Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem Gegenschlag in Gaza tritt Antisemitismus in Deutschland stärker zutage. Er macht auch vor Schulen nicht Halt.
An der Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) bereitet der deutschlandweit einzigartige Zusatzstudiengang "Antisemitismuskritische Bildung für Unterricht und Schule" angehende Lehrkräfte auf den Umgang mit Antisemitismus vor. Leiterin Ilona Nord, Professorin für evangelische Theologie, über Judenfeindlichkeit an Schulen und wie ihr zu begegnen ist.
Prof. Ilona Nord: Er ist stärker und sichtbarer geworden. Seit dem 7. Oktober ist eine Polarisierung zu beobachten, auch in den Schulen wird entlang der verhärteten Argumentationslinie "pro oder kontra Israel" debattiert. Bildung sollte dafür sorgen, dass dieser Fragekomplex aufgepackt wird. Die Debatten um den Nahostkonflikt hier in Deutschland lenken von einer wichtigen Sache ab: Wir müssen uns eingestehen, dass es Antisemitismus bei uns als gesellschaftliches Phänomen und deshalb auch an den Schulen gibt. Neu ist das Thema allerdings nicht.
Nord: Auf dem Schulhof, im Klassen- oder Lehrerzimmer als Äußerungen, die antisemitisch sind. Die häufig keinen Sachbezug haben, sondern einfach so als Ausspruch gemacht werden. Es wird in den Schulen auch über den Krieg Israels gegen die Hamas diskutiert, und man denkt dabei vor allem an die Zivilbevölkerung. Ich glaube, diese Diskussion ist sehr präsent für Schüler und Schülerinnen, wenn sie aus dem muslimischen oder jüdischen Kontext kommen – oder wenn diese Frage in Familien diskutiert wird. Oft fehlt für antisemitische Äußerungen aber jeder Kontext.
Nord: Es gibt einen Antisemitismus in Deutschland, den man nicht allein auf die Migrationsgesellschaft beziehen kann, also muslimische Haushalte zum Beispiel. Es gibt genauso Leute, die schon immer und über Generationen in Deutschland gelebt haben und die antisemitische Argumentationsmuster, Geschichten und Stereotype verbreiten.
Nord: Ich denke, sehr viele sind unsicher, wann sie eingreifen und welche Äußerungen sie als antisemitisch deklarieren und in der Schulgemeinde öffentlich machen sollten. Man schreckt davor zurück, aus einem Ausspruch eine größere Sache zu machen. Gerade jetzt ist es aber notwendig, Grenzüberschreitungen ganz klar zu unterbinden und keine Kulanz zu zeigen. Ich glaube, dass Lehrerinnen und Lehrer aufgrund ihrer pädagogischen Kompetenzen grundsätzlich gut gerüstet sind. Sie kennen Konfliktmanagement und wissen mit schwierigen Fragen im Schulalltag umzugehen.
Nord: Intervention und Prävention hängen nicht am detaillierten Wissen zur Shoah. Die Ermordung von Millionen Menschen, die geplante Ausrottung von Jüdinnen und Juden in Europa – das genügt, um zu erkennen, was Antisemitismus ist. Natürlich ist es gut zu wissen, welche Formen es gibt – Israel-bezogenen oder historischen Antisemitismus oder den Antijudaismus aus dem Christentum. In unserem Studiengang vermitteln wir viele Fachkenntnisse. Aber sie allein nützen nichts. Sie müssen bezogen sein auf die Anforderungen im Schulalltag.
Nord: Wenn Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler oder Eltern davon Kenntnis erhalten, ist vor allem eine klare Benennung wichtig – also der deutliche Hinweis, dass diese Aussage antisemitisch ist. Damit sagt man nicht, dass ein Schüler oder eine Schülerin antisemitisch ist. Aber die Äußerung ist es. Was noch hilft: Die Themen, die zum Antisemitismus aufgeworfen werden, im Unterricht zu behandeln. Ein Lehrer aus Marktheidenfeld hat mir berichtet, dass er mit seinen Schülern antisemitische Postings in sozialen Medien behandelt.
Nord: Es sollte verhindert werden, dass solche Inhalte damit noch weiterverbreitet werden und paradoxe Effekte entstehen: Also Leute sich das immer wieder anschauen, im Kopf behalten und denken, da könnte vielleicht doch etwas dran sein. Was hilft, sind die klare Analyse, wo es Grenzüberschreitungen zum Antisemitismus gibt, und die Identifizierung von Falschnachrichten.
Nord: Natürlich, bewussten und unbewussten Antisemitismus. Dass Allererste für Bildungseinrichtungen ist ein Eingeständnis, dass es Antisemitismus in der eigenen Schule oder Universität gibt. Davon muss man ausgehen, weil er in der Gesellschaft flächendeckend verbreitet und historisch verankert ist. Das Bestreben, sich von Antisemitismus frei sprechen zu wollen, ist eine Falle. Stattdessen sollte man proaktiv dagegen angehen. Viel Antisemitismus ist im Schweigen vorhanden.
Nord: Es ist ein dreisemestriger Zusatzstudiengang mit Grundlagen zum Antisemitismus, aber auch zum Nahostkonflikt und seiner Behandlung in der Schule. Es geht außerdem um die christliche Beteiligung am Antisemitismus und dessen Geschichte in Deutschland und Europa. Im zweiten Semester werden diese Kenntnisse auf die Schule bezogen, zum Beispiel mit kollegialer Fallberatung. Ebenso spielt die Prävention eine Rolle. Im Abschlusssemester erfahren die Studierenden noch mehr über die emotionalen Belastungen, denen Jüdinnen und Juden in der Gegenwart ausgesetzt sind. Weiterer Schwerpunkt sind die digitalen Medien und ihre Möglichkeiten, gegen Antisemitismus vorzugehen.
Nord: Für die Würzburger Unileitung ist das ein sehr wichtiges Thema. Es wird proaktiv gearbeitet, jüdische Studierende werden zum Gespräch eingeladen. Aber das ist – soweit ich weiß –auch Neuland. Vor dem 7. Oktober gab es noch keine institutionalisierten Gespräche darüber, wie jüdische Studierende an der JMU gut geschützt werden können. Die Hochschulleitung ist sehr aufmerksam und sorgsam. Außerdem unterstützt sie strukturelle Maßnahmen wie eben unseren Studiengang. Doch wir wissen alle, dass noch einiges mehr getan werden muss: in der Lehre wie in der Leitung der Universität.
warum soll ich wen noch glauben?
Ich sagte ja nur, dass in Religionslehre auch andere Religionen den Kindern näher gebracht werden und mehr nicht!
Und eine CSU ist Christlich und Sozial in ihrem Tun.