"Müssen in Zeiten des Lehrermangels wirklich so viele Lehrkräfte in Teilzeit arbeiten?", fragte unser Autor Henry Stern in seinem Samstagsbrief an Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV).
Sicher sei die Belastung für Lehrkräfte gerade in den Corona-Jahren hoch gewesen, sicher stünden Schulen weiter vor großen Herausforderungen. Gerade beim Thema Lehrermangel fehlten jedoch konkrete Lösungsvorschläge des Verbandes, kritisierte Stern. Statt Bayern stetig als "Bildungshölle" darzustellen, solle der BLLV öfter darüber reden, "was für ein toller Job der Lehrerberuf ist – auch in Vollzeit". Nun hat Fleischmann auf den Brief geantwortet:
"Sehr geehrter Herr Stern,
ein offener und kritischer Diskurs über die Situation des bayerischen Bildungssystems ist wichtig. Wer sich also ernsthaft Gedanken macht, beispielsweise über den Lehrermangel, sollte die Attraktivität dieses Berufes immer im Blick haben. Die mediale Berichterstattung über den Lehrerberuf ist dabei entscheidend.
Glauben sie mir, sehr geehrter Herr Stern, wir Lehrerinnen und Lehrer wissen selbst am allerbesten, wie schön unser Beruf ist. Und genau weil wir dies wissen, werde ich als Präsidentin eines Lehrerverbands immer alle Stolpersteine offen benennen!
Lehrerinnen arbeiten ähnlich in Teilzeit wie Frauen in anderen Branchen
Die Kolleginnen und Kollegen leiden immens unter den aktuellen Problemen in der Bildungspolitik, insbesondere aufgrund der großen Auswirkungen für die Schülerinnen und Schüler! Wenn Sie also kritisieren, dass wir Stolpersteine ansprechen, antworte ich Ihnen: Für die Attraktivität des Lehrerberufes muss der Dienstherr, also der Freistaat Bayern, sorgen.
Oder sehen Sie dies auch noch als unsere Aufgabe? Sollen Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft selbst die Unternehmen attraktiv gestalten oder vielleicht doch der Arbeitgeber?
Aus meiner Sicht völlig kontraproduktiv sind mediale Berichterstattungen in Richtung 'man könnte ja wohl mal mehr arbeiten' oder 'man wird doch wohl diesen Beruf im Kern auch Vollzeit ausüben können'.
Sie wissen sicherlich, dass Sie mit Ihrer wohlfeilen Kritik alle Frauen dieser Gesellschaft ansprechen: Vielleicht schauen Sie sich mal die Teilzeit-Quoten aller weiblichen, abhängig Beschäftigten in der deutschen Wirtschaft an. Dann werden Sie sehen, dass die Quoten ähnlich gelagert sind wie im Lehrerberuf.
Wenn Familie und Beruf also ohne Teilzeit nicht mehr vereinbar sind – insbesondere dann nicht, wenn der Beruf immer herausfordernder wird und wenn die Krippen- und Kitaplätze bei Weitem nicht ausreichen und wenn Frauen den Mammut-Anteil von Care-Arbeit leisten – sind dann aus Ihrer Sicht die Frauen in Teilzeit schuld?
Sie werden sicherlich zustimmen, sehr geehrter Herr Stern, dass die politisch Verantwortlichen und die Bayerische Staatsregierung dann in der Pflicht stehen!
Es ist wunderbar, wenn Sie uns Lehrerinnen und Lehrern sagen, wie wichtig und schön unser Beruf doch sei – vielen Dank, das wissen wir selbst sehr genau. Ach übrigens, sehr geehrter Herr Stern, Lösungsvorschläge gegen den Lehrermangel haben wir en masse. Wir haben bereits seit Jahrzehnten unzählige Forderungen an die Politik gerichtet, weil wir wussten, was passieren wird.
Ein Grund mehr, nicht leiser zu werden, sondern weiterhin für unsere 67.000 Mitglieder mit noch stärkerer Stimme zu sprechen. Denn Sie, sehr geehrter Herr Stern, tun unseren Kolleginnen und Kollegen mit solchen Artikeln keinen Gefallen.
In Finnland gelten Lehrerinnen und Lehrer als die Kerzen der Gesellschaft. Es wäre schön, wenn wichtige gesellschaftliche Personen wie Sie, sehr geehrter Herr Stern, dies ebenso sehen würden.
Vielen Dank und beste Grüße
Simone Fleischmann, BLLV-Präsidentin"
Eine junge Referendarin, die ab September eingesetzt werden soll, hat angebeoten, nach den Osterferien sich als Springer schon zu Verfügung zu stellen, dies wurde ebenfalls vom Landratsamt MSP abgelehnt, anscheinend ist die Schmerzgrenze noch nicht erreicht.
Bildung ist wichtig, und alle, die sich hier KONSTRUKTIV einbringen, verdient Respekt und Unterstützung.
In unserer Gesellschaft wird die meiste unbezahlte Arbeit von Frauen erbracht, damit auch von ausgebildeten Lehrerinnen.
Kaum ein Mann kümmert sich um pflegebedürftige Eltern oder Schwiegereltern, die noch zu Hause bleiben wollen.
Meist, wenn die Kinder aus dem Haus sind, fängt für Frauen eben diese Sorgearbeit an.
Der Ärger über den besagten Samstagsbrief spricht aus jeder Zeile. Trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - ist die Replik erheblich gehaltvoller als der Ausgangsartikel.