
Den Jahresurlaub entspannt am Strand und in fernen Ländern verbringen: Von dieser Vorstellung werden sich wohl auch in diesem Jahr viele Beschäftigte wegen der Corona-Beschränkungen verabschieden müssen. Die unsichere Lage erschwert die sinnvolle Planung der freien Tage. Für manche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfte es deshalb am Jahresende auf einen Urlaubsstau hinauslaufen.
Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, sollte dem schon jetzt vorgebeugt werden, sagt Steffen Hillebrecht. Der 55-Jährige ist Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) und Experte unter anderem für Arbeitsrecht. Er gibt Tipps zum langfristigen Umgang mit Homeoffice und erklärt, was diejenigen tun sollten, die bald eine längere Auszeit planen.
Steffen Hillebrecht: Da muss man erst einmal zwei Personenkreise unterscheiden: Wir haben Betroffene mit Kindererziehungspflichten, die ihren Urlaub vor allem dafür aufbrauchen, dass sie Homeschooling sicherstellen können. Diejenigen wiederum, die ihren Urlaub ansparen, weil sie ihr Betrieb nicht gehen lassen will oder weil sie wegen der Reisebeschränkungen keinen Urlaub nehmen wollen, die haben jetzt natürlich eine blöde Situation. Denn Paragraf 7 des Bundesurlaubsgesetzes sieht vor, dass Urlaubsansprüche verfallen – es sei denn, es wurde mit dem Arbeitgeber vereinbart, dass Urlaub in das nächste Jahr aufgeschoben werden kann.
Hillebrecht: Es ist dringend erforderlich, dass man jetzt mit dem Arbeitgeber eine Regelung trifft, ob der Urlaubsanspruch verfällt, ob man ihn nach hinten verschieben kann oder ob er in Geld ausgezahlt wird – was aber immer eine zwiespältige Sache ist, weil es eigentlich laut Bundesurlaubsgesetz nicht erlaubt ist. Zu denken wäre auch daran, ob er am Ende für ein Sabbatical genutzt werden kann.

Hillebrecht: Bis gestern. Denn normalerweise muss das bis 31. März geklärt sein. Das heißt, dass Beschäftigte jetzt nur auf den guten Willen des Arbeitgebers hoffen können. Und darauf, dass er kein Interesse hat, wichtige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verärgern.
Hillebrecht: Ja. Und der Arbeitgeber wird einen mit großen Augen anschauen und sagen: "Für die Pandemie kann ich nichts." Zumal schon die Zahl der Kinderbetreuungstage nach Paragraf 45 SGB V (Anm. der Red.: fünftes Buch des Sozialgesetzbuches) verdoppelt wurde. Natürlich ist ein Arbeitgeber gut beraten, hier eine sinnvolle Lösung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Wie sie aussieht, hängt sehr stark von den betrieblichen Gegebenheiten ab. Es gibt Firmen wie LinkedIn, die vorgeprescht sind und allen eine Woche Erholungsurlaub angeboten haben. SAP in Walldorf hat zumindest ein oder zwei Erholungstage angesetzt, damit die Mitarbeitenden mal Luft holen können. Das sind natürlich große Unternehmen, denen es wirtschaftlich gut geht. Es gibt in Mainfranken dagegen viele Firmen, die mit Kurzarbeit zu tun haben und Umsatzeinbußen erleiden. Man muss an den Handel denken: Ich habe gehört, dass in der Region eine ganz miese Stimmung herrscht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass solche Unternehmen zu ihren Beschäftigten sagen: "du kriegst noch Extra-Urlaub". Da kommt auf uns eine Bombe zu, die kaum zu umgehen ist.
Hillebrecht: Ich bin mir ziemlich sicher, dass das im Sommer hochkommen wird. Noch vor der Bundestagswahl. Wenn die Sommerferien da sind, wenn es weitere Verzögerungen beim Impfen gibt.
Hillebrecht: Es ist klug, sich sowohl die eigene Arbeitsbelastung der nächsten Wochen als auch die Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen im direkten Arbeitsumfeld vor Augen zu führen. Es lohnt sich, ein kleines Soziogramm aufzumalen mit den Informationen, wer wann welche Auslastung hat. Dann hilft nichts anderes als eine enge Abstimmung im engen Kollegenkreis: Wer braucht wann seine Auszeit? Wenn jemand allein auf seine Auszeit pocht, wird kein Chef auf diese Bedürfnisse eingehen können.
Hillebrecht: Am einfachsten wird die Bitte um einen unbezahlten Urlaub sein. Denn der Arbeitgeber hat da keine Kosten mehr. Beim Sabbatical stellt sich für den Chef die Frage: Wann kommt der Mitarbeiter zurück, wie kommt er zurück? In der Zwischenzeit muss das Unternehmen die Sozialleistungen tragen. Ein Sabbatical braucht außerdem drei, vier Monate Vorbereitung, damit man bei der Rückkehr keine verbrannte Erde im Büro vorfindet. Ein unbezahlter Urlaub setzt allerdings voraus, dass man ein gut gefülltes Sparkonto hat.
Hillebrecht: Es ist dann die wichtige Frage, ob sich der Beschäftigte nicht ein oder zwei Tage Homeoffice sichern kann. Und ob er im Gegenzug dem Arbeitgeber versprechen kann, dass er damit bestimmte Arbeitsprozesse schneller auf die Beine bekommt und dass er ihn von Kosten entlastet. Denn das ist auf Arbeitgeberseite gerade eine Riesendiskussion, inwieweit Homeoffice Mietkosten mindert. Schließlich sind Büromieten bis zu vier Mal so hoch wie Wohnraummieten. Es gibt in der Region schon erste Unternehmen, die sich in dieser Hinsicht genau überlegen, was sie machen werden. Ich kenne eine Werbeagentur, die zum Jahreswechsel ihr Büro mit 180 Quadratmetern aufgibt und mit den Mitarbeitern Homeoffice vereinbart hat. Da geht es um 3000 Euro im Monat für eine Zehn-Mann-Firma.
Hillebrecht: Das hängt davon ab, ob es einen Betriebsrat gibt, der sich dafür engagiert. Wir haben in der Region ein Drittel Unternehmen, die einen schwachen oder gar keinen Betriebsrat haben. Dort bleibt den Beschäftigten nichts anderes übrig, als Einzelvereinbarungen abzuschließen oder darauf zu warten, was das Unternehmen anbietet. Bei den anderen zwei Dritteln wird es darauf hinauslaufen, dass Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden, um Rechtssicherheit für alle Beteiligten herzustellen. Mit Homeoffice sind zum Beispiel Datenschutzregelungen betroffen, denn die wenigsten haben daheim eine gesicherte Datenleitung. Auch um Unfallverhütung geht es.
Hillebrecht: Das wird sicher eine Weile gutgehen. Bis die ersten Klagen wegen schwerer Unfälle vor Gerichten landen und die Berufsgenossenschaft dann einen Verantwortlichen sucht, der zahlt.