Die Zukunft Ochsenfurts liegt auf dem Dümmersberg. Dort sollen in den kommenden Jahrzehnten Häuser für bis zu 1400 Bürger entstehen. Der Ort steht aber auch ganz am Anfang der Ochsenfurter Siedlungsgeschichte. Deshalb forscht Archäologin Sarah Wolff im Rahmen eines Modellprojekts derzeit nach historischen Zeugnissen von der Jungsteinzeit bis in die frühe Neuzeit.
Das Szenario ist Bauherrn wie Denkmalpflegern gleichermaßen ein Graus: Mitten unter den Bauarbeiten treten archäologische Funde zutage, die eilends mit einer Notgrabung dokumentiert und gesichert werden müssen. Für eine fundierte Untersuchung fehlt die Zeit. Die Bauarbeiten müssen währenddessen ruhen. Der Zeitplan kommt in Verzug, die Kosten steigen.
Schon in der Jungsteinzeit besiedelt
Auf dem Oberen Dümmersberg wäre ein solches Szenario durchaus zu erwarten. Seit der Jungsteinzeit siedelten immer wieder Menschen auf der fruchtbaren und strategisch günstig gelegenen Hochfläche über dem Maintal, sagt Archäologin Sarah Wolff. Das beweisen wissenschaftliche Erkenntnisse und historische Quellen, aber auch Zufallsfunde, die von Landwirten oder Hobbysammlern dort gemacht wurden.
Zugleich gilt der Obere Dümmersberg als wichtigste Baulandreserve der Stadt Ochsenfurt für die kommenden zwei bis drei Generation. Unweit westlich davon schließt sich die Erweiterungsfläche für das Gewerbegebiet Hohestadt an. Das Ganze wird im Süden von einer Straßentrasse – der sogenannten "Südspange" – begrenzt, die ebenfalls schon seit Jahrzehnten durch die Pläne geistert. Auf Ochsenfurter Gemarkung hat sich die Stadt die erforderlichen Flächen bereits bei der letzten Flurbereinigung gesichert.
Grundsatzentscheidung für neuen Stadtteil
Im Oktober 2018 fasste der Stadtrat den Grundsatzbeschluss, aus dem Konzept, das Ende der 1990er Jahre entstanden war, konkrete Pläne werden zu lassen. Frühzeitig habe man daraufhin das bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) mit ins Boot geholt, sagt Bauamtsleiter Jens Pauluhn – und dort offene Türen eingerannt, wie der Leiter der BLfD-Außenstelle in Schloss Seehof bei Bamberg, Thomas Gunzelmann, erklärt.
2015 wurde das Kommunale Denkmalschutzkonzept eingeführt, als Instrument, um bauliche Entwicklungen frühzeitig mit den Interessen des Denkmalschutzes in Einklang zu bringen und die Kommunen dabei fachlich zu beraten. In Ochsenfurt findet ein solches Konzept erstmals Anwendung auf mögliche Bodendenkmäler. "Ochsenfurt ist ein Beispielprojekt, an dem wir selber noch lernen wollen", so Gunzelmann.
Das 50 Hektar große Untersuchungsgebiet schließt neben dem Dümmersberg auch die Erweiterungsfläche des Gewerbegebiets Hohestadt und die Trasse der Südspange mit ein. Die bundesweite Ausschreibung für die Erstellung des Konzepts konnte das Archäologenteam ADW aus Lauda-Königshofen für sich entscheiden. Dessen Chefin Sarah Wolff, in Bütthard zu Hause, erläutert die Vorgehensweise:
Neben mehreren Begehungen beschränkt sich die erste Phase hauptsächlich auf das Quellenstudium. Alte Karten, historische Ansichten, Luftbilder und dreidimensional erfasste, digitale Geländemodelle werden ausgewertet, um verdeckten Spuren menschlicher Zivilisation auf die Spur zu kommen. Daneben befragte Wolff Landwirte, die in dem Gebiet tätig sind, und ehrenamtliche Sammler. Auch im Museum für Franken in Würzburg seien Artefakte vom Dümmersberg zu finden.
Wo war das Feldlager von Generalmarschall de Turenne?
In Antiquariaten und Archiven wurde Hannah Wolff ebenfalls fündig. Dort wird etwa das Feldlager beschrieben, das der französische Generalmarschall Henri de Turenne im September 1673 mit seinem Heer auf dem Dümmersberg aufgeschlagen haben soll und das bislang nicht durch Funde belegt werden konnte.
Ausdrücklich sind auch interessierte Bürger und Hobby-Archäologen aufgerufen, die Forschung zu unterstützen. Für sie bietet das Landesamt für Denkmalpflege sogar eigens Kurse an, sagt Matthias Merkl, am BLfD Referent für Bodendenkmäler in Unter- und Oberfranken. So hofft Hannah Wolff auf weitere Funde, die ihr gemeldet werden. Nach der wissenschaftlichen Auswertung bleiben die im Besitz des Finders.
In einer zweiten Projektphase sollen aus den gewonnenen Erkenntnissen konkrete Empfehlungen erarbeitet werden, wo schützenswerte Bodendenkmäler zu erwarten sind und wo ohne Bedenken gebaut werden kann. Entsprechend können Trassenverläufe und Baugrenzen frühzeitig angepasst werden.
Etwa 60 000 Euro wird die Erstellung des Kommunalen Denkmalschutzkonzepts die Stadt Ochsenfurt kosten. 60 Prozent davon gibt das Landesamt als Zuschuss. Bauamtsleiter Jens Pauluhn sieht darin gut angelegtes Geld. "Am Ende führt das dazu, dass wir Planungssicherheit haben und Kosten sparen", sagt er, eine Notgrabung während der Bauzeit wäre vermutlich weit teurer.
Für Bürgermeister Peter Juks steht indes fest, dass die Besiedelung des Dümmersbergs ein Projekt für die nächsten zwei bis drei Generationen sein wird. In maßvollen Bauabschnitten und über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten soll das Gebiet erschlossen werden. Dabei müsse die Verbindung zur Ochsenfurter Kernstadt gewahrt bleiben. Keinesfalls wolle man eine Trabantenstadt errichten.