Wo und wie haben Menschen mit Behinderung in Unterfranken die Möglichkeit, feiern zu gehen? "Im Großen und Ganzen", sagt Drees Ringert, Inhaber der Beratungsagentur "Wir kümmern uns", "ist das barrierefreie Angebot leider sehr begrenzt." Oft auf Theaterhäuser und Kultureinrichtungen, Orte also, die im Nachtleben eher keine Rolle spielen, so Ringert, dessen Agentur mit der Nürnberger "Initiative Barrierefrei Feiern" kooperiert.
Wie hoch ist das Interesse am Nacht- und Partyleben?
In Deutschland leben 20 Prozent der Menschen mit einer Behinderung oder einer sonstigen körperlichen, sensorischen oder psychischen Beeinträchtigung, sagt Drees Ringert. Gerade bei jungen Menschen sei das Interesse am Nachtleben sehr hoch und gehöre zur Persönlichkeitsentwicklung.
Die Nachfrage an der Partyszene hängt aber auch damit zusammen, was für eine Form der Einschränkung jemand hat. Menschen, die aufgrund ihrer Einschränkung auf gute Kommunikation angewiesen sind, würden kein besonderes Interesse am Nachtleben haben, sagt etwa Sabine Tracht vom Blindeninstitut Würzburg.
Die laute Musik und die dunklen Räume seien für die Klienten des Blindeninstituts, die zu 80 Prozent auch verbal eingeschränkt sind, nicht ideal. Das Kiliani hingegen sei bei vielen sehr beliebt, erläutert Tracht, da die Gerüche und die Atmosphäre für viele Klienten angenehm seien.
Beim Musikfestival "Ab geht die Lutzi" hat sich gezeigt, dass das Interesse an Festivals mit dem Angebot zu steigen scheint. Die Zahl der Menschen mit Behinderung sei bei dem Festival in Rottershausen (Lkr. Bad Kissingen) nach der Umsetzung einiger barrierefreier Konzepte in diesem Jahr eindeutig gestiegen, so Klaus Schmitt vom Lutzi-Festival.
"Menschen mit Behinderung lassen sich nicht auf Experimente ein", glaubt er. Deswegen sei es logisch, dass durch mehr Informationen über die barrierefreien Angebote auf dem Festival auch die Nachfrage gestiegen sei.
Wie funktioniert barrierefreies Feiern in unterfränkischen Clubs?
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung wie zum Beispiel die Lebenshilfe oder auch das Blindeninstitut gehen mit Menschen mit Behinderung in Clubs oder auf Konzerte, damit auch sie am Nachtleben teilnehmen können.
Die Lebenshilfe Würzburg hat mehrere Disco-Gruppen, mit denen es einmal im Monat in einen Club ihrer Wahl geht. Besonders beliebt ist die Diskothek Labyrinth, denn hier seien Menschen besonders freundlich, so David Krug von der Lebenshilfe Würzburg. Aber auch Clubs wie das Boot, der Zauberberg oder der Nachtwächter werden gerne besucht.
Krug erzählt weiter, dass besonders Schlagermusik und Pop-Charts gut ankommen und der DJ vom Labyrinth auch schon mal an einem Heavy-Metall-Abend Helene Fischer laufen lässt, wenn die Klienten von der Lebenshilfe zu Gast sind.
Auch die Lebenshilfe Rhön-Grabfeld hat verschiedene Angebote. Zum einen gehören Feste, wie Fasching, das Sommerfest oder das Oktoberfest zum Programm, aber auch regelmäßige Disco-Ausflüge in Kooperation mit den Diensten der Offenen Behindertenarbeit (OBA) in Bad Kissingen, Schweinfurt und Haßfurt, so Christine Wüst von der OBA.
Wie können Menschen mit Behinderung Festivals besuchen?
Mittlerweile legen immer mehr Festivals Wert auf Barrierefreiheit. Neben dem "Ab geht die Lutzi" auch zum Beispiel das "Umsonst und Draußen" in Würzburg. Wie das funktioniert, hänge stark von den Geländebedingungen ab, erklärt Klaus Schmitt vom Festival "Ab geht die Lutzi".
Im Fall des Lutzi-Festivals wurden in diesem Jahr nach einem Workshop mit der "Initiative für Barrierefreies Feiern" erste Konzepte für mehr Inklusion umgesetzt. Zu den Maßnahmen gehören befestigte Wege auf dem Festivalgelände für Menschen mit Gehbehinderung, Toiletten und Duschen, die rollstuhlgerecht sind, niedrig gesetzte Tresen und leichte Sprache auf der Website oder in der App, erklärt Schmitt. Auch Ruheräume seien nötig, damit Menschen mit einer geistigen Behinderung sich auch mal zurückziehen können.
Was sind Hindernisse, auf die Menschen mit Behinderung stoßen?
Wie sich das Partyleben bei Menschen mit Behinderung gestaltet, hängt davon ab, mit welchen Einschränkungen sie leben. Natürlich sind für Menschen mit einer Gehbehinderung Absätze oder Treppen ein offensichtliches Hindernis. Aber es gibt auch solche Barrieren, die nicht so offensichtlich erscheinen, da die Behinderung selbst auch nicht auf den ersten Blick sichtbar wird.
Für Menschen mit Anfallsleiden spielt zum Beispiel das Licht eine wichtige Rolle und könnte im schlimmsten Fall einen Anfall auslösen, sagt David Krug von der Lebenshilfe Würzburg. Deswegen seien die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Lebenshilfe in Discotheken immer mit ihren Klienten in Kontakt.
Ein weiteres Problem ist, dass es oft in den Clubs zu spät losgeht. Viele der Klienten der Lebenshilfe seien nach der Arbeit am Freitagabend oft schneller müde und würden nicht so lange durchhalten, erklärt Krug.
Für Menschen, die keine Gehbehinderung haben, stellt die Mobilität trotzdem auch oft eine Einschränkung dar, denn in den meisten Fällen haben Menschen mit Behinderung keinen Führerschein und viele können sich auch nicht alleine im öffentlichen Verkehr zurechtfinden, sagt Wüst von der OBA. Deshalb brauche es meist eine Begleitperson.
Wie kann Feiern inklusiver gestaltet werden?
"Menschen mit Behinderung werden viel zu selten in Entscheidungsprozesse eingebunden, was letztlich das eigentliche Problem ist", sagt Ringert. Wichtige Aspekte der Barrierefreiheit seien zugängliche Websites für Informationsbeschaffung mit leichter Sprache und sogenannten Screen-Readern, die die Inhalte der Seite für Sehbehinderte vorlesen. Generell sei es wichtig, dass Websites Informationen zur Barrierefreiheit bereithalten.
Was außerdem fehlt, sind mehr Angebote für Gehörgeschädigte. Eine sogenannte Induktionsschleife für das Hörgerät wäre zum Beispiel hilfreich, denn die ermöglicht es, die Musik von der Bühne über ein Funksystem direkt ins Hörgerät zu übertragen. Auch eine Gebärdendarstellung der Musikperformance würde taube Menschen mehr teilhaben lassen, erklärt Klaus Schmitt.