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Giebelstadt
Kann die B19-Ortsumfahrung bei Giebelstadt doch gebaut werden? Regierungspräsident kündigt Neubewertung an
Vertreter von Politik und Verwaltung suchen nach einem Ausweg aus dem Artenschutzdilemma um die geplante Umgehung. Das sind die ersten Gesprächsergebnisse.
Über 11.000 Fahrzeuge befahren täglich die B19-Ortsdurchfahrt von Giebelstadt. Die Forderung nach einer Umgehungsstraße steht deshalb schon seit Jahrzehnten im Raum.
Foto: Gerhard Meißner (Archivbild) | Über 11.000 Fahrzeuge befahren täglich die B19-Ortsdurchfahrt von Giebelstadt. Die Forderung nach einer Umgehungsstraße steht deshalb schon seit Jahrzehnten im Raum.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:43 Uhr

Totgesagte leben länger. Ob das auch auf die B19-Ortsumfahrung von Giebelstadt zutrifft, deren Planfeststellung die Regierung von Unterfranken im April gestoppt hat, bleibt abzuwarten. Jedenfalls stellt ein Gespräch, das am Montag auf Einladung von Landrat Thomas Eberth zwischen Regierungspräsident Eugen Ehmann, dem Leiter des Bereichs Straßenbau am Staatlichen Bauamt Andreas Hecke, Mandatsträgern sowie Vertretern des Landratsamts und der Gemeinde Giebelstadt stattfand, die bisherige Einschätzung der Planfeststellungsbehörde in Frage. An dem Gespräch beteiligt waren auch der Staatssekretär im Bayerischen Innenministerium, Sandro Kirchner, und sein Vorgänger Gerhard Eck.

Ist der Eingriff des Vorhabens in das europäische Vogelschutzgebiet "Ochsenfurter und Uffenheimer Gau und Gäulandschaft nördlich von Würzburg" vielleicht gar nicht so gravierend, wie bisher angenommen? Jedenfalls sprechen sich die Teilnehmer des Gesprächs für eine Neubewertung aus, wie das Landratsamt in einer Pressemitteilung berichtet. 

Streitpunkt ist die Frage, ob die geplante Trasse einen erheblichen Eingriff in den Lebensraum der streng geschützten Wiesenweihe bedeutet. Der Greifvogel, der den Winter in Afrika verbringt, hat rund um Giebelstadt eines seiner letzten deutschen Brutgebiete. Erheblich wäre ein Eingriff laut Naturschutzrecht dann, wenn dadurch mehr als zehn Hektar dieses Brutgebiets verloren gingen.

Weil die Wiesenweihe, ein Bodenbrüter, bislang vorwiegend in junger Wintergerste ihr Nest gebaut hat, die im Ochsenfurter Gau nur einen Flächenanteil von rund fünf Prozent ausmacht, ging man bei der Planung der Umgehungsstraße davon aus, dass auch der Habitatverlust deutlich unterhalb dieser zehn Hektar liegt.

Mehr Brutgebiet für die Wiesenweihe als angenommen

Bedingt durch mildere Winter brütet die Wiesenweihe allerdings zunehmend auch im Winterweizen,  der auf rund 43 Prozent der Ackerflächen angebaut wird. Dem Vogel steht also weitaus mehr Bruthabitat zur Verfügung, als zuvor angenommen. Damit steigt aber auch der Verlust an Brutflächen durch den Bau der Umgehungsstraße, und zwar nach Einschätzung der Höheren Naturschutzbehörde an der Regierung von Unterfranken von 3,7 auf 30 Hektar, also deutlich über die Zehn-Hektar-Schwelle.

Die Planfeststellungsbehörde der Regierung von Unterfranken kam deshalb im Frühjahr zu dem Schluss, dass eine Umgehungsstraße auf der Trasse, die sich bereits seit Jahrzehnten im Eigentum des Bundes befindet, nicht möglich ist, und stoppte das Verfahren deshalb. Die Planungen müssten auf einer neuen Trassenvariante komplett neu auf aufgerollt werden, hieß es damals – was viele Jahre dauern würde.

Landrat Thomas Eberth zeigte sich damals schockiert über die Entscheidung. "Für mich stimmt hier die Abwägung zwischen den Schutzgütern Mensch und Natur nicht", so Eberth. Kritik am Vorgehen der Regierung äußerten auch die örtlichen Mandatsträger von CSU und SPD und forderten, das Verfahren noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Doch warum soll jetzt plötzlich möglich sein, was im Frühjahr noch als undenkbar erschien? 

Zahl der Brutpaare ist gestiegen

Das Landratsamt verweist in seiner Pressemitteilung auf die positive Entwicklung der Wiesenweihen-Population in den vergangenen zehn Jahren und die erstaunliche Anpassungsfähigkeit des Vogels. So sei die Zahl der Brutpaare in Unter- und Mittelfranken nach den Daten des Landesbundes für Vogelschutz zwischen 2012 und 2021 von 161 auf 187 angestiegen, sagt Ernst Rauh, Giebelstadter Gemeinderat und direkter Anwohner der Bundesstraße.

Gleichzeitig habe sich das Bruthabitat durch veränderte Klimabedingungen um mehr als das Zehnfache vergrößert. Deshalb sei man bei dem Treffen mit Regierungspräsident Ehmann zu dem Ergebnis gekommen, dass die geplante Umgehungsstraße unter dem Aspekt des Artenschutzes neu bewertet werden müsse, so das Landratsamt.

Im Gespräch mit der Redaktion spricht Giebelstadts Bürgermeister Helmut Krämer von einem "Denkfehler" bei der artenschutzrechtlichen Bewertung des Vorhabens. Wie könne ein Eingriff erheblich werden, wenn sich die Lebensbedingungen der seltenen Art objektiv verbessert haben? "Der gesunde Menschenverstand sagt, dass das unlogisch ist", so Krämer.

"Es geht nicht um ein neues Gutachten oder neue Erhebungen, sondern um die Neubetrachtung und –bewertung der bisherigen Fakten."
Eugen Ehmann, Regierungspräsident

Landrat Thomas Eberth spricht in seiner Pressemitteilung von einem "Hoffnungsschimmer am Horizont, um doch noch auf der bisher geplanten Trasse den Bau der Ortsumgehung zu ermöglichen".  Landtagsabgeordneter Manfred Ländner (CSU) plädiert für eine "objektive Untersuchung durch die Verwaltung, sonst wird im Landkreis Würzburg bald gar nichts mehr gebaut". Der Schutz der Umwelt müsse gleichrangig mit dem Schutz der Menschen bewertet werden. 

Regierungspräsident Eugen Ehrmann betont, dass das Planfeststellungsverfahren nicht abgeschlossen sei, sondern lediglich ruhe. "Es geht nicht um ein neues Gutachten oder neue Erhebungen, sondern um die Neubetrachtung und –bewertung der bisherigen Fakten", so Ehmann laut der Pressemitteilung. Dies wäre ein Weg, der die bisher beplante Trasse zugrunde legt und der deshalb in absehbarer Zeit zu beschreiten wäre.

Als nächster Schritt soll nun in Kürze eine weitere Besprechung unter Beteiligung der Höheren Naturschutzbehörde stattfinden, kündigt das Landratsamt an. Der Giebelstadter Bürgermeister äußerte sich dazu verhalten optimistisch. "Das kategorische Nein zur Umgehung ist erst einmal vom Tisch, das ist sicher ein Fortschritt", sagt Krämer. Aber ob die Neubewertung tatsächlich eine Fortsetzung des Verfahrens ermöglicht, so weit will er nicht spekulieren. "Das Ergebnis ist offen."

 
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  • robert.hock@magenta.de
    Es scheint zum essenziellen Anforderungsprofil eines CSU-Politikers zu gehören bei Straßeneinweihungen Bändchen zerschneiden zu können und Bratwurst zu essen. In der Vergangenheit war das normal. Mittlerweile gibt es so viele Straßen, dass bei jedem Neubau Opfer zu beklagen sind, weil es keine Lebensräume für Tiere und Pflanzen mehr gibt. Wir haben nämlich kein Artenschutzdilemma, sondern ein Artensterbendilemma. Jede weitere Versiegelung führt deshalb fast zwangsläufig dazu, dass die letzten ihrer Art betroffen sind. Man macht ihnen am Ende sogar den Vorwurf, dass sich ihre letzten Bestände erholt haben sollen – wie in Giebelstadt. Geopfert sollen sie dann erst recht werden. Ein Dilemma ist es auf jeden Fall Menschen und Umwelt gegeneinander aufzurechnen und gegeneinander abzuwägen. Wer das tut, hat etwas Grundlegendes nicht verstanden. Der Mensch ist nur Teil der Umwelt und kann nur mit ihr überleben. Es muss eine Lösung für alle geben. Nur Bändchen zerschneiden reicht nicht mehr.
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  • haen
    Aktionismus bis in den nächsten Herbst. Politiker auf Stimmenfang. Nach der LTW wird das Thema wieder für Jahre auf Eis gelegt - wie üblich.

    ;)
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  • danust19072710
    Unbegreiflich, was hier an Geld verschwendet wird!

    Gleichzeitig werden Projekte wie der neue EDEKA Markt ohne Probleme durchgewunken - wo ist denn hier der Bund Naturschutz oder der LBV in Aktion getreten?
    Naja, vielleicht hat es nur noch keiner gemerkt, dass dieser im gleichen Volgelschutz-Gebiet gebaut werden soll und ebenfalls wertvollstes Ackerland vernichtet...

    Ein dritter Großmarkt für Giebelstadt - unnötige Flächenversiegelung und die Wiesenweihe scheinen den Bund Naturschutz und den LBV in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht zu stören...
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  • annette.schuhmann@web.de
    Die Naturschutzverbände werden üblicherweise von den Gemeinden zu einer Stellungnahme im Rahmen der Bauleitplanung aufgefordert, anders können sie auch gar nicht gesichert über laufende Verfahren informiert bleiben. Die abgegebenen Stellungnahmen können Sie in der Gemeinde einsehen. Erst dann können Sie sich ein Urteil bilden. Ohne Kenntnis der tatsächlich abgegebenen Stellungnahme sind Ihre Aussagen jedenfalls als reine Spekulation und negative Meinungsmache zu betrachten.
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  • inge_schaefer@t-online.de
    Bitte weiter protestieren, hier soll Geld für den teureren U-Bahn in München eigespart werden. Unterfranken ist Provinz und weit weg von München. Was Protest als bewirkt, weiter so.
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