Auch am Tag nach der Entscheidung über das Würzburger Direktmandat für den Bayerischen Landtag schien noch ein Hauch der Spannung des vorangegangenen Abends in der Luft zu liegen. Rund vier Stunden lang hatten sich am Sonntag nach 18 Uhr die favorisierten Direktkandidierenden Andrea Behr (CSU) und Patrick Friedl (Bündnis 90/Die Grünen) ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert. Am Ende hatte Behr die Nase vorn.
Sowohl auf Friedl wie auch auf Behr hatte ein starker Erwartungsdruck gelastet. Friedl sollte den Triumph von 2018 wiederholen, als er dem CSU-Abgeordneten Oliver Jörg das Direktmandat abgenommen hatte. Behr dagegen hatte nicht nur die Scharte von damals auszuwetzen, sie sollte auch verhindern, dass sich die CSU dauerhaft mit Platz zwei in Würzburg begnügen muss.
Würzburger CSU hofft auf Rückenwind für die nächsten Wahlen
Am Montag ist Andrea Behr tagsüber telefonisch nicht zu erreichen, dafür äußert sich Christine Bötsch. "Es war tatsächlich ihr Fleiß. Sie war viel bei den Menschen unterwegs und hat sich auch um kleine Dinge gekümmert", lobt die CSU-Kreisvorsitzende die frisch gewählte Landtagsabgeordnete. Einen Grund für den Erfolg sieht sie auch in der Geschlossenheit der Würzburger CSU: "Wir haben es geschafft, zusammenzuhalten und als Team aufzutreten."
Ihr Fazit für kommende Wahlen: "Es ist ganz wichtig, nicht abgehoben zu sein und immer zu wissen: Wer entscheidet am Ende? Das sind die Bürgerinnen und Bürger." Dass die CSU in Würzburg zulegen konnte, sieht Bötsch als gutes Zeichen: "Das wird uns auch Rückenwind für die nächsten Wahlen geben." Die wichtigste Wahl (nach der Europawahl 2024) steht 2026 an: Dann geht es um den Würzburger Stadtrat, wo die CSU zurzeit nur die zweitstärkste Fraktion nach den Grünen stellt.
Welche Themen für die neue CSU-Abgeordnete in München eine Rolle spielen sollten? "Wichtig sind für Würzburg Wissenschaft und Wirtschaft", sagt Bötsch. Aber auch Migration, Klima und soziale Belange wie die Lage von Pflegeeinrichtungen oder der Geriatrie seien von großer Bedeutung, das habe sich im Wahlkampf immer wieder gezeigt.
Friedl hofft beim Klima auf Zusammenarbeit mit anderen Parteien
Am Tag nach der Landtagswahl ist Patrick Friedl positiv gestimmt. Auch wenn er das Direktmandat für die Stadt mit 29,8 zu 33 Prozent an Andrea Behr (CSU) verloren hat, "haben mir die Würzburger ihr Vertrauen geschenkt und mir einen Arbeitsauftrag erteilt". Er gehe somit gestärkt seine Oppositionsarbeit im Bayerischen Landtag an. Besonders im Klimaschutz möchte der 53-Jährige seine Themen weiter voranbringen.
Es sei keine Übertreibung zu sagen, "dass unsere Generation jetzt handeln muss, um für die Zukunft den Weg in eine 'unkontrollierte Heißzeit' zu verhindern", so Friedl. Diese Mammutaufgabe sei nur gemeinsam zu bewältigen, alle Parteien müssten an einem Strang ziehen. Sorge bereitet Friedl, dass eine demokratische Partei wie die FDP nicht mehr im Parlament vertreten sei, dafür aber die Rechten durch die Zugewinne der AfD vermehrt Einzug hielten.
Grünen-Kreisvorsitzende Simone Artz will Soziales mehr in den Fokus rücken
Zwar sei am Wahlabend die Enttäuschung, dass Friedl das Direktmandat knapp verpasste, groß gewesen, "nach unserer Analyse am Morgen nach der Wahl gehen wir aber gestärkt hervor", findet die Grünen-Kreisvorsitzende Simone Artz. Entgegen dem Trend, dass die Grünen einige Prozentpunkte verlieren, "sind wir hier gleich geblieben und konnten sogar noch 0,1 Prozent dazu gewinnen".
Was die AfD betrifft, sagt sie: "Da müssen wir uns genau anschauen, wo Wählerwanderungen stattgefunden haben und wo wir die Menschen durch Gespräche noch mehr ins Boot holen können." Dabei spielten auch soziale Themen eine Rolle, mit denen sich die Grünen neben den dringenden und wichtigen Klimathemen in Zukunft mehr beschäftigen müssten.
Für die SPD wird es in Bayern nicht besser
Die SPD hatte es in Bayern nie leicht, derzeit ist die Lage aber so schwierig wie nie zuvor. Das sieht auch SPD-Direktkandidat Alexander Kolbow so, auch wenn er mit 10,8 Prozent und sein Genosse Volkmar Halbleib mit 11,5 Prozent im Land-Stimmkreis etwas über dem Bayern-Durchschnitt (8,4 Prozent) lagen: "Es wird in Bayern nicht besser. Klar ist: Wir konnten uns gegen den Bundestrend und den Bayerntrend mit unseren Themen nicht durchsetzen." Gründe? "Wir hören auf die Bürgerinnen und Bürger, wir sind nah an ihnen dran, aber offenbar nimmt man uns diesen Eindruck nicht ab." Dennoch habe sich die SPD nichts vorzuwerfen: "Wir wollen uns mit den Werten, die wir haben, nicht verbiegen."
Mit Blick auf das Erstarken des rechten Randes müsse es das Ziel sein, "wieder eine Politik machen, von der die Bürgerinnen und Bürger uns auch glauben, dass es ihre Politik ist". Diese Frage müssten sich alle demokratischen Parteien stellen: "Mein Ziel ist es, mit den anderen Parteien darüber ins Gespräch zu kommen."