Meeresluft strömt durch das Esszimmer, die Wellen rauschen, die Kinder springen im Garten unter Palmen auf dem Trampolin. Was für viele in diesen Zeiten nach Paradies klingt, ist für die Kehlerts Alltag.
Fünf Koffer, fünf Rucksäcke – pro Familienmitglied je einer. Damit bepackt, wagten es Manuela und Florian Kehlert: Sie sind mit ihren drei Kindern Tom (11), Emma (7) und Sam (1,5) im August in ihr neues Leben gestartet. Von Estenfeld im Landkreis Würzburg ging es auf die über 9000 Kilometer entfernte thailändische Insel Ko Phangan – mitten in der Corona-Pandemie.
"Der Plan war eigentlich, im Juni zu fliegen, ein Jahr zu bleiben und zu Beginn des nächsten Schuljahres wiederzukommen", erzählt Florian Kehlert beim Ferngespräch aus Thailand. "Aber dann kam Corona dazwischen und wir konnten nicht los." Alle Flüge wurden gestrichen, Touristen durften nicht ins Land.
Die Familie entscheidet sich für ihren Traum zu kämpfen
Der Familie bleiben zwei Möglichkeiten. "Option A war, dass wir alles abblasen und warten, bis sich die Welt normalisiert. Oder wir machen es gerade trotz der Situation." Die Familie entscheidet sich für Option B: für ihren Traum zu kämpfen. Als Florian Kehlert mit der thailändischen Botschaft Kontakt aufnimmt, erfährt er, dass sie mit einem Bildungsvisum einreisen dürften: "Wir hatten unseren Sohn bereits in der Schule angemeldet und das Schulgeld bezahlt", sagt der 36-Jährige.
Das Schuljahr in Thailand beginnt am 2. September, doch wann die Familie aufbrechen darf, weiß niemand. Alle Flüge ins Land werden von der Botschaft kontrolliert. Die Plätze sind für thailändische Staatsbürger reserviert, die im Ausland gestrandet sind. Zwei Monate wartet die Estenfelder Familie, dann klingelt an einem Mittwoch Mitte August das Telefon. Die Botschaft teilt mit: Kehlerts dürfen am Samstag fliegen.
Nun muss es schnell gehen. Denn um einreisen zu dürfen, müssen sie ein Quarantäne-Hotel vorweisen. "Zu dieser Zeit gab es in Bangkok nur 30 Hotels, die das gemacht haben. Ich habe auf den letzten Drücker eines gefunden, das noch frei war", erinnert sich der Familienvater.
Nach zehn Stunden Flug kommen sie in Bangkok an. Bis sie den Flughafen verlassen dürfen, wird mehrmals Fieber gemessen. Ein Minivan bringt sie ins Hotel. Dort geht es nach erneutem Temperaturmessen von der Tiefgarage direkt auf das Zimmer, das die fünfköpfige Familie so schnell nicht mehr verlassen darf.
Zwei Wochen Quarantäne auf 50 Quadratmetern mit drei Kindern: "Echt hart, vor allem der Spagat zwischen dem Einjährigen und dem Elfjährigen", sagt Manuela Kehlert. Doch die gelernte Erzieherin ist vorbereitet und hatte Kleinigkeiten wie Luftballons oder Kinderschminke eingepackt. Und es wird in der Badewanne geplanscht, zum Zumba-Video gesportelt oder verstecken gespielt. Auf einem selbstgebastelten Plan streichen sie jeden Tag durch, der sie ihrem Ziel, dem Leben am Strand, näher bringt.
Nach sieben Tagen und einem weiteren negativen Corona-Test der erste Lichtblick: Einmal am Tag dürfen die Unterfranken nun für 45 Minuten auf die Dachterrasse des Hotels. "Das Größte für uns war der Tag, an dem es geregnet hat", sagt Florian Kehlert. "Es war ein typischer Tropenregen und wir sind wie die Verrückten in Badehosen herumgerannt."
Nach 15 Tagen stehen sie dann das erst mal am Hafen und atmen Meeresluft: "Ein sehr emotionaler Moment für uns alle", erzählt der 36-Jährige. "Wir haben gewusst: Jetzt haben wir es geschafft!".
Für die Kinder beginnt die Schule unterschiedlich
Nur einen Tag nach ihrer Ankunft auf Ko Phangan beginnt für den damals zehnjährigen Tom die Schule. Da die internationale Schule nach britischem System privat bezahlt werden muss, melden die Eltern zunächst nur ihn dort an. "Wir wussten nicht, wie viel Geld ich vor Ort verdienen kann", sagt Florian Kehlert, der eine eigene Praxis für Osteopathie auf der Insel betreibt.
Emma beginnt die erste Klasse mit ihren Estenfelder Mitschülern im Homeschooling. "Wir hatten alle Bücher mitgenommen und standen mit der Schule permanent in Kontakt. Das hat sehr gut funktioniert", sagt ihr Vater. Seit März geht die Siebenjährige nun auch auf der Insel in die Schule: "Wir wollten ihr das nicht vorenthalten. So kann sie englisch und thailändisch lernen und hat mehr Kontakt mit anderen Kindern."
Dass die Schule für die Kinder schwierig würde, war für die Eltern vor ihrem Umzug die größte Sorge gewesen: "Die Angst hat sich innerhalb von ein paar Tagen in Luft aufgelöst", erzählt Florian Kehlert am Telefon. Die Kinder gingen gerne zur Schule, ihre Freunde kommen aus der ganzen Welt. Neben dem normalen Mathepauken wird im Thailändisch-Unterricht auch mal zusammen gekocht, um so die Vokabeln zu lernen. Oder Wildparkschützer besuchen die Kinder und klären über die Tierarten auf der Insel auf. "Die Kinder haben so viel Spaß in der Schule, wie man es sich wünscht."
Die Eltern müssen sich an ein neues Leben gewöhnen. Fahrrad fahren oder Spaziergänge sind wegen der schlechten Straßenverhältnisse und der vielen Straßenhunde nicht mehr möglich. Statt Radtouren am Main gibt es nun Entdeckungstouren im eigenen Boot. Statt auf den Spielplatz geht es an den Strand. "Es ist anders, aber sehr schön!", sagt Manuela Kehlert, die sich zuhause um den einjährigen Sam kümmert, zum neuen Alltag.
Koffer packen, ins Flugzeug steigen und ab sofort am Strand leben? Ganz so einfach ist es mit dem Traum vom Leben in der Sonne nicht. "Ich will auch nicht mit Auswanderern aus dem Fernsehen verglichen werden", sagt die 35-Jährige. "Wir haben drei Kinder und eine Verantwortung. Wir haben das nicht übers Knie gebrochen, sondern jahrelang geplant."
2007 hatten die Kehlerts zum ersten Mal auf Ko Phangan Urlaub gemacht – und waren seitdem 20 Mal dort. Die Hochzeit gab es 2011 am Strand. "Bali, Sri Lanka, Malaysia, wir sind viel gereist, aber hier war unsere zweite Heimat."
Schnell kennt man sich auf der Insel. "Im Urlaub hat mich irgendwann jemand angesprochen, ob ich ihn behandeln kann", erzählt Florian Kehlert. Mit dieser einen Behandlung wird der Traum plötzlich konkret: "Er hat gesagt, dass ein Osteopath auf der Insel noch fehlt."
Vier Jahre Planung im Vorfeld
Es folgen vier Jahre Planung. "Da bin ich dann doch ein bisschen deutsch im Kopf", sagt der 36-Jährige. "Mit drei Kindern kann man nicht alles hinschmeißen." Dass er im Urlaub auf Ko Phangan immer wieder Behandlungen gemacht hat, zahlt sich aus: "Ich bin der einzige Osteopath auf der Insel. Es hat einen Monat gedauert bis es sich herumgesprochen hat, nun bin ich für Wochen ausgebucht."
Ein Alltag wie Dauer-Ferien? "Viele machen den Fehler, dass ihnen der Urlaub gefällt und sie denken, dass es immer so läuft", erzählen die Estenfelder. "Man ist zwar auf einer Insel mit weißem Sand, aber man muss auch hier arbeiten und Geld verdienen."
Ihr Haus in Estenfeld haben sie noch. Und Kehlerts Praxis "osteopaedics" führen seine Angestellten in Würzburg weiter. "Teil des Plans ist, dass wir etwas Eigenes haben, wohin wir zurückkommen können", sagt der 36-Jährige. "Mit drei Kindern möchten wir nicht auf Null zurückfallen."
Gibt es noch mehr im Leben als den Alltag, den man kennt?
Ein Jahr lang wollten die Kehlerts abtauchen: "Wir wollten sehen, ob es noch mehr im Leben gibt. Ob der Alltag woanders schöner und interessanter ist." Heute können sie sagen: ja. Nach Arbeit und Schule gibt es mit der Familie "ein paar schöne Stunden am Strand", sagt Florian Kehlert. "Es ist tatsächlich so geworden, wie wir uns das vorgestellt haben."
Nach sieben Monaten auf der Insel ist jedenfalls nichts mehr wie ursprünglich geplant: "Eigentlich wollten wir nach Ende des Schuljahres im Juli zurückkommen. Aber gerade kann ich nicht sagen, wie es weiter geht", sagt der Osteopath. "Das ist ehrlich gesagt ein tolles Gefühl einmal nicht zu wissen, wo ich in 20 Jahren stehe."
Die Corona-Pandemie ist für die Familie weit weg
Und die Pandemie? Auf Ko Phangan sei davon wenig zu spüren. Die einzige Einschränkung auf der Insel sei die Maskenpflicht im Supermarkt und dass größere Partys aufgelöst werden, berichtet der 36-Jährige. "Märkte und Restaurants sind offen, es gibt Live-Musik, Menschen umarmen sich zur Begrüßung. Ich bin froh, dass wir die Situation in Deutschland gerade nicht miterleben müssen."
Sonne, Palmen, Strand – doch eines fehle trotzdem: "Besuch von der Familie!" Zwar hätten sich viele angekündigt, erzählen die Kehlerts. Kommen konnte bislang niemand. "Nach der Einreise muss man zwei Wochen in Quarantäne, das lohnt sich für einen Urlaub nicht."
Die Auswanderer haben nach ihrer bisherigen Zeit auf der Insel eine Erkenntnis: "Du lernst das Leben woanders auch einmal kennen und weißt, ob du etwas im Leben verpasst hast." Und nach vier Jahren Planung sind sie sich heute sicher: "Das war die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben!"
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wird das mit Sicherheit nur ein paar Freunde wissen,
und vor allen Dingen mal keine Zeitung...
man sieht ja wie die Leut sich Sorgen machen
weil neidisch würde da sicher niemand sein
wünsche der Familie ALLES GUTE
und lebt euren Traum..
wir haben Alle nur ein Leben...
Ich habe mich für erstere Version entschieden. UND: ein Restrisiko für die Insulaner bleibt ja.
Für uns allerdings auch.
Für ein Jahr einfach mal mit den Kids abhauen und danach gar nicht wissen wie es weitergehen soll, für sowas habe ich Null Verständnis.
Wie der User Erding treffend auf dem Punkt gebracht hat, sind das in der Krise die ersten die um Hilfe schreien, aber es muss ja nicht unbedingt eine Krise sein. Spätestens wenn ernsthafte Krankheiten im Alter auftreten, da erinnern sich dann urplötzlich alle wieder wie gut unser Gesundheitssystem, über das man jahrelang geschimpft hat, ist.
Wer auf große Reisen eine Zeitlang möchte bitteschön, dann aber ohne die Kinder denn die Kinder einfach rausreißen und meinen nach ein Jahr ist dann wieder alles gut, der hat keinerlei Ahnung und denkt nur egoistisch an sich selbst.
Ich war auch mit meinen Kindern 1 Jahr weg. Kinder gingen in der Zeit iauf eine Internationale Schule. Was sie da gelernt haben (speziell die Sprache) hätten sie in D nie in der Zeit hinbekommen.
Und, keine Angst sie mussten in D keine Klasse wiederholen.
Keine Gedanke an das Glück hier in der "ehemaligen" Heimat "versorgt" zu sein. Ärzte, Krankenhäuser etc. Auch für finanzielle Unterstützungen im besonderen Bedarfs- und Notfällen. Aus der Traum! Nicht's für mich! Jedem das Seine, sagt man. Auch wenn jemand in Not ist? Hilfe von den dortigen Einheimischen?
Was hat das außerdem mit der letztjährigen Rückholaktion und deren Bezahlung zu tun (die sicherlich größtenteils ohne Probleme gezahlt wird oder wurde)?
Zudem gibt es die Hilfen von denen sie schreiben auch in Deutschland nicht umsonst sondern werden über die Steuern finanziert. Ich gehe davon aus, dass die Familie sicherlich eine Stange Geld bezahlt um versicherungstechnisch in Thailand gut abgedeckt zu ein!
Es schadet niemanden andere Länder, Lebensweisen und Lebensumstände kennenzulernen. Diese Kinder werden wenigstens nicht so engstirnig aufwachsen wie es einige unserer Mitbürger für die schon die nächste Stadt das Ende der Welt ist.
„Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.“ (Augustinus Aurelius)
Soso es schadet niemand und die Kinder? Glauben Sie wirklich es ist so einfach Kinder aus dem Alltag zu reißen, sie in einem wildfremden Staat in die Schule zu stecken und sich einzubilden nach ein Jahr machen wir wieder alles rückgängig und gehen wieder nach Hause und alles ist gut? Und wenn Sie den Bericht aufmerksam gelesen hätten dann würden Sie jetzt wissen das die Eltern nach einiger Zeit keinen Plan haben wie es jetzt weitergehen soll. Nur weil die Eltern einen egoistischen Traum haben müssen Kinder darunter leiden, für sowas und Ihrer Aussage fehlt mir jegliches Verständnis.