Heike Schießl ist sehr traurig. Die 46-Jährige war fast zwei Jahrzehnte lang die erste Vorzimmer-Sekretärin von Barbara Stamm in München, zuerst in ihrer Zeit als Vizepräsidenten und Präsidentin des Bayerischen Landtags und auch über die Landtagswahl 2018 hinaus bis zu ihrem letzten Arbeitstag. Die beliebte CSU-Politikerin aus Würzburg war bis zu ihrem Tod politisch aktiv. Am 5. Oktober ist Barbara Stamm im Alter von 77 Jahren in der Würzburger Uniklinik gestorben.
Schießl hat nicht nur Stamms Termine organisiert und koordiniert. Über die Jahre hat sich zwischen den beiden Frauen eine freundschaftliche Verbundenheit entwickelt. Im Interview erzählt Heike Schießl was für ein Mensch Barbara Stamm war, was ihre letzten Projekte waren und an welche Momente sie sich besonders gerne erinnert.
Heike Schießl: Barbara Stamm kam nach Bedarf, aber mindesten ein- oder zweimal die Woche nach München, oft hat sie auch übernachtet. Das Büro hat sich zwar verkleinert, als sie nicht mehr Landtagspräsidentin war, aber Barbara Stamm hat im Ruhestand fast genauso viel gearbeitet wie in ihrer aktiven Zeit, nur haben sich die Schwerpunkte geändert. Sie hat immer noch sehr viele Termine wahrgenommen, besonders als Vorsitzende der Lebenshilfe Bayern oder als Ehrenvorsitzende der Caritas in Würzburg, um nur einige zu nennen.
Schießl: Wenn sie ankam, haben wir ihr die Pressemappe mit der Main-Post hingelegt und dann gab es erst mal ein kleines Frühstück. Sie hat gerne ein weichgekochtes Ei und Obst zu sich genommen – und Kaffee durfte natürlich auch nicht fehlen. Des Öfteren hat sie fränkische Leberwurst aus Würzburg mitgebracht. Wir waren alle Fans davon.
Schießl: Am 24. September hatte sie das Münchner Büro noch mal nach Würzburg eingeladen. Mit dabei waren auch ihre ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei dieser Zusammenkunft ging es Barbara Stamm nicht ganz so gut, aber ihr war das Treffen ein großes Anliegen.
Schießl: Alle sozialen Themen lagen ihr Zeit ihres Lebens am Herzen. Zuletzt hatte sie wesentlich dazu beigetragen, dass das Zentrum für Pflege, Sozialberufe und Ehrenamt im ehemaligen Kloster Maria Bildhausen bei Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) an den Start gehen kann. Pflege war auch eines ihrer Hauptthemen, genau wie Barrierefreiheit. So hat sie sich auch für die Barrierefreiheit des Maximilianeums eingesetzt. Sie hat sich in ihrer gesamten Laufbahn immer für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürgern eingesetzt. Bei ihr stand immer der Mensch im Vordergrund.
Schießl: Barbara Stamm hat selbst Erzieherin gelernt und ihr war es ein großes Anliegen, Frauen zu fördern und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf voranzutreiben. Ein Jahr nach ihrer ersten Wahl zur Landtagspräsidentin wurde im Landtag auf ihr Bestreben hin eine Kinderkrippe eröffnet für die Kleinkinder der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für die der Abgeordneten. Aufgrund der großen Nachfrage ist das "Mini-Maxi" immer wieder erweitert worden.
Schießl: Ihr war das Wohlergehen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr wichtig. Sie hat jeden Einzelnen nicht nur gefordert, sondern auch gefördert – und sich für seine berufliche Entwicklung eingesetzt. Ich erinnere mich gerne an lustige Abende im Biergarten, in Würzburg und auf Faschingsveranstaltungen. Wir haben alle sehr gerne für sie gearbeitet. Sie hatte einen großartigen fränkischen Humor und wir haben viel zusammen gelacht. Sie wird mir persönlich sehr fehlen.
Schießl: Das waren unzählige Termine, die sie an sieben Tagen in der Woche in ganz Bayern – und darüber hinaus – absolviert hat. Da kamen schnell mehrere hundert Kilometer pro Tag zusammen. Sie wollte niemanden mit einer Absage enttäuschen. Bei den Menschen vor Ort war sie lieber als am Schreibtisch.
Schießl: Sobald der Termin feststand, haben wir ihn in den Kalender eingetragen. Insgesamt hat sie nur zweimal bei der Prunksitzung gefehlt - oder sie hat nicht stattgefunden. Einmal hatte sie eine Autopanne auf dem Weg nach Veitshöchheim. Da hat sie mit einem Kollegen das Auto getauscht. Er hat auf den Pannendienst gewartet, damit sie rechtzeitig in die Maske kam. Die fränkische Fastnacht war ihr ein großes Anliegen und sie hat auch die Partys nach der Prunksitzung genossen. Sie hat dem Format immer die Treue gehalten.
Schießl: Sie hat sich immer mit ihrer jüngsten Tochter Sissi zusammen verkleidet. Einmal war Stamm als Prinzregent Luitpold verkleidet und Sissi war die zugehörige Kaiserin. Ein anderes Mal waren sie einer von sieben Zwergen und Sissi war Schneewittchen. Oder sie kamen im schwarzen Frack mit Zylinder. Die beiden haben sich immer etwas Großartiges einfallen lassen.
Schießl: Viele kannten Ludwig Stamm in den ersten Jahren nicht. Erst später begleitete er sie zum Sommerempfang des Bayerischen Landtags auf Schloss Schleißheim und hat dort zusammen mit ihr die Gäste begrüßt. Als die Kinder noch kleiner waren, hat er alles zu Hause in Würzburg gemanagt. Sie hatte einen sehr fortschrittlichen Mann an ihrer Seite.
Schießl: Frau Stamm wird mir als Chefin und als herausragende Persönlichkeit sehr fehlen. Besonders werde ich unsere gemeinsamen Reisen sowie ihren herzlichen und liebenswürdigen Umgang und ihren fränkischen Humor vermissen. Beim Trauerakt werden wir alle vom Büro mit dabei sein.
Frau Stamm war hier eine sehr erfreuliche Ausnahme. Sie hat sich wirklich für die Sorgen Ihrer Mitmenschen interessiert und eingesetzt. Ihr Tod ist ein sehr großer Verlust für uns alle. Ich hätte sie wirklich sehr gerne einmal persönlich kennengelernt. Ich habe den allergrößten Respekt vor dieser Frau und Ihrer Lebensleistung. Danke Barbara Stamm!