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Giebelstadt
B 19-Umgehungsstraße Giebelstadt: Seit einem Jahr ruht die Planfeststellung
Die Befürworter einer Ortsumfahrung fühlen sich von der Regierung von Unterfranken nicht ernst genommen. Jetzt will sich das Ministerium einschalten.
Alltag an einem ganz normalen Vormittag in der Ortsdurchfahrt von Euerhausen. Viele Giebelstadter sind enttäuscht, dass nach dem Stopp der Planfeststellung vor einem Jahr bisher kaum etwas passiert ist. 
Foto: Gerhard Meißner | Alltag an einem ganz normalen Vormittag in der Ortsdurchfahrt von Euerhausen. Viele Giebelstadter sind enttäuscht, dass nach dem Stopp der Planfeststellung vor einem Jahr bisher kaum etwas passiert ist. 
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:54 Uhr

Vor genau einem Jahr gab das Staatliche Bauamt in Würzburg bekannt, dass die Regierung von Unterfranken das Planfeststellungsverfahren für eine geplante B 19-Ortsumfahrung bei Giebelstadt, Herchsheim und Euerhausen nach jahrelangen Vorarbeiten gestoppt hat.  Außer den Protestaktionen von Anwohnern der Bundesstraße ist seitdem wenig passiert. Zu wenig, meinen viele Giebelstadter wie Bürgermeister Helmut Krämer und der Sprecher der Bürgerinitiative Ernst Rauh. Auch die angekündigte Neubewertung der artenschutzrechtlichen Betrachtung, die Regierungspräsident Eugen Ehmann im vergangenen Herbst in Aussicht gestellt hat, lasse weiter auf sich warten.

Es geht um die streng geschützte Wiesenweihe, eine vom Aussterben bedrohte Greifvogelart, die erstmals 1994 im Ochsenfurter Gau nachgewiesen wurde. Seitdem hat sich, dank eines Artenhilfsprogramm in Zusammenarbeit mit den örtlichen Landwirten, rund um Giebelstadt das wichtigste Brutgebiet Mitteleuropas entwickelt. Dem Schutz der Wiesenweihe dient auch ein europäisches Vogelschutzgebiet, das mit einer Größe von 22.000 Hektar Teile des südlichen und nordöstlichen Landkreises Würzburg umfasst.

Erheblicher Eingriff ins Brutgebiet der Wiesenweihe

Die Planfeststellungsbehörde an der Regierung hat das Genehmigungsverfahren gestoppt, weil die geplante Trasse mit einer Länge von rund acht Kilometern nach Einschätzung der Höheren Naturschutzbehörde mehr als zehn Hektar des Brutgebiets beeinträchtigen würde und verweist auf entsprechende Grundsatzurteile des europäischen und des Bundesgerichtshofs.

Ernst Rauh, der sich als Landwirt inzwischen intensiv mit den Lebensgewohnheiten der Wiesenweihe  befasst hat, kann diese Begründung nicht nachvollziehen. Wiesenweihen brüten nach ihrer Rückkehr aus dem Winterquartier in Nordafrika bevorzugt in Winterweizen und Wintergerste, die in der landwirtschaftlich genutzten Flur einen Anteil von rund 50 Prozent ausmachen - über eine Fläche von Hunderten von Hektar. Das potenzielle Brutgebiet für die bis zu 200 Brutpaare sei also praktisch unerschöpflich, zumal sich die Weihe als sehr anpassungsfähig erwiesen habe, was ihren Brutstandort angeht. Letzteres bestätige auch der jüngste Artenschutzbericht des Landesamts für Umwelt.

"Wie kann der Verlust an potenziellem Brutgebiet ein KO-Kriterium für die Umgehungsstraße sein, wenn Brutgebiet praktisch unbegrenzt vorhanden ist."
Ernst Rauh, Anwohner in Herchsheim

"Wie kann der Verlust an potenziellem Brutgebiet ein KO-Kriterium für die Umgehungsstraße sein, wenn Brutgebiet praktisch unbegrenzt vorhanden ist", fragt Rauh deshalb. Eine Frage, auf die sich auch Bürgermeister Helmut Krämer endlich eine Antwort erhofft. "Außer Gesprächsrunden und dem Hin- und Herschieben der Verantwortlichkeit zwischen der Regierung und dem Staatlichen Bauamt ist bisher nichts passiert", sagt Krämer.

Etwa 500 Anwohner in Giebelstadt, Herchsheim und Euerhausen seien direkt von der Verkehrsbelastung durch die B 19 betroffen, sagt Ernst Rauh, und verweist auf die zunehmende Zahl von Leerständen entlang der Bundesstraße. "Viele junge Familien wollen ihre Kinder nicht an der Bundesstraße großziehen und bauen sich lieber ein Haus am Ortsrand", sagt er. Das führe einerseits zu einer Verödung der Ortskerne und andererseits zu einem unnötigen Flächenverbrauch.

In einem Pressegespräch vor wenigen Wochen verwies die Euerhäuser Gemeinderätin Regina Hombach darauf, dass sich die Population der Wiesenweihe und des ebenfalls vom Aussterben bedrohten Feldhamsters in den letzten Jahrzehnten nur deshalb so gut entwickelt habe, weil Landwirte bereit waren, sich freiwillig an Artenhilfsprogrammen zu beteiligen. "Die Akzeptanz für den Artenschutz wird nachlassen, wenn die Leute merken, dass ihnen der Erfolg später auf die Füße fällt", sagt sie.

Bürgermeister Krämer: Ausgleichsmaßnahmen wurden nicht berücksichtigt

Dabei sei die Planung der Umgehungsstraße mit einem umfangreichen Ausgleichsverfahren verbunden, der eine Vielzahl von vernetzten Biotopstreifen in der Flur vorsieht, die neben der Wiesenweihe und dem Hamster auch für viele weitere Arten eine Verbesserung des Lebensraum bedeuten, sagt Bürgermeister Helmut Krämer. "Durch das Ausgleichsverfahren werden überhaupt erst Biotopflächen generiert", so Krämer, "das ist bisher überhaupt nicht berücksichtigt worden." "Wir würden auf einen Schlag 15 Hektar Ausgleichsflächen anbieten, deren ökologischer Wert wesentlich höher ist als der normaler Ackerflächen", unterstreicht Ernst Rauh, "etwas Besseres kann den Tieren doch gar nicht passieren."

"Die Akzeptanz für den Artenschutz wird nachlassen, wenn die Leute merken, dass ihnen der Erfolg später auf die Füße fällt."
Regina Hombach, Anwohnerin in Euerhausen

Die Regierung von Unterfranken sei bislang nicht auf diese Argumente eingegangen ist, ärgert sich Bürgermeister Helmut Krämer. "Die Regierung stellt sich hin und sagt: so geht's nicht, aber sie sagt nicht, wie es gehen könnte", so der Bürgermeister. Den Hinweis, dass möglicherweise eine andere Trassenwahl mehr Aussicht auf Erfolg hat, erachtet Krämer dabei als wenig hilfreich. Die bestehende Trasse war bereits in den 1980er Jahren in einem Flurbereinigungsverfahren an den Bund übereignet worden. Eine neue Trasse würde eine erneute Flurbereinigung mit einer Dauer von 15 bis 20 Jahren erfordern, sagt Krämer, "und am Ende stünden wir vermutlich vor dem gleichen Problem wie heute". 

Fachdialog am Staatsministerium vereinbart

Ein wenig Bewegung ist in jüngster Zeit immerhin doch in die Sache gekommen, nachdem sich Landrat Thomas Eberth direkt an Ministerpräsident Markus Söder gewandt hat. Wie das Staatliche Bauamt inzwischen der Gemeinde mitgeteilt hat, soll Ende Juni am Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr ein sogenannter Fachdialog stattfinden, bei dem Bürgermeister Helmut Krämer und Ernst Rauh gemeinsam ihren Standpunkt vertreten wollen – Ausgang ungewiss. "Für uns jedenfalls war es ein verlorenes Jahr", so Rauh.

 
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  • M. F.
    Tja was wäre denn @maczeug lieber? Nen Tunnel oder gar keine Unmgehung?
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  • T. L.
    Ich halte die ursprünglich geplante Achse für richtig, umsetzbar und vertretbar.
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  • M. H.
    Tunnel geht nicht. Da hauen sich dann Maus und Maulwurf den Kopf an!
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  • M. F.
    Es gibt übrigens eine ultraeinfache Lösung. Da muss auch nicht groß in Felder & Wiesen eingegriffen werden. Ein Tunnel durch Giebelstadt!!!
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  • T. L.
    Nach über 40 Jahren Wartezeit ist dieses Argument genauso veraltet wie unnötig.
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