Christian Flammersberger ist Bestatter und, so beschreibt er sich, ein "fröhlicher Mensch". An 365 Tagen im Jahr setzt er sich mit Trauer und Tod auseinander. Manchmal habe er das Gefühl, dass von ihm erwartet wird, aufgrund seines Berufes mit dem Thema Trauer gut umgehen zu können, sagt Flammersberger. Aber auch er habe mit Herausforderungen und Emotionen zu kämpfen.
"Für uns gibt es keine Seelsorger. Wir werden da immer ein bisschen allein gelassen", sagt der Inhaber eines Bestattungsinstituts aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg). Besonders nach der Messerattacke am Würzburger Barbarossaplatz im vergangenen Juni, habe sein Team schwer mit den Eindrücken vor Ort zu kämpfen gehabt. Flammersberger und seine Mitarbeitenden waren im Bergungsteam und übernahmen die Nachversorgung.
"Das schlimmste waren für uns die Gesichtsausdrücke der Opfer", berichtet der Bestatter. Er beschloss, ein therapeutisches Hilfsangebot für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu organisieren. Auf eigene Kosten engagierte er für sich und sein Team einen Seelsorger, um über das Erlebte sprechen zu können.
"Am Ende sind wir auch nur Menschen, Emotionen abzuschalten geht nicht", sagt der 40-Jährige. Er wünsche sich mehr Unterstützung von Politik und Berufsverbänden. Nicht selten müssten seine Kolleginnen und Kollegen Unfallopfer bergen, Kinder bestatten oder mit Suiziden umgehen, sagt Flammersberger. Einen Notfallseelsorger gebe es für Bestatter nicht–anders als bei Polizisten oder Rettungssanitätern.
Einen Weg gefunden mit dem Tod umzugehen
Sein Beruf garantiere nicht zwangsläufig einen lockeren Umgang mit dem Thema "Sterben", auch wenn das gesellschaftlich oft von ihm erwartet würde, sagt Flammersberger. Und: "Ich habe unheimliche Angst zu sterben und vor meinem eigenen Tod." Jeden Tag bekomme er aufs Neue mit, wie ein ganzes Leben ausgelöscht wird. Spurlos vorbei gehe das an ihm nicht. Deshalb versuche er, bewusst zu leben. Bewusster vielleicht als andere, die nicht täglich mit dem Tod konfrontiert sind. Auch die Zeit mit seiner Familie und Freunden genieße er intensiv.
Als Bestatter ist Flammersberger oft der erste Ansprechpartner für die Angehörigen bei einem Todesfall - nach dem Notarzt vor Ort. Nicht selten, sagt er, bekomme er dann die "volle Breitseite der Emotionen" zu spüren. In Gesprächen mit den Angehörigen versucht der 40-Jährige den Verstorbenen besser kennenzulernen. Er will die Beerdigung und Trauerrede so planen können, dass sie der Person gerecht werden. Beim Ankleiden und Herrichten der Toten denke er oft an die Gespräche mit den Angehörigen zurück: "Da bin ich manchmal selbst geknickt."
Christian Flammersberger verbringt bei den Vorbereitungen für die Beerdigung viel Zeit allein mit den Verstorbenen. Und er spricht auch mit ihnen: "Wenn mich jemand dabei beobachten würde, würde er denken ich bin verrückt." Doch das Gespräch mit den Toten helfe ihm, mit der Situation umzugehen. "Das mag vielleicht eine sehr einseitige Art der Konversation sein, aber es ist eine Form der Verarbeitung."
Auch wenn das Sterben zu seinem Berufsalltag gehört, zur Routine entwickelt sich der Tod deshalb nicht: "Ich habe kein Schema X, das ich einfach abspulen kann." Jedes Mal müsse er sich neu auf die Angehörigen einlassen und diese mit Empathie und Verständnis begleiten. Für sie sei der Tod eine Ausnahmesituation. Die Berufsroutinen des Bestatters sollten für sie nicht spürbar sein, das ist dem 40-Jährigen eine Herzensangelegenheit. Auch, weil er selbst schon in jungen Jahren mit dem Tod konfrontiert wurde. Als sein Bruder starb, dessen Beerdigung ihm bis heute als Negativbeispiel in Erinnerung ist, beschloss Flammersberger, selbst Bestatter zu werden und ein Unternehmen aufzubauen.
Neben traurigen Erlebnissen auch schöne Momente
Beim Erzählen erinnert sich Flammersberger an einen Fall, der noch nicht lange zurückliegt und der ihn betroffen machte. Er musste einen jungen Mann bestatten: "Er war noch keine 18 Jahre alt und hat sich das Leben genommen", sagt der Bestatter bedrückt. Fälle wie dieser würden ihn besonders mitnehmen. Auch, weil bei der Versorgung der Toten viel Zeit zum Nachdenken bleibt. "Warum?" - diese Frage habe er den verstorbenen 18-Jährigen gerichtet: "Ich habe ihn gefragt: Weißt du eigentlich, was du da gemacht hast? Du hast alles zurückgelassen."
Aber, sagt Christian Frammersberger, es gebe auch viele schöne Momente für den Bestatter. Wenn er die Dankbarkeit der Angehörigen zu spüren bekomme, erfülle ihn sein Beruf. Ob er seine eigene Beerdigung auch schon geplant hat? "Nein, das überlasse ich meinen Kindern", sagt der Familienvater. Die Entscheidung, wie seine eigene Beerdigung einmal aussehen solle, würde ihm viel zu schwer fallen.
- Er kann die Angehörigen der Opfer des Würzburger Attentats verstören.
- Er könnte für Herrn Flammersberger geschäftsschädigend wirken.
Anfragen könnte er z. B. bei Notfallseelsorgern oder auch in einem großen "Seelsorge-Pool" wie der Abtei Münsterschwarzach.
Ob er selbst religiös ist, ist dafür übrigens vollkommen irrelevant. Ein Gespräch mit Menschen, deren Perspektive über das irdische Dasein hinausreicht, ist in jedem Fall heilsam nach dem Trauma, das Herr Flammersberger bei der Versorgung der Attentats-Opfer erleiden musste.
Der Main-Post möchte ich die Frage stellen, ob es wirklich gut war, dieses Interview mit einem frisch traumatisierten Menschen zu veröffentlichen - es könnte bei sensiblen Menschen durchaus eine (Re-)Traumatisierung auslösen.
Ein Gespräch mit einem seelisch gefestigten Bestatter z. B. den "Sarggeschichten", wäre hilfreicher gewesen.