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Würzburg
Artenverlust durch Klimawandel: Welche Bedeutung Vielfalt für den Botanischen Garten Würzburg hat
Die Biodiversität der Erde leidet unter dem Klimawandel, viele Pflanzen sind vom Aussterben bedroht. Was der Botanische Garten Würzburg tut, um sie zu schützen.
Gerd Vogg, Sachverständiger des Botanischen Gartens Würzburg, zeigt, wie gut die Pflanzen der mediterranen Felsheide mit den derzeit trockenen und heißen Bedingungen klarkommen.
Foto: Benjamin Brückner | Gerd Vogg, Sachverständiger des Botanischen Gartens Würzburg, zeigt, wie gut die Pflanzen der mediterranen Felsheide mit den derzeit trockenen und heißen Bedingungen klarkommen.
Pia Brenner
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:48 Uhr

Der Klimawandel ist kein neues Phänomen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen seit Jahrzehnten vor den Folgen. Folgen, die mittlerweile nicht mehr zu ignorieren sind. Die extrem hohen Temperaturen und die Hitze führen auch hier in Unterfranken zu einer ausgetrockneten Natur, Wasserknappheit und Bränden. Die Natur und ihre Vielfalt, auch Biodiversität genannt, leidet.

Der Botanische Garten Würzburg bietet auf seiner gesamten Fläche Platz für etwa 9000 verschiedene Pflanzenarten aus der ganzen Welt, erklärt Gerd Vogg, Experte für Biodiversität des Botanischen Gartens. Zum Vergleich: in Deutschland gibt es 4500 Pflanzenarten. Botanische Gärten seien daran interessiert, die Biodiversität der Erde zu erhalten und zu erforschen, man "definiert sich über die Vielfalt".

Klimawandel und Biodiversitätsverlust als Zwillingsproblem

Biodiversität existiere auf drei Ebenen, sagt  Vogg: "die Vielfalt der Lebensräume, die Vielfalt der Arten und die genetische Vielfalt." Diese Vielfalt sei deswegen wichtig, weil sie das menschliche Lebensumfeld erst ermögliche. "Das sehen wir insbesondere jetzt, weil wir zwei Problemfelder haben, die ganz dicht gekoppelt sind: der Klimawandel und der Verlust an Biodiversität. Hier spricht man auch von einem Zwillingsproblem." Der Klimawandel sei nur in den Griff kriegen, wenn die Biodiversität erhalten bleibe, denn die zwei Themen hingen direkt miteinander zusammen.

Als Bildungseinrichtung hat sich der Botanische Garten die Aufgabe gesetzt, Wissen zu vermitteln, die Bedeutung von Vielfalt steht hier an erster Stelle. Das passiert über Schaugewächshäuser, die Abteilungen im Freiland, Ausstellungen und Führungen. "Wenn Sie mich fragen, was wir den Menschen zeigen und mitgeben wollen, dann ist es das Thema Biodiversität und ihre Bedeutung für uns Menschen", betont Vogg im Gespräch mit der Redaktion. 

Biodiversität ist wichtig für den Klimaschutz, da Pflanzen "die Senke für die Klimagase" seien. Nicht nur die Wälder nehmen CO2 auf, alle Pflanzen brauchen es für ihr Wachstum. "Je mehr Biodiversität wir haben, umso mehr CO2 wird aus der Atmosphäre aufgenommen", erklärt der Experte. Er spricht außerdem davon, dass Biodiversität eine Stabilität der Lebensräume bedeute. "Wenn man einen reinen Buchenwald hat und die Buche mit den Klimaveränderungen  nicht klar kommt, dann kann es sein, dass das Waldökosystem zusammenbricht. Hat man einen Wald mit verschiedenen Arten, stabilisiert er sich".   

Der Mensch als treibende Kraft hinter dem Artenverlust

Der Artenverlust würde nicht allein durch den Klimawandel stattfinden, ein großer Auslöser sei die Landnutzung durch den Menschen. "Gerade bei uns in Europa verschwinden sehr viele Lebensräume und Arten durch die Verbauung, den Straßenbau und Neuausweisungen von Neubau- und Gewerbegebieten", meint Vogg. Der Mensch sei somit, auch durch den Klimawandel, die treibende Kraft hinter dem Verlust der Biodiversität.

Wichtig seien hier die sogenannten Ökosystemdienstleistungen, erklärt der Botaniker. Ein Ökosystem, beispielsweise ein Wald, erfüllt bestimmte Dienstleistungen für den Menschen – er reinigt das Wasser und die Luft und stellt einen Erholungsort dar. Fehle der Wald, müsse man plötzlich mit technischen Möglichkeiten diese Dienstleistungen erfüllen, und das geht in "absurd hohe Summen an Kosten", meint Vogg. Geht also die Biodiversität verloren, dann wird es teuer.

Gerd Vogg steht in der noch grünen Prärie, während die Graslandschaft – bei gleichen Bedingungen – im Hintergrund schon komplett vertrocknet ist.
Foto: Benjamin Brückner | Gerd Vogg steht in der noch grünen Prärie, während die Graslandschaft – bei gleichen Bedingungen – im Hintergrund schon komplett vertrocknet ist.

Auswirkungen des Klimawandels im Botanischen Garten Würzburg

Im Botanischen Garten in Würzburg würde man die Auswirkungen des Klimawandels direkt sehen, so Vogg. Die mediterranen Pflanzen würden gut mit den hohen Temperaturen zurechtkommen, während der Buchenwald von Waldsterben und Totholz geplagt wird. Viele Pflanzen, die ein Botanischer Garten brauche, wie beispielsweise Arnika in der Arznei, würden sie nicht mehr zum Blühen bekommen. Es sei gar nicht möglich, den ganzen Garten künstlich zu bewässern, man müsse "immer sparsam sein, hier in Würzburg" – die Region im Maindreieck ist bekanntermaßen die trockenste in Bayern.  

Die Klimaveränderungen sehe man auch am Beispiel der Orchideen: wärmeliebende Orchideenarten würden sich in Unterfranken stark ausbreiten, der Botanische Garten hatte dieses Jahr sogar einige neue Arten – und das ohne sie gepflanzt zu haben. Andererseits sei "eine starke Reduktion in den Orchideen der feuchten Standorte zu beobachten", meint Vogg. Dies sei ein Zeichen dafür, dass es immer wärmer und trockener wird.

Trotzdem schaut der Botaniker positiv in die Zukunft. "Es gibt immer Veränderungen und von denen profitieren manche und andere verlieren. Das ist das, was man in eine Botanischen Garten, wo die Vielfalt auf einem so engen Raum ist, dicht an dicht hautnah erleben kann", so Vogg. "Ich habe keine Angst, dass wir unsere Vielfalt verlieren werden, aber es werden vielleicht eine andere Vielfalt und andere Pflanzen sein, die hier wachsen."

Vogg weiter: "Viele Leute glauben immer nur der Klimawandel findet woanders statt, aber nicht bei uns. Aber er findet natürlich auch bei uns statt." Dadurch, dass die Ergebnisse des Klimawandels im Botanischen Garten gut zu sehen seien, erhofft er sich, dass sie diese Prozesse "sichtbarer machen und die Leute sensibilisieren. Das ist die Idee dahinter". 

 
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  • K. F.
    jetzt haben wir den salat! seit vielen jahren wird schon von klimatologen vor immer wärmeren sommern gewarnt, dieses jahr so extrem trocken wie seit luthers zeiten nicht mehr. was ist, wenn im winter auch noch das nasse von oben ausbleibt, man sagt ja, dass bis november diese trockenheit anhalten könnte. klar, gestern gingen zum teil schwere gewitter nieder, aber halt nicht flächendeckend. bei uns gleich 0.000 liter niederschlag, ein paar blitze aus der ferne und fertig wars. die zukunft unserer kids ist nicht allzu rosig!
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