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Würzburg
Politische Anfeindung und Hate Speech auf dem Pausenhof: Wie Würzburger Schulen Rassismus und Antisemitismus begegnen
Nahost-Konflikt und weitere Krisen machen den Alltag an Würzburger Schulen konfliktreicher. Wie die Lage ist und wie Lehrer und Schulleiter versuchen, Aufklärung zu betreiben.
Politische Anfeindungen gibt es leider auch auf Würzburgs Schulhöfen. Lehrkräfte und Schulleitungen tun viel, um dem entgegenzuwirken.
Foto: Ivana Biscan | Politische Anfeindungen gibt es leider auch auf Würzburgs Schulhöfen. Lehrkräfte und Schulleitungen tun viel, um dem entgegenzuwirken.
Katja Glatzer
 und  Paula Breukel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 16:50 Uhr

Über 20 Schulen in der Stadt Würzburg und weitere im Landkreis setzen sich für Toleranz, Gemeinschaft, Demokratie und gegen Diskriminierung ein und tragen das Siegel "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage". Andere sind gerade dabei es zu werden.

Doch bedrückende Bilder aus Israel und dem Gazastreifen, die Flüchtlingskrise und ein Erstarken der AfD in Deutschland belasten Schüler und Schülerinnen oft emotional und können Angst und Hass schüren. Auch auf Würzburgs Pausenhöfen macht sich das zum Teil bemerkbar, wenn sich Kinder und Jugendliche mit politischen Anfeindungen oder auch Antisemitismus auseinandersetzen müssen.

So berichtet zum Beispiel die fast 16-jährige Schülersprecherin eines Würzburger Gymnasiums, dass es auf dem Pausenhof manchmal fremdenfeindliche Bemerkungen gebe, "auch, wenn dies oftmals im Spaß gemeint ist". Sie selbst habe aufgrund ihrer Hautfarbe Anfeindungen und rassistische Beleidigungen erfahren müssen, schildert sie, auch das N-Wort sei dabei gefallen. Das verletze sie sehr.

Hänseleien auf dem Pausenhof

In ihrem Amt als zweite Schülersprecherin sei sie aktuell dabei, ein Projekt zu Rassismus und Diskriminierung an ihrer Schule zu planen. "Von antisemitischen Beleidigungen an unserer Schule habe ich aber nichts mitbekommen", so die Schülersprecherin.

Auch eine vierzehnjährige Schülerin einer Würzburger Wirtschaftsschule erzählt dieser Redaktion von ihren Erfahrungen im Schulalltag: Aktuell besuche sie die achte Klasse, auf dem Pausenhof komme es des Öfteren vor, dass diskriminierende Witze unter Mitschülern und Mitschülerinnen gemacht werden. Auch habe sie mitbekommen, dass ein palästinensischer Mitschüler Hänseleien ausgesetzt war. Das habe sie sehr getroffen. 

Sie selbst bekomme ihr Wissen über den Nahost-Konflikt auf Social Media-Plattformen, zum Beispiel TikTok. Die Nachrichten empfinde sie teilweise als verwirrend und würde sich wünschen, "dass es im Unterricht mehr Aufklärung und Information dazu gibt". 

Schulleiter Saurenbach: Auf TikTok fehlt das Hintergrundwissen 

Der Schulleiter des Matthias-Grünewald-Gymnasiums, Dr. Holger Saurenbach, sieht die Gefahr, dass Jugendliche sich durch kurze Videos auf TikTok über das aktuelle politische Weltgeschehen informieren. "Oft fehlt es in den Videos an Hintergründen und die Informationen prasseln regelrecht auf die Jugendlichen ein" - daher werde an seiner Schule über die Risiken der Videos informiert und Information eingeordnet. Saurenbach zeigt sich vor allem besorgt über die starke Polarisierung auf der Plattform.

Er nehme, so der Schulleiter, "auch scherzhaft gemeinte Beleidigungen sehr ernst". Seiner Erfahrung nach seien jüngere Menschen oft sensibler als manch Erwachsener, was das Thema Diskriminierung angeht. Beispielsweise habe es vor einiger Zeit eine riesige Diskussion unter Schülern und Schülerinnen gegeben, als ein Schüler anstelle von "Schokokuss" den veralteten Begriff "Mohrenkopf" verwendet habe, ohne sich der negativen Konnotation des Begriffes "Mohr" bewusst zu sein, erzählt Saurenbach.  

Schule ohne Rassismus: In der Stadt Würzburg tragen bereits über 20 Schulen das Siegel, weitere im Landkreis. Hier das Logo von Graffiti ummalt in einem Buswartehäuschen in Oberfranken. 
Foto: Bernd Schick | Schule ohne Rassismus: In der Stadt Würzburg tragen bereits über 20 Schulen das Siegel, weitere im Landkreis. Hier das Logo von Graffiti ummalt in einem Buswartehäuschen in Oberfranken. 

Ein Lehrer an einer Mittelschule im Landkreis Würzburg indes berichtet, dass "Du Jude" auf dem dortigen Pausenhof in der letzten Zeit zum häufiger gebrauchten Schimpfwort geworden sei. "Auch Asylant oder Hurensohn sind Ausdrücke, die immer wieder zu hören sind." Der Lehrer sieht sich und seine Kollegen und Kolleginnen in der Pflicht, den Schülern deutlich zu machen, dass dies kein Umgang miteinander ist: "Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Schimpfwörter salonfähig gemacht werden, auch nicht, wenn manche vielleicht im Spaß gesagt werden."

Würzburger Lehrer sieht Redebedarf von Schülern und Schülerinnen als enorm hoch

Zum Thema Nahost-Konflikt hat der Würzburger Lehrer eine klare Haltung: "Unsere Aufgabe ist es, mit den Schülern und Schülerinnen darüber zu sprechen, Fragen zu beantworten und Dinge einzuordnen, gleichzeitig darf es kein Überstülpen einer Meinung sein." Es gebe viele muslimische Kinder an seiner Schule und häufiger würden vorgefertigte Meinungen von Zuhause mitgebracht, "ich sehe aber auch, dass seitens der Kinder der Redebedarf enorm hoch ist".

Umso wichtiger sei die Wissensvermittlung an der Schule. "Wenn es dazu verhilft, dass Schüler oder Schülerinnen durch das neu erworbene Wissen keine extreme Haltung mehr entwickeln, dann ist doch schon viel gewonnen", so der Mittelschullehrer.

Gespräche führen und vor allem die Fragen der Schüler und Schülerinnen beantworten, das sieht auch Gudrun Reinders, Kreisvorsitzende Würzburg des Bayerischen Lehrerverbands (BLLV), als Aufgabe der Lehrkräfte. Reinders arbeitet an der Gustav-Walle-Mittelschule an der Lindleinsmühle, es seien - so schildert sie - nach dem Angriff der Hamas auf Israel viele Diskussionen entstanden, zumal auch hier viele muslimische Kinder die Schule besuchen, die in der Gaza-Krise eher nach Palästina orientiert seien.

Dennoch: Es sei nie zu größeren verbalen Konflikten oder gar Handgreiflichkeiten gekommen, so Reinders. Als Grund für ein gutes Miteinander an der Schule sieht sie auch, "dass bei uns 80 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben, für sie ist es normal, täglich eine Vielfalt an Nationen zu erleben".

27 verschiedene Nationen an der Mittelschule am Heuchelhof

Ähnlich am Heuchelhof an der dortigen Mittelschule in der Berner Straße. "Wir haben 27 verschiedene Nationen an der Schule und verschiedene Religionen", so Konrektorin Claudia Bartel. Beispielsweise über die Kindernachrichten Logo werde den Kindern die aktuelle Weltlage nahegebracht. Es sei wichtig zu erklären, welche Nachrichten-Quellen verlässlich und objektiv sind. Für ihre Schule sei auch die Erinnerungskultur an den Zweiten Weltkrieg sehr wichtig.

Schon aufgrund des jüdischen Namensgebers ihrer Schule, fühlt sich die Direktorin der David-Schuster-Realschule, Elisabeth Schässburger, dem Judentum besonders verbunden und sieht es als ihre Aufgabe über Antisemitismus aufzuklären. Im jüdischen Gemeinde- und Kulturzentrum Shalom-Europa trafen ihre Schüler und Schülerinnen erst vor einigen Tagen auf Oded Zingher, der durch seine israelisch-palästinensische Herkunft den aktuellen Konflikt auf eine verständliche Weise vermitteln konnte. Sowohl Zingher als auch Schässburger sehen eine Gefahr in ungefilterten Informationen aus dem Internet.

Traurig sei, dass aufgrund der aktuellen Situation dieses Jahr der deutsch-israelische Schüleraustausch ihrer Schule abgesagt werden musste, so die Konrektorin. Der Kontakt zwischen den Schülern würde online fortgeführt, dies schaffe eine emotionale Nähe zu den Geschehnissen.

Budget für Erinnerungskultur im städtischen Haushalt

Schulbürgermeisterin Judith Roth-Jörg informierte, dass im städtischen Haushalt ein Budget für Erinnerungskultur eingestellt sei. Schulen bekämen so Fahrten, beispielsweise für den Besuch der Gedenkstätten Dachau oder Buchenwald, finanziell unterstützt.

Die Stadt versuche auch bei Gedenkfeiern- und tagen wie beispielsweise dem 16. März Schulen miteinzubeziehen. Auf keinen Fall, so Roth-Jörg, dürfe das Wort Jude an deutschen oder Würzburger Schulen zu einer Art Schimpfwort gemacht werden: "Das ist nicht tolerierbar." Positiv hob Roth-Jörg den jährlichen "Bunten Tisch" hervor, dort kämen Vertreter der Schulen ohne Rassismus zusammen, um sich zu vernetzen und auszutauschen.

 
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  • Roland Rösch
    Schön und gut aber es geht halt immer mehr Zeit weg um den Lehrstoff zu lernen wo der immer schwerer und Stressiger für die Schüler ist.
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  • Roland Rösch
    Was müssen Schule und Lehrer noch leisten. Ist das nicht Aufgabe von den Eltern? Ich geh doch in die Schule zum lernen eines vorgegebenen Lehrplans und nicht das die Lehrer mich erziehen müssen . Da wundert es nicht wenn unsere Kinder verdummen und Lehrpläne hinterher hinken oder im Eiltempo durchgezogen werden.
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  • Ulrike Schupp
    Zum einen gebe ich Ihnen recht, die Lehrer müssen wirklich inzwischen sehr viel leisten. Aber andererseits müssen die Schulen ja reagieren, wenn sie Diskriminierung oder Beschimpfungen im Unterricht oder Pausenhof mitbekommen. Und da finde ich sehr beeindruckend, wie viele Gedanken man sich in den Schulen macht und wie engagiert man sich all diesen Aufgaben stellt.
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