Erst die Fragezeichen hinter dem Impfstoff von Astrazeneca sowie dessen Beschränkung. Nun der vorläufige Auslieferungsstopp für das Vakzin von Johnson & Johnson, ebenfalls wegen aufgetretener Thrombosen: Die Verunsicherung bei Impfwilligen wird dadurch nicht kleiner, auch wenn die Impfbereitschaft weiter hoch ist. Aufklärung ist gefragt. Antworten auf aktuelle Fragen gibt Prof. Oliver Kurzai vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Uni Würzburg, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Mykologie.
Die Vermutung, dass diese Nebenwirkungen mit dem Vektor zu tun haben, ist nur eine Hypothese, aber naheliegend. „Es sieht so aus, als ob dieses Problem tatsächlich mit dem Vektorimpfstoff zusammenhängen könnte“, sagt Prof. Oliver Kurzai. Allerdings fehlten noch die wissenschaftlichen Beweise.
Beim russischen Vakzin werden etwas andere Viren als Vektoren verwendet, allerdings stammen sie aus der gleichen Gruppe wie bei den schon zugelassenen Impfstoffen. Nach den bisherigen Erfahrungen wird man genau hinschauen. Aber: Prinzipiell bieten auch Vektorimpfstoffe einen wirksamen Schutz.
Ein direkter Vergleich ist mangels längerfristiger Erfahrungswerte noch nicht möglich. „Gezeigt hat sich aber, dass die mRNA-Impfstoffe bei Covid-19 erstaunlich gut funktionieren. Die Technologie ist erfolgreich“, sagt Kurzai. Mit Ausnahme vereinzelter allergischer Reaktionen habe es hier bisher – anders als bei den Vektorimpfstoffen – praktisch keine schweren Nebenwirkungen gegeben.
Die typischen und häufigen Nebenwirkungen treten bei beiden Impfstoffen auf: Schmerzen an der Einstichstelle, etwas Fieber, Abgeschlagenheit. Bei den mRNA-Impfstoffen ist dies eher mit der Zweitimpfung, bei Astrazeneca mit der Erstimpfung der Fall. Thrombosen als seltene Nebenwirkungen wurden bei Astrazeneca und Johnson & Johnson festgestellt. Bei den mRNA-Impfstoffen wurden in sehr selten Fällen schwere allergische Reaktionen bekannt.
Fachleute wie Kurzai raten dringend, bis zu 24 Stunden nach der Impfung auf Sport, Sauna und Alkohol zu verzichten. „Das reduziert die Häufigkeit von Nebenwirkungen deutlich.“ Gegen allgemeine Beschwerden lässt sich nicht viel ausrichten, Ruhe und Tee können helfen. Bei Fieber können fiebersenkende Medikamente wie Ibuprofen oder Paracetamol genommen werden.
Hier gelten die Richtlinien der Ständigen Impfkommission (Stiko). Sie prüft die Impfstoffe und passt die Vorgaben bei Bedarf und neuen Erkenntnissen an – die ständige Aktualisierung der Empfehlungen zu Astrazeneca zeige eigentlich, wie gut das in Deutschland funktioniert, so Kurzai. Entsprechend wird die Impfung von Astrazeneca mittlerweile nur für Über-60-Jährige empfohlen, die anderen Impfstoffe je nach Zulassung ab 16 oder 18 Jahren. Eine Unterscheidung zwischen Frauen und Männern nimmt die Stiko nicht vor. Allerdings sind die Sinusvenenthrombosen hauptsächlich bei jüngeren Frauen aufgetreten.
Wenn dies der Hausarzt nach einer Risikoabwägung im Einzelfall befürwortet. Kurzai nennt zwei Beispiele: Eine 25-jährige übergewichtige Frau, die die Pille nimmt und Kettenraucherin ist, sollte auf Astrazeneca verzichten, weil sie bereits ein erhöhtes Thrombose-Risiko hat. Bei einem 59-jährigen fitten und gesunden Mann dagegen "gibt es keinen Grund, der gegen eine Impfung mit Astrazeneca spricht".
Bei Frauen unter 60 beziffert die Stiko das Risiko für eine Hirnvenenthrombose nach Astrazeneca Impfung auf eins zu 100 000. Im Alter über 60 Jahren ist das Risiko so gering, dass es Kurzai zufolge nicht mehr seriös in Zahlen zu benennen ist. Das generelle Risiko ohne Impfung für Frauen unter 60, an einer Sinusvenenthrombose zu erkranken, liegt laut Stiko zwischen zwei und drei von 100 000. Männer haben generell ein niedrigeres Risiko für diese Komplikation.
Die Zahlen aus der dritten Studienphase sind noch nicht veröffentlicht. Die Stiko und die Europäische Zulassungsbehörde können sie einsehen, eine Entscheidung dazu gibt es aber noch nicht. Kurzai hält eine Beschränkung analog zu Astrazeneca für denkbar.
Ja, bei Sicherheit und Wirksamkeit hat sie die Stiko als gleichwertig eingestuft. Einen Unterschied gibt es beim Mindestalter der Impflinge: Biontech/Pfizer ist ab 16 Jahren, Moderna erst ab 18 Jahren zugelassen.
CureVac hat ebenfalls einen mRNA-Impfstoff entwickelt. Die Daten der Phase 3 werden in nächster Zeit erwartet, dann kann die Zulassung schnell geprüft werden. Oliver Kurzai erwartet bei entsprechender Datenlage einen ähnlich wirksamen und sicheren Impfstoff wie von Biontech und Moderna.
Vereinzelt ist dies der Fall. In der Breite hätten sich die Menschen aber nicht verunsichern lassen, ist Prof. Kurzai überzeugt. "Viele sind sehr gut informiert und entscheiden sich auf dieser Basis ganz rational für eine Impfung mit Astrazeneca." Dies zeigten Erfahrungen aus den Impfzentren. Wer ein Impfangebot mit Astrazeneca ausschlägt, muss sich bis zu einem neuen Termin mit einem anderen Vakzin gedulden. Eine Wahlmöglichkeit gibt es aktuell noch nicht.
Ein Impfschutz beginnt frühestens eine Woche, spätestens zwei Wochen nach der Erstimpfung. Laut Kurzai liegt dieser Impfschutz Studien zufolge zwischen 50 und 90 Prozent und hält auf jeden Fall bis zu den Zweitimpfungen.
Dazu gibt es noch keine Vergleichsstudien. Generell, so Kurzai, werde mit allen zugelassenen Impfstoffen ein sehr guter Impfschutz aufgebaut.
In der Zulassung des Vakzins ist ein Abstand von vier bis zwölf Wochen zwischen erster und zweiter Impfung festgelegt. Studien haben gezeigt, dass der Abstand zwischen beiden Dosen die Wirksamkeit beeinflusst: Liegt mehr Zeit dazwischen, hat dies laut Robert Koch-Institut (RKI) einen positiven Effekt auf den Impfschutz.
Für alle Erstgeimpften unter 60 Jahren empfiehlt die Stiko den Abschluss der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff zwölf Wochen nach der Erstimpfung. Eine Präferenz für Biontech oder Moderna gibt es hier nicht. Nach persönlicher ärztlicher Abklärung ist auch eine Zweitimpfung mit Astrazeneca nicht ausgeschlossen.
Das wird von Stiko nicht empfohlen und scheint nach Einschätzung von Kurzai auch immunologisch nicht sinnvoll.
Das ist sinnvoll, empfohlen wird von der Stiko allerdings nur eine einzelne Impfdosis – frühestens sechs Monate nach der Infektion.
Umsonst ist die Erstimpfung wohl nicht, aber der Schutz ist weniger ausgeprägt und hält nicht so lange an wie nach einer Zweifachimpfung.
Beides ist möglich, je nach persönlicher Präferenz. Experte Kurzai rät aber zumindest Menschen mit schweren Grunderkrankungen oder medizinischen Sorgen eher den Gang zum Hausarzt: "Er kennt die medizinische Geschichte und kann individuell beraten."
Das hängt vom Impfstoff ab: Bei Corona wird ein so genannter Totimpfstoff eingesetzt. Ist dies auch bei einer parallelen Impfung der Fall (wie gegen Zecken), braucht man keinen Mindestabstand zu beachten. Eine zeitliche Entzerrung wäre nur bei einem Lebendimpfstoff geboten, wie er bei Masern, Mumps, Röteln zum Einsatz kommt. Wichtig: Impfen nur, wenn man gesund ist. Also nicht bei Fieber zum Beispiel nach einer Corona-Impfung.
Ich habe aber auch noch niemanden gesehen (weder in der Presse, noch im TV), der diese Frage stellt. Diese Frage muss aber dringend beantwortet werden, wenn man will, dass sich die ü60-Jährigen auch mit Astrazeneca impfen lassen. Ich kenne einige Personen über 60, die genau aus diesem Grund und aufgrund der besseren Wirksamkeit lieber noch auf den BioN-Tech-Impfstoff warten. Solange jene Frage unbeantwortet ist, nachvollziehbar.
Das hat vermutlich einigen zehntausend Menschen das Leben gerettet haben.