Über 90 Verstorbene in Zusammenhang mit Corona innerhalb von gut fünf Wochen – diese Zahlen merken auch die meisten Bestatter im Landkreis Main-Spessart. "Das ist eine Welle, wie sie noch nie da war", sagt Markus Nicklaus aus Karlstadt. Sein Kollege Matthias Liebler aus Marktheidenfeld berichtet: "Wir haben im Moment doppelt so viele Bestattungen wie sonst." Man müsse nur die vielen Traueranzeigen in der Zeitung anschauen, dann bekomme man eine Vorstellung, was das für die Bestatter bedeute, sagt Michaela Joa vom Bestattungsinstitut Joa in Wernfeld.
Schlimm für die Angehörigen: Der Sarg von an oder mit Covid-19 Verstorbenen darf nicht mehr geöffnet werden. "Die Angehörigen können sich nicht mehr richtig verabschieden", sagt Liebler, Bestattermeister aus Marktheidenfeld und stellvertretender Vorsitzender des bayerischen Bestatterverbands. Man müsse sich nur vorstellen, so Michaela Joa, dass manche den oder die Tote wegen strenger Hygienevorschriften in den Altenheimen zuvor womöglich wochen- oder monatelang nicht mehr gesehen haben.
Drei Viertel der Bestattungen in Marktheidenfeld auf Corona zurückzuführen
75 bis 80 Prozent der Bestattungen in seinem Unternehmen seien derzeit auf Corona zurückzuführen, berichtet Matthias Liebler. Der größte Teil seien Feuerbestattungen. Das von Liebler auch angefahrene Krematorium in Osterburken habe wegen der höheren Verstorbenenzahl durch Corona eine zusätzliche Kühlung angeschafft, erzählt er.
Stirbt ein Mensch, der Corona-positiv war, holt das Bestattungsunternehmen ihn aus dem Krankenhaus oder Altenheim. Der oder die Tote wird in mit Desinfektionsmitteln getränkte Tücher gehüllt, kommt in einen Leichensack und dann in den Sarg. Die Angestellten müssen dabei einen Vollschutz und FFP3-Masken tragen. Coronatote dürfen weder gewaschen, frisiert noch angekleidet werden.
Bei allen Bestattungen derzeit gibt es ein Infektionsschutzkonzept für Bestattungen. Überwachen könne er als Bestatter die Umsetzung jedoch nicht, da er auch nicht weisungsbefugt sei, sagt Liebler. Dafür sei der Friedhofsträger zuständig. Probleme habe es bislang nicht gegeben. "Es läuft sehr gesittet ab. Der ganz überwiegende Teil hat Verständnis dafür."
Bestatter Nicklaus hofft, dass die Todeszahlen bald sinken
Sein Kollege Markus Nicklaus aus Karlstadt sagt: "Die Lage ist ernst." Sogar er als Bestatter hofft, dass durch den Lockdown die Todeszahlen bald wieder nach unten gehen. Derzeit zählt auch er fast 80 Prozent Corona-Verstorbene, sein Bestattungsunternehmen ist an der Belastungsgrenze. Gebe es normalerweise eine Beerdigung am Tag, so sind es jetzt 30 bis 35 in der Woche. Auch sein Vater, der seit 1970 Bestattungen durchgeführt hat, könne sich nicht an solche Zahlen erinnern.
"Bei uns laufen die Telefone heiß: Wie sind die Bestimmungen?" Ganz wichtig, so Nicklaus: nur der engste Familienkreis, maximal 25 Personen. Die Liste der Teilnehmer hebe er vorschriftsmäßig vier Wochen auf. Bei den Beisetzungen stelle er Desinfektionsspender auf und weise auf die Abstandsregeln und die Mundschutzpflicht hin, aber das sage in Karlstadt auch schon der Pfarrer vorab.
Keine spürbare Mehrbelastung in Arnstein und Lohr
Doris Dürr von Bestattungen Söder in Arnstein kann hingegen momentan von keiner gravierend höheren Belastung durch Coronatote sprechen. Das Unternehmen habe auch nur 80 bis 100 Bestattungen im Jahr. Wenn ein Kondolenzbuch ausliege, müsse aber zum Beispiel darauf geachtet werden, dass benutzte Kugelschreiber in eine extra Schale kommen, damit sie nicht vom nächsten Trauernden wieder verwendet werden.
Auch in Lohr merken die Bestatter von der zweiten Coronawelle bislang nicht so viel. Bestatter Bernd Heldt hatte bis Dienstag erst vier Corona-Sterbefälle, sein Kollege Jürgen Wiesner bis Mittwoch acht. Dass sich Trauernde von Angehörigen nicht verabschieden können, sei für sie ganz schlimm und schwierig zu verstehen, sagt Bestatter Bernd Heldt. Bei einem Abschied gebe es keine zweite Chance.
Lohrer Bestatter: Immer höhere Sterbezahlen in der kalten Jahreszeit
Derzeit müssten sich Bestatter nicht nur bei Corona-positiven Todesfällen besonders schützen, sondern bei allen, weil man bei anderen ja auch nicht wissen könne, ob der oder die Tote infiziert war, erzählt Heldt. Das bedeute einen erhöhten Aufwand. Die Zahl der Beerdigungen sei derzeit schon höher, aber wie Kollege Wiesner weist er auf generell höhere Sterbezahlen in der kalten Jahreszeit hin. Nach dem Wunsch von Angehörigen sollen jetzt Verstorbene oft noch vor Weihnachten beigesetzt werden. Als Hygienemaßnahme selbst ausgedacht hat sich Bernd Heldt, dass Trauernde nicht alle mit demselben Schwengel, der jedesmal desinfiziert werden müsste, Weihwasser spritzen, sondern mit Eibenzweigen, die sie nach dem Gebrauch auf Seite legen.
Michaela Joa aus Wernfeld berichtet von zwei, drei Beerdigungen, die ihr Unternehmen derzeit am Tag hat. Dass der Sarg geschlossen bleiben muss bei Corona-positiven Verstorbenen kenne sie sonst nur bei MRSA-Keimen ("Krankenhauskeimen") oder früher auch bei AIDS, erzählt sie.
Bestatter können Teilnehmerliste nicht kontrollieren
Für die Vorschriften rund um die Bestattungen hätten die meisten viel Verständnis, ist auch ihre Beobachtung. Trauergespräche machen sie anstelle mit der ganzen Familie nur noch mit zwei Angehörigen. Weil dort die Abstände nicht eingehalten werden können, dürfen Leichenhäuser in Gemünden nicht mehr benutzt werden, die Verabschiedung findet jetzt direkt am Grab statt. Die Angehörigen müssen zuvor auf eine Liste alle Teilnehmer schreiben. "Was wir nicht machen, ist, die Liste zu kontrollieren, ob's passt", sagt Michaela Joa. Wie solle sie nachvollziehen, ob jemand Verwandter ersten oder zweiten Grades ist?
Joa erzählt, dass Mitarbeiter bei der Bestattung von Corona-positiven einen Schutzanzug, eine Haube und zwei oder drei Paar Handschuhe tragen müssen. Eine schützende Maske sowieso. Im Krankenhaus Lohr müssten die Bestatter die Verstorbenen selbst in Bodybags, wie die Leichensäcke genannt werden, packen. Sie habe sich neulich gefragt, was eigentlich passiert, wenn die Bestatter wegen Quarantäne ausfallen – dann komme die Bundeswehr, habe ein Kollege gesagt.
wenn es Corona nicht mehr gibt, dann ist Deutschland auch am Ende.
Die Regierung hilft, dass es noch schneller geht.
...sich schämen!