zurück
Würzburg
Akuter Personalmangel bedroht ambulante Pflege in Unterfranken
Bundesweit fehlt ambulanten Pflegediensten Personal. Auch in Unterfranken müssen zum Teil Anfragen abgelehnt werden. Die Situation werde sich zuspitzen, warnen Experten.
Bundesweit fehlt ambulanten Pflegediensten Personal (Symboldbild). Auch in Unterfranken mussten bereits Sozialstationen geschlossen werden.
Foto: Paul Hahn/Johanniter | Bundesweit fehlt ambulanten Pflegediensten Personal (Symboldbild). Auch in Unterfranken mussten bereits Sozialstationen geschlossen werden.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:56 Uhr

Im Alter zu Hause leben und dort gepflegt werden – das könnte für Menschen in der Region künftig immer schwieriger werden. Denn ambulanten Pflegediensten mangelt es massiv an Personal, wie eine bundesweite Erhebung des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) zeigt. Demnach sind bei etwa der Hälfte der mehr als 500 befragten Dienste Stellen unbesetzt. Die große Mehrheit musste in den vergangenen drei Monaten Betreuungsanfragen ablehnen. Auch in Unterfranken ist die Situation laut Experten "teilweise dramatisch".

"Wir haben unzählige Anfragen von Kunden, die zum Teil verzweifeln – aber wir müssen sie abweisen", sagt Ulrike Hahn, Bereichsleiterin Senioren und Reha beim AWO Bezirksverband Unterfranken. "Das geht so nicht mehr." Erst im Sommer habe man einen ambulanten Pflegedienst in Wörth am Main (Lkr. Miltenberg) schließen müssen, da Mitarbeiter fehlten. Jetzt betreibt die AWO noch fünf ambulante Dienste: in Würzburg, Marktbreit, Schwebheim, Bad Brückenau und Bad Kissingen. In der Kurstadt allerdings seien Klienten angeschrieben worden, "dass wir sie nicht mehr versorgen können, weil wir kein Personal haben".

"Wenn wir einer 85-Jährigen, die alleine lebt, erzählen müssen, dass wir nicht mehr kommen können, weil sie zu weit weg ist – das ist hart."
Ulrike Hahn, Bereichsleiterin Senioren und Reha beim AWO Bezirksverband Unterfranken

Schuld seien einerseits die generell unattraktiven Arbeitsbedingungen in der ambulanten Pflege, mit Schichten früh am Morgen und spät am Abend oder einer "oftmals bescheidenen Bezahlung". Vor allem aber mache kleinen Anbietern der "enorme Bürokratieaufwand" zu schaffen, sagt Hahn. Die akute Personalnot wird sich aus Sicht der AWO-Bereichsleiterin künftig verschärfen. "Kleine Dienste werden schließen, Patienten alleine dastehen." Schon heute rentiere es sich finanziell kaum noch, weite Strecken aufs Land zu fahren, sagt Hahn. "Wenn wir einer 85-Jährigen, die alleine lebt, erzählen müssen, dass wir nicht mehr kommen können, weil sie zu weit weg ist – das ist hart."

"Das wird sich noch weiter zuspitzen", warnt Jochen Keßler-Rosa, Vorstand des Diakonischen Werkes Schweinfurt und Sprecher der Diakonie Unterfranken. Bereits jetzt sei die Situation "teilweise dramatisch": Menschen, die aus dem Krankenhaus entlassen werden, müssten auf der Suche nach Unterstützung zig ambulante Dienste abtelefonieren. Auch bei der Diakonie gebe es enorm viele Anfragen von Pflegebedürftigen. Und "es kommt vor, dass wir ablehnen müssen".

Pflegedienste in Unterfranken könnten nach eigenen Angaben viel mehr Mitarbeiter einstellen – wenn es sie auf dem Arbeitsmarkt gäbe. 
Foto: Jana Bauch, dpa | Pflegedienste in Unterfranken könnten nach eigenen Angaben viel mehr Mitarbeiter einstellen – wenn es sie auf dem Arbeitsmarkt gäbe. 

Die Diakonie Main-Rhön unterhält laut Keßler-Rosa zehn ambulante Pflegedienste in der Region. Im Sommer musste die Sozialstation für ambulante Dienste in Bad Kissingen geschlossen werden, unter anderem wegen Personalmangels. "Wir könnten viel mehr Mitarbeiter einstellen, wenn es sie gäbe", sagt Keßler-Rosa.

Es gibt sie aber nicht. Bundesweit fehlen rund 80 000 Pflegefachkräfte, Prognosen zufolge könnten es bis 2030 Hunderttausende sein. Gleichzeitig steigt die Zahl der Pflegebedürftigen stetig an. Allein in Bayern waren laut Pflegestatistik bereits zum Jahresende 2017 knapp 400 000 Menschen auf Pflege angewiesen. Fast drei Viertel von ihnen - 283 390 Menschen - wurden zu Hause gepflegt: 185 800 allein durch Angehörige,  97 590 zusammen mit oder durch ambulante Pflegedienste. Ein Kollaps mit Ansage?

Pflegedienste in Unterfranken würden gerne mehr Personal einstellen

"Letztendlich wird das dem Staat auf die Füße fallen", sagt Daniel Dorn, Geschäftsführer des privaten Pflegedienstes Soleo Aktiv in Würzburg. "Patienten, die eigentlich noch zu Hause leben wollen, finden keine ambulante Hilfe – aber Plätze in stationären Einrichtungen gibt es auch nicht." Von seinen 60 Mitarbeitern seien etwa 30 im ambulanten Dienst tätig. Täglich gebe es dort neue Patientenanfragen, sagt Dorn. "Wir könnten demnach deutlich mehr Personal einstellen – aber es bewirbt sich keiner."

Im Frühjahr hat sich das Bayerische Rote Kreuz aus der ambulanten Pflege in Würzburg verabschiedet und seine Sozialstation geschlossen. Betroffen waren rund 80 Pflegebedürftige.
Foto: Johannes Kiefer | Im Frühjahr hat sich das Bayerische Rote Kreuz aus der ambulanten Pflege in Würzburg verabschiedet und seine Sozialstation geschlossen. Betroffen waren rund 80 Pflegebedürftige.

Die gleiche Misere beschreiben die Johanniter in Unterfranken. "Uns fehlen Fachkräfte und selbst Hilfskräfte sind schwer zu finden", sagt Johanna Zdebik, Pflegedienstleiterin der Sozialstation der Johanniter in Würzburg. Und genau aus diesem Grund hat das Bayerische Rote Kreuz (BRK) im Frühjahr seine Sozialstation in Würzburg geschlossen und die ambulante Pflege dort eingestellt.

Er sei erschüttert, sagt Diakonie-Vorstand Jochen Keßler-Rosa, "wie lange die Politik gebraucht hat, um das Problem ernst zu nehmen". Einige Ideen und Ansätze von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seien zwar gut. "Sie kommen aber zehn Jahre zu spät." 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Schweinfurt
Susanne Schmitt
Ambulanz
CDU
Diakonie
Fachkräfte
Gesundheitsminister
Jens Spahn
Jochen Keßler-Rosa
Kunden
Mitarbeiter und Personal
Neueinstellungen
Personalnot
Pflegedienste
Pflegenotstand
Rotes Kreuz
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Albatros
    Wir haben einen Hinweis zu Ihrem Kommentar: Hallo Albatros, es tut uns leid, dass Sie sich ungerecht behandelt fühlen. Wir prüfen jeden einzelnen Kommentar, von Ihnen wie auch von "Lebenhan". Herzliche Grüße aus der Online-Redaktion
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Albatros
    Wir haben einen Hinweis zu Ihrem Kommentar: Hallo Albatros, Sie haben einem anderen Kommentator unterstellt, er könne nichts und sei realitätsfern. Unsere Netiquette verbietet ausdrücklich beleidigende Beiträge und das Austragen persönlicher Streitigkeiten zwischen zwei oder mehreren Nutzern. Unser Ziel ist es nicht, Ihnen die Lust am Kommentieren zu verderben. Herzliche Grüße aus der Online-Redaktion
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Albatros
    Wir haben einen Hinweis zu Ihrem Kommentar: Hallo Albatros, wir haben Ihren Kommentar gesperrt, weil Sie darin einen anderen Kommentator beleidigen. Vielen Dank für Ihr Verständnis und herzliche Grüße aus der Main-Post Online-Redaktion
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Albatros
    Im Thema Pflege zeigt sich die Verlogenheit aller Parteien, aber auch die Gleichgültigkeit in vielen Familien. Ich frage mich nur, wo sind die Enkelkinder die am Freitag für ihre Großeltern auf die Straße gehen und dafür demonstrieren, dass diese Leute einen würdevollen letzten Lebensabschnitt erhalten. Wo sind die Spruchbänder "Friday for Grandma und Grandpa"? Fehlanzeige! Aber wenn Greta ruft und verschiedene sektenartigen Vereinigungen den Weltuntergang vorhersagen, dann geht man zu tausenden auf die Straße. Tja, die Alten haben niemanden der als Sprachrohr für sie spricht. Diese Gesellschaft sollte sich in Grund und Boden schämen, für Millionen von Menschen sind wir bereit Hilfe zu leisten, für die eigenen Eltern und Großeltern hält sich das mehr als in Grenzen. Die Alten sind nicht laut genug, fordern nicht kompromisslos ein, im Gegenteil, viele verzichten auf Hilfe weil sie sich nicht wie Bettler vorkommen möchten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • juergenmagic@t-online.de
    Es ist schon richtig, dass heute keiner mehr die Berufe lernen will, in denen "Man-Power" gefragt ist. Der Pflegebereich gehört sicherlich dazu. Damit wieder Personal vorhanden ist, muss dieser Beruf attraktiver werden (bessere Bezahlung, Arbeitsbedingungen, usw). Allerdings darf man nicht verschweigen, dass dann die Kosten für den Einzelnen höher werden. Wenn der Profit nicht ausreicht, werden dann die Preise für die Pflege erhöht. Der Ansatz, Angehörige bei der stationären Pflege erst ab 100.000 Euro Einkommen in die Pflicht zu nehmen, ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber wer trägt dann die Kosten? Die eh klammen Kommunen, Bezirk?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • KarinStratmann66@web.de
    @emulave. Sie sprechen mir aus der Seele.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • emulave
    Die Ressourcen dieser Solidargemeinschaft sind begrenzt. Solange wir den Anspruch verfolgen, daß in dieser Gesellschaft niemand sterben darf, weil „80 ja heute kein Alter ist und Tante Traude bisher immer kerngesund war“, dürfen wir nicht überrascht sein, wenn für die harte, aber schlecht bezahlte Arbeit in der Pflege immer weniger Menschen zur Verfügung stehen.
    Wir sehen kein Problem darin, auch hochbetagte, schwer kranke Menschen mit einem immensen Aufwand und oft äußerst fragwürdigem Ergebnis hinsichtlich der zu erwartenden Lebensqualität kurativ zu behandeln und sind dann überrascht über die hohe Anzahl pflegebedürftiger Menschen in unserer Gesellschaft.
    Eine Medizin mit Augenmaß könnte ein erster Schritt sein, denn Ethik und Kostendämpfung liegen oft näher bei einander, als mancher wahr haben mag.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lebenhan1965
    @ emulave

    Selektiv Auswahl durch Armut ist dann wohl Ihr Credo?

    Wer sich Pflege nicht privat leisten kann muss halt noch eher sterben als eh schon.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • jutta.noether@web.de
    Also das, was Sie da gerade andeuten, macht mich echt sprachlos...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Funkenstern
    solange jeder "Blindfisch" durchs Gymnasium geprügelt wird, wird sich nichts ändern. Es muss viel früher ausgefiltert werden, auch wenns die Eltern einerseits nicht wahrhaben wollen und zudem noch das Geld für die Ausbildung hinterherwerfen. Mag sein, dass das eine harte Ansicht ist, jedoch sollte man auch rechnen können. So manch Durchstudierter wundert sich nachher, dass seine Bezahlung unterirdisch ist und er das über das Arbeitsleben nicht mehr rausholt. Diese Tatsache ist häufiger, als so mancher meinen mag. Auch hier regelt sich Angebot und Nachfrage.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Michael Fischer
    Schon fast in jedem Bereich herrscht Personalmangel. Während die Hochschulen aus allen Nähten platzen gibt es in anderen Branchen Not an Personal. Die Politik hätte schon vor Jahren gegensteuern müssen. Jetzt wo überall Not herrscht will man im Ausland nach Ersatz Ausschau halten. Schon in der Schule muss dafür geworben werden das auch ohne UNI man sein Geld verdienen kann. Diese Berufe müssen auch in der Bevölkerung anerkannt werden. Wenn dies nicht bald geschieht erleben wir in Deutschland noch ein Desaster in vielen Bereichen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lebenhan1965
    @ mausi2

    Und wenn der Vordenker der AfD, Hr. Höcke, sein Programm umsetzen könnte dann wird das Problem verschärft, denn dieser will alle nicht "autochthonen Deutschen" abschieben. Wie soll die medizinische Versorgung und Pflege dann noch funktionieren?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • tommy33
    In diesem Artikel geht es nur um die Pflege und den Notstand wegen Personalmangel. Ich verstehe nicht liebe MP warum dieser Beitrag nicht gesperrt wurde? Dieser Artikel hat nichts mit der AFD noch mit Herrn Höcke zu tun! Warum dieser User hier die AfD ins Spiel bringt entbehrt jeglicher Logik und trägt keinesfalls zum Thema bei.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • al-holler@t-online.de
    Das ist für die vielleicht zu hoch -oder sie dürfen nicht, wie sie wollen ......
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lebenhan1965
    Guten Abend. In diesem Artikel geht es um Pflege und nicht um die Afd. Deshalb werden wir diesen Kommentar nicht veröffentlichen. Mit freundlichen Grüßen, Tobias Köpplinger, Main-Post
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lebenhan1965
    @ tommy

    Wenn die Situation jetzt schon bedrohlich ist und nicht genug qualifiziertes Personal zu finden , wie wäre es dann erst bedrohlich für die Pflegebedürftigen, wenn Höcke und Co aus der AfD wirklich was zu sagen hätten?

    Ich finde dieser Hinweis auf die existierende Gefahr darf veröffentlicht werden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Albatros
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten