zurück
Giebelstadt
Bestatter aus Giebelstadt: "Ich habe unglaubliche Angst vor dem Tod"
Christian Flammersberger beschäftigt sich an 365 Tagen im Jahr mit dem Thema Tod und Trauer. Was er sich für seinen Berufszweig wünscht und wo Herausforderungen liegen.
In seinem Beruf als Bestatter in Giebelstadt hat es Christian Flammersberger nicht immer leicht.
Foto: Thomas Obermeier | In seinem Beruf als Bestatter in Giebelstadt hat es Christian Flammersberger nicht immer leicht.
Gina Thiel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:12 Uhr

Christian Flammersberger ist Bestatter und, so beschreibt er sich, ein "fröhlicher Mensch". An 365 Tagen im Jahr setzt er sich mit Trauer und Tod auseinander. Manchmal habe er das Gefühl, dass von ihm erwartet wird, aufgrund seines Berufes mit dem Thema Trauer gut umgehen zu können, sagt Flammersberger. Aber auch er habe mit Herausforderungen und Emotionen zu kämpfen.

"Für uns gibt es keine Seelsorger. Wir werden da immer ein bisschen allein gelassen", sagt der Inhaber eines Bestattungsinstituts aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg). Besonders nach der Messerattacke am Würzburger Barbarossaplatz im vergangenen Juni, habe sein Team schwer mit den Eindrücken vor Ort zu kämpfen gehabt. Flammersberger und seine Mitarbeitenden waren im Bergungsteam und übernahmen die Nachversorgung.

"Das schlimmste waren für uns die Gesichtsausdrücke der Opfer", berichtet der Bestatter. Er beschloss, ein therapeutisches Hilfsangebot für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu organisieren. Auf eigene Kosten engagierte er für sich und sein Team einen Seelsorger, um über das Erlebte sprechen zu können. 

"Am Ende sind wir auch nur Menschen, Emotionen abzuschalten geht nicht", sagt der 40-Jährige. Er wünsche sich mehr Unterstützung von Politik und Berufsverbänden. Nicht selten müssten seine Kolleginnen und Kollegen Unfallopfer bergen, Kinder bestatten oder mit Suiziden umgehen, sagt Flammersberger. Einen Notfallseelsorger gebe es für Bestatter nicht–anders als bei Polizisten oder Rettungssanitätern.

Einen Weg gefunden mit dem Tod umzugehen

Sein Beruf garantiere nicht zwangsläufig einen lockeren Umgang mit dem Thema "Sterben", auch wenn das gesellschaftlich oft von ihm erwartet würde, sagt Flammersberger. Und: "Ich habe unheimliche Angst zu sterben und vor meinem eigenen Tod." Jeden Tag bekomme er aufs Neue mit, wie ein ganzes Leben ausgelöscht wird. Spurlos vorbei gehe das an ihm nicht. Deshalb versuche er, bewusst zu leben. Bewusster vielleicht als andere, die nicht täglich mit dem Tod konfrontiert sind. Auch die Zeit mit seiner Familie und Freunden genieße er intensiv.

Bestatter Christian Flammersberger in den Räumen seines Besattungsinstituts in Giebelstadt (Lkr. Würzburg). Für ihn gehören Trauer und Tod zu den Herausforderungen des Berufsalltag.
Foto: Thomas Obermeier | Bestatter Christian Flammersberger in den Räumen seines Besattungsinstituts in Giebelstadt (Lkr. Würzburg). Für ihn gehören Trauer und Tod zu den Herausforderungen des Berufsalltag.

Als Bestatter ist Flammersberger oft der erste Ansprechpartner für die Angehörigen bei einem Todesfall - nach dem Notarzt vor Ort. Nicht selten, sagt er, bekomme er dann die "volle Breitseite der Emotionen" zu spüren. In Gesprächen mit den Angehörigen versucht der 40-Jährige den Verstorbenen besser kennenzulernen. Er will die Beerdigung und Trauerrede so planen können, dass sie der Person gerecht werden. Beim Ankleiden und Herrichten der Toten denke er oft an die Gespräche mit den Angehörigen zurück: "Da bin ich manchmal selbst geknickt."

Christian Flammersberger verbringt bei den Vorbereitungen für die Beerdigung viel Zeit allein mit den Verstorbenen. Und er spricht auch mit ihnen: "Wenn mich jemand dabei beobachten würde, würde er denken ich bin verrückt." Doch das Gespräch mit den Toten helfe ihm, mit der Situation umzugehen. "Das mag vielleicht eine sehr einseitige Art der Konversation sein, aber es ist eine Form der Verarbeitung."

Auch wenn das Sterben zu seinem Berufsalltag gehört, zur Routine entwickelt sich der Tod deshalb nicht: "Ich habe kein Schema X, das ich einfach abspulen kann." Jedes Mal müsse er sich neu auf die Angehörigen einlassen und diese mit Empathie und Verständnis begleiten. Für sie sei der Tod eine Ausnahmesituation. Die Berufsroutinen des Bestatters sollten für sie nicht spürbar sein, das ist dem 40-Jährigen eine Herzensangelegenheit. Auch, weil er selbst schon in jungen Jahren mit dem Tod konfrontiert wurde. Als sein Bruder starb, dessen Beerdigung ihm bis heute als Negativbeispiel in Erinnerung ist, beschloss Flammersberger, selbst Bestatter zu werden und ein Unternehmen aufzubauen. 

Neben traurigen Erlebnissen auch schöne Momente

Beim Erzählen erinnert sich Flammersberger an einen Fall, der noch nicht lange zurückliegt und der ihn betroffen machte. Er musste einen jungen Mann bestatten: "Er war noch keine 18 Jahre alt und hat sich das Leben genommen", sagt der Bestatter bedrückt. Fälle wie dieser würden ihn besonders mitnehmen. Auch, weil bei der Versorgung der Toten viel Zeit zum Nachdenken bleibt. "Warum?" - diese Frage habe er den verstorbenen 18-Jährigen gerichtet: "Ich habe ihn gefragt: Weißt du eigentlich, was du da gemacht hast? Du hast alles zurückgelassen."

Aber, sagt Christian Frammersberger, es gebe auch viele schöne Momente für den Bestatter. Wenn er die Dankbarkeit der Angehörigen zu spüren bekomme, erfülle ihn sein Beruf. Ob er seine eigene Beerdigung auch schon geplant hat? "Nein, das überlasse ich meinen Kindern", sagt der Familienvater. Die Entscheidung, wie seine eigene Beerdigung einmal aussehen solle, würde ihm viel zu schwer fallen.

Allerheiligen am 1. November

Allerheiligen ist in den überwiegend katholisch geprägten Bundesländern wie Bayern ein gesetzlicher Feiertag. An dem christlichen Fest wird traditionell aller Heiligen der Kirche gedacht. Im vierten Jahrhundert nach Christus war die Zahl der Heiligen stark angestiegen, nicht mehr jeder konnte an einem gesonderten Feiertag geehrt werden. So entschied Papst Gregor III. am 1. November aller Märtyrer der Kirche gesammelt zu gedenken. In der katholischen Kirche gibt es rund 7000 Heilig. Allerheiligen zählt zu den Höhepunkten im katholischen Festtagskalender, neben Ostern, Pfingsten oder Weihnachten. Einen Tag nach dem Hochfest, am 2. November, begeht die römisch-katholische Kirche das Gedächtnis ihrer Verstorbenen: Allerseelen. 
Zu Allerheiligen feiert das Bistum Würzburg am Montag, 1. November, um 10 Uhr ein Konventamt im Kiliansdom. An Allerseelen am Dienstag, 2. November, wird dann um 9 Uhr im Kiliansdom ein Pontifikalrequiem gefeiert.
Quelle: Bistum Würzburg
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Giebelstadt
Gina Thiel
Allerheiligen
Allerseelen
Alltagshelden
Berufsverbände und Berufsvertretungen
Bistum Würzburg
Jesus Christus
Katholische Kirche
Katholizismus
Ostern
Pfingsten
Päpste
Römisch-katholische Kirche
Weihnachten
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • H. S.
    Es geht hier nicht um das Messerattentat, sondern um einen Bestatter, der mit seinem Beruf hadert, der mit seinen Begleiterscheinungen nicht zurechtkommt, der ihn zerstört.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • B. H.
    Nun im Namen der Opferangehörigen dieses ehrliche und berührende Interview canceln zu wollen ist nicht ok. Mir scheint, dieses furchtbare Ereignis soll schnellstmöglich vergessen werden. Selbst die Stadt Wü kann sich nicht zu einem würdigen Denkmal an diesem Ort durchringen. Angeblich wegen zuviel Verkehr dort. Die Seele der Stadt, die Unbeschwertheit ist zutiefst verletzt. Und Ersthelfer zutiefst traumatisiert. Ich war mit dem Rad unterwegs Richtung Innenstadt, kurz vor Sanderring. Da rief jemand, nicht weiterfahren, es laufe jemand noch frei herum, der schon viele getötet habe. Schock. Wochenlang weinte ich bei geringstem Anlass. Das ist doch alles passiert, warum soll das möglichst rasch unter den Teppich? Danit wird man den Opfern nicht gerecht. Und Opfer wsren wir alle hier in Wü.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. N.
    Es geht nicht ums Vergessen. Wieso muss dieses Argument immer herhalten? Und auch nicht nur um die Angehörigen der Opfer. Es werden Details beschrieben, die nicht in die Öffentlichkeit gehören. Bei dieser Thematik gibt es etliche Details, die nicht öffentlich besprochen werden, und das ganz sicher nicht, um irgendetwas zu verheimlichen oder Vergessen zu machen. Die Grenze wird hierfür offenbar unterschiedlich gezogen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. N.
    Ich hatte beim Lesen auch ein mulmiges Gefühl, nicht nur wegen des an sich schweren Themas. Ich hielte es auch für angemessen, zumindest die Passagen zu dem noch nicht lange zurückliegenden Ereignis zu entfernen. Und dann die Kommentare dazu am besten auch gleich.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Ja, das wäre das Mindeste! Ich bin sehr enttäuscht, dass die Redaktion diese Sensibilität offensichtlich vermissen lässt ...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Liebe Main-Post, nachdem mir dieser Artikel den ganzen Tag im Kopf herum ging, möchte ich Sie herzlich bitten, ihn offline zu nehmen, und zwar aus folgenden Gründen:

    - Er kann die Angehörigen der Opfer des Würzburger Attentats verstören.

    - Er könnte für Herrn Flammersberger geschäftsschädigend wirken.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Es gibt seelsorgerische Hilfe für Bestatter! Und ich würde Herrn Flammersberger wirklich raten, sie in Anspruch zu nehmen - denn die Angst vor dem Tod kann nicht nur die eigene Seele zerrütten, sondern sich auch auf trostsuchende Gesprächspartner übertragen.
    Anfragen könnte er z. B. bei Notfallseelsorgern oder auch in einem großen "Seelsorge-Pool" wie der Abtei Münsterschwarzach.

    Ob er selbst religiös ist, ist dafür übrigens vollkommen irrelevant. Ein Gespräch mit Menschen, deren Perspektive über das irdische Dasein hinausreicht, ist in jedem Fall heilsam nach dem Trauma, das Herr Flammersberger bei der Versorgung der Attentats-Opfer erleiden musste.

    Der Main-Post möchte ich die Frage stellen, ob es wirklich gut war, dieses Interview mit einem frisch traumatisierten Menschen zu veröffentlichen - es könnte bei sensiblen Menschen durchaus eine (Re-)Traumatisierung auslösen.

    Ein Gespräch mit einem seelisch gefestigten Bestatter z. B. den "Sarggeschichten", wäre hilfreicher gewesen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. K.
    Aber ein bisschen Werbung darf man ja machen. grinsen
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten