kann, wurde es Ochsenfurt. Herr Giese hat sich dann auch angeboten, für mich zu recherchieren und fand großartige Unterstützer, etwa in Stadtarchivar Peter Wesselowsky oder Gerd Fehlbaum, der in Ochsenfurt aufgewachsen ist und viele Alltagsgeschichten kannte.
Förg: Von kurzen früheren Besuchen. Mitten im Lockdown hab ich mir die Stadt genauer durchstreift, was sehr merkwürdig war, weil eben kaum Leute auf der Straße waren. Es war eine ganz eigentümliche Stimmung. Auf der anderen Seite war es toll, weil ich mir gut vorstellen konnte, wie dieser Fritz nach dem Krieg zum ersten Mal nach Hause kam und in welchem Hause er gelebt haben könnte.
Förg: Extrem wichtig. Erstens, weil ich das für mich selber brauche. Ich denke sehr optisch. Ich muss vor Ort gewesen sein, brauche das Gefühl, die Gerüche, die Geräusche. Zum anderen finde ich es gegenüber den Leuten, die aus einer Region kommen, fahrlässig, wenn man drüber schreibt, ohne sich wirklich auszukennen.
Förg: Da sehen Sie, wie weit ich mit meiner Karriere schon gekommen bin (lacht), dass ich ein Recherche-Team habe. Ich kam mir schon vor, wie diese amerikanischen Star-Autoren, die ihre Rechercheure durch die Gegend schicken und selber eigentlich gar nichts mehr tun außer ein wenig Whisky zu trinken. Aber nein, ernsthaft: Das war für mich natürlich auch eine Novität. Ich kann den Leuten nicht genug danken, vor allem weil sie auch so kreativ mit dem Thema umgegangen sind und genau wussten, worauf ich raus wollte.
Förg: Das ist auch wieder Herrn Giese zu verdanken und Frau Lindner (Anm. d. Red.: Stadträtin Renate Lindner). Ich hatte irgendwann mal die Idee an sie herangetragen, dort eine Lesung zu machen, wo das Buch auch spielt. Sie waren Feuer und Flamme. Es gibt natürlich auch noch eine größere Lesung in Oberstaufen, aber die ist erst im November. Ochsenfurt war also definitiv eine Premiere.
Förg: Nächstes Jahr, wie immer am 1. März.
Förg: Natürlich! "Hohe Wogen" lautet der Titel. Es geht um eine Frau, die auf dem Starnberger See auf ihrem Stand-Up-Paddle-Board gefunden wird, mit einem Fünfzack erstochen. Sie war Location-Scoutin beim Film und eine ziemlich nervige Person, die unter anderem den Naturschützern ein Dorn im Auge war. Und mehr wird bis dato nicht verraten.