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Würzburg/Schweinfurt
Ampel oder Jamaika: Was können FDP und Grüne ihrer Basis zumuten?
Ob künftig die SPD oder die Union den Kanzler stellt, hängt von den Juniorpartnern ab. Was können sich Grüne und Liberale in Unterfranken vorstellen? Ein erstes Stimmungsbild.
Wird Deutschland bald von einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP regiert - oder kommt die Union doch noch zum Zug? Die Parteispitzen halten sich mehrere Optionen offen.
Foto: SymbolJulian Stratenschulte, dpa | Wird Deutschland bald von einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP regiert - oder kommt die Union doch noch zum Zug? Die Parteispitzen halten sich mehrere Optionen offen.
Benjamin Stahl
 und  Jonas Keck
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:09 Uhr

Sowohl die SPD als auch die Union würden nach der Bundestagswahl gerne ein Dreierbündnis mit Grünen und FDP schmieden. Vorab wollen nun die beiden Juniorpartner ohne die möglichen Kanzlerparteien sprechen. Das haben Grünen-Chef Robert Habeck und FDP-Chef Christian Lindner bereits erklärt. Beide Parteispitzen in Berlin halten sich damit sowohl die Jamaika-Koalition unter Unions- als auch die Ampel-Koalition unter SPD-Führung offen. Doch wären beide Optionen auch der jeweiligen Parteibasis zu verkaufen?

Konstantin Mack sitzt für die Grünen im Würzburger Stadtrat und hat einen klaren Favoriten: "Ich habe für eine progressive Mehrheit gekämpft, die sehe ich mit der Ampel verwirklicht", sagt er. Das Ergebnis der CDU käme einer Abwahl gleich. Die Union verhalte sich "so diffus, dass man gar nicht mehr weiß, wofür sie steht". Viele Ziele der Klimapolitik seien mit einer Regierungsbeteiligung dieser Partei nicht zu erreichen. Mehr Gemeinsamkeiten haben die Grünen Mack zufolge mit der SPD. Vor allem in sozialen Fragen, beispielsweise nach der Höhe des Mindestlohns, lägen die beiden Parteien deutlich enger beieinander.

Neue Gesichter und anderer Regierungsstil

Diese Einschätzung teilt Nicolas Lommatzsch aus Schweinfurt. Er war Direktkandidat der Grünen im Wahlkreis Schweinfurt-Kitzingen und spricht sich ebenfalls für eine Ampel-Koalition aus. "Das würde den Wählerwillen am besten widerspiegeln, weil mit den Grünen, SPD und FDP die Parteien in der Regierung vertreten wären, die bei der Wahl Zugewinne verbuchen konnten", so Lommatzsch. Neue Gesichter und eine andere Art des Regierens täten dem Land ihm zufolge gut. In der Opposition hätte die Union die Gelegenheit, "sich erneuern zu können".

Nicolas Lommatzsch kandidierte im Wahlkreis Schweinfurt-Kitzingen für die Grünen.
Foto: Anand Anders | Nicolas Lommatzsch kandidierte im Wahlkreis Schweinfurt-Kitzingen für die Grünen.

Lommatzschs Wahrnehmung nach tendiere die Mehrheit der Grünen-Basis zur Ampel. Eine Jamaika-Koalition hält er dennoch für denkbar: "Wenn es ein gutes Angebot der CDU gibt, ist das nicht ausgeschlossen."

Während bei den Grünen die Ampel die Wunschkoalition ist, hält man bei der FDP weiter der Union die Stange: "Mir wäre Jamaika lieber", sagt Karl Graf von Stauffenberg aus Irmelshausen (Lkr. Rhön-Grabfeld). Er kandidierte im Wahlkreis Bad Kissingen für die FDP und hätte sich eine "klare liberal-bürgerliche Mehrheit" gewünscht. Jetzt brauche es "eine Koalition der Lösungen" – am liebsten unter einem Kanzler Armin Laschet.

"Wir haben einen sozial-liberalen Flügel, der sich mit einer Ampel anfreunden könnte."
Karl Graf von Stauffenberg, FDP

"Ich finde Olaf Scholz nicht so toll wie viele andere", so Stauffenberg. Und dann seien da ja auch noch  die SPD-Vorderen aus dem linken Parteiflügel: Norbert Walter-Borjans, Saskia Esken oder Kevin Kühnert. Mit Blick auf dieses Personal stelle sich die Frage, "ob sich die SPD hinbewegen lässt zu einem wirtschaftlich sinnvollen Koalitionsvertrag". Dennoch sei eine Ampel-Koalition Stauffenberg zufolge nicht ausgeschlossen: Zwar sei ein Großteil in der Bayern-FDP für Jamaika. "Aber wir haben auch einen sozial-liberalen Flügel, der sich mit einer Ampel anfreunden könnte."

Karl Graf von Stauffenberg , FDP-Politiker aus Irmelshausen (Lkr. Rhön-Grabfeld)
Foto: Michael Petzold | Karl Graf von Stauffenberg , FDP-Politiker aus Irmelshausen (Lkr. Rhön-Grabfeld)

Auch Lucas von Beckedorff, Vorsitzender der Jungen Liberalen (Julis) in Unterfranken, will kein Bündnis ausschließen. Im Gegenteil: "Grundsätzlich kann ich mir beides vorstellen und das geht wohl den meisten Julis so", sagt er. Auch in der Parteijugend gebe es "einige mit einem sozial-liberalen Schwerpunkt".

Grüne und FDP könnten gut miteinander

Wichtig sei den Julis, "dass es keine Verlängerung der aktuellen Politik gibt". Viele junge Leute im Land seien "ungeduldig, weil viel Stillstand geherrscht hat, zu wenig und zu langsam modernisiert wurde". Sie wollten "ihr Leben selbst in die Hand nehmen und nicht warten, bis der Staat etwas tut", so von Beckedorff. Da sei es "nachvollziehbar, dass sich viele bei der FDP wiederfinden", ergänzte er mit Blick auf das gute Abschneiden der Liberalen unter Erstwählern. Hier hatte die FDP mit 23 Prozent die meisten Stimmen geholt.

Dass FDP und Grüne gut miteinander könnten, darin sind sich die Befragten einig. Beide Parteien hätten nun den Vorteil, für eine Mehrheit gebraucht zu werden, sagen sie. Man habe ähnliche Auffassungen von Bürgerrechten und beide Parteien würden für eine liberale Gesellschaft eintreten, heißt es bei den Grünen. Groß seien hingegen die Gräben hinsichtlich der Steuerpolitik, wie der gelernte Bankkaufmann Lommatzsch betont. Er sei aber optimistisch, dass diese überwunden werden können.

Unterschiede gibt es Grünen-Stadtrat Mack zufolge auch bei den Ansätzen zum Erreichen von Klimazielen. Die Grünen setzten auf "staatliche Weichen", während die Liberalen von einer Selbstregulierung des Marktes ausgehen würden.

Was Zukunftsthemen, wie "Klimaneutralität oder Digitalisierung angeht, sind wir uns im Ziel einig", ist Juli-Chef von Beckedorff überzeugt. "Nur der Weg dahin könnte schwierig werden." Dennoch könne er sich vorstellen, dass gemeinsam mit den Grünen eine modernere Politik möglich sei. 

Auch der 50-jährige Karl Graf von Stauffenberg hat mit einem Großteil der Grünen keine Berührungsängste – vor allem nicht mit Leuten wie der Bundestagsabgeordneten Manuela Rottmann aus Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen). Dass Grün und Gelb zusammenarbeiten, das sei der FDP-Basis jedenfalls vermittelbar, ist sich von Stauffenberg sicher. Vor allem unter Unionsführung.

 
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  • I. F.
    @klafie: "Italienische Verhältnisse"...

    ...werden wir in dieser ausgeprägten Form (über 60 Regierungen seit 1945) hoffentlich nicht bekommen.
    Aber klar ist auch: Die Zeiten der 2 großen Volksparteien mit absoluten Mehrheiten für eine Seite sind (Bundesweit) definitiv vorbei.
    Eine Europäisierung des Wahlrechts wird mittel- bis langfristig wohl nicht ausbleiben.

    Da die Ränder des Polit-Spektrums sich immer mehr durch entsprechende Parteien herausbilden, kann eine einzelne Partei nicht mehr die sog. "Mitte" alleine besetzen.
    Das dies nicht mal mehr eine Union von 2 Parteien schafft, hat diese Wahl gezeigt.

    Diesmal haben 3 Parteien Wählerstimmen dazu gewonnen. Diese haben m.M.n. den Auftrag vom Wähler bekommen,eine handlungsfähige Regierung zu bilden.

    Würde die Partei mit den stärksten Stimmenverlusten noch mitregieren oder gar den Kanzler stellen, wird der Wählerwille auf den Kopf gestellt.
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  • R. B.
    Die Fakten sind doch: Die Union hat krachend verloren. In allen Umfragen wurde Laschet als Kanzler abgelehnt. Scholz hat mit der SPD deutlich zugelegt, ebenso Grüne und FDP. Die drei Gewinner müssen sich nun zusammenraufen und für Deutschland, Europa und ja, auch für unsere Welt die Zukunft gestalten. Das ist der Wähler*innenwille! Wenn Grüne und FDP nun Laschet zum Kanzler machen, dann würden sie aus meiner Sicht aus reinem Eigennutz, gegen den Wähler*innenwillen handeln und der Politikverdrossenheit Vorschub leisten
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  • S. T.
    Main-Post: Zwei männliche Journalisten befragen nur männliche Politiker???? Was soll das ? Absicht oder Versehen????? Beides finde ich überhaupt nicht in Ordnung, weder up-to-date noch guter ausgewogener Journalismus!!!
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  • M. F.
    Wie wärs mit einer Rot-Grünen Minderheitsregierung?
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  • I. F.
    @Mainkommentar: Das wäre...

    ...bei den anstehenden dringenden Aufgaben (Klima, Corona, Digitalisierung usw.) die schlechteste aller Möglichkeiten!
    Schwarz und Gelb werden dann alles blockieren was nicht in ihr Schema passt.

    Ich sehe es wie terrain: Rot, Grün und Gelb haben gemeinsam die Wahl gewonnen!
    Diese Parteien müssen die Chance bekommen sich zu einer belastbaren und zukunftsträchtigen Regierungskoalition zusammen zu finden.
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  • K. F.
    hallo? wissen sie ob erstlinge grün oder sonst was gewählt haben? sicher ist nur dass die cdu einmal einen dämpfer gebraucht hat und sich nun für 4 jahre erholen kann auf der oppositionsbank! wäre ja wohl eulen nach athen getragen, wenn fdp oder die grünen mit der cdu zusammengingen, dann hätte man den bock zum gärtner gemacht. denke auch mal, dass egal welche koalition keine 4 jahre durchhält, da bei jeder partei zuviel verschiedene strömungen zusammenkommen! italienische verhältnisse in zukunft auch in deutschland?
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Erstwähler oder Naivlinge. Wir werden es bezahlen müssen mit exorbitant hohen Spritkosten. Bleibt nur das Geld über andere Wege wieder zu holen grinsen
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  • L. W.
    @ Marder....

    Dumpfe Dauer-Rechtswähler wollen die Zeichen der Zeit absolut nicht erkennen. Der Weg, den sie gehen wollen führt in den ökologischen Abgrund, da alle wissenschaftlichen Erkenntnisse geleugnet werden.
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