Im Alter zu Hause leben und dort gepflegt werden – das könnte für Menschen in der Region künftig immer schwieriger werden. Denn ambulanten Pflegediensten mangelt es massiv an Personal, wie eine bundesweite Erhebung des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) zeigt. Demnach sind bei etwa der Hälfte der mehr als 500 befragten Dienste Stellen unbesetzt. Die große Mehrheit musste in den vergangenen drei Monaten Betreuungsanfragen ablehnen. Auch in Unterfranken ist die Situation laut Experten "teilweise dramatisch".
"Wir haben unzählige Anfragen von Kunden, die zum Teil verzweifeln – aber wir müssen sie abweisen", sagt Ulrike Hahn, Bereichsleiterin Senioren und Reha beim AWO Bezirksverband Unterfranken. "Das geht so nicht mehr." Erst im Sommer habe man einen ambulanten Pflegedienst in Wörth am Main (Lkr. Miltenberg) schließen müssen, da Mitarbeiter fehlten. Jetzt betreibt die AWO noch fünf ambulante Dienste: in Würzburg, Marktbreit, Schwebheim, Bad Brückenau und Bad Kissingen. In der Kurstadt allerdings seien Klienten angeschrieben worden, "dass wir sie nicht mehr versorgen können, weil wir kein Personal haben".
Schuld seien einerseits die generell unattraktiven Arbeitsbedingungen in der ambulanten Pflege, mit Schichten früh am Morgen und spät am Abend oder einer "oftmals bescheidenen Bezahlung". Vor allem aber mache kleinen Anbietern der "enorme Bürokratieaufwand" zu schaffen, sagt Hahn. Die akute Personalnot wird sich aus Sicht der AWO-Bereichsleiterin künftig verschärfen. "Kleine Dienste werden schließen, Patienten alleine dastehen." Schon heute rentiere es sich finanziell kaum noch, weite Strecken aufs Land zu fahren, sagt Hahn. "Wenn wir einer 85-Jährigen, die alleine lebt, erzählen müssen, dass wir nicht mehr kommen können, weil sie zu weit weg ist – das ist hart."
"Das wird sich noch weiter zuspitzen", warnt Jochen Keßler-Rosa, Vorstand des Diakonischen Werkes Schweinfurt und Sprecher der Diakonie Unterfranken. Bereits jetzt sei die Situation "teilweise dramatisch": Menschen, die aus dem Krankenhaus entlassen werden, müssten auf der Suche nach Unterstützung zig ambulante Dienste abtelefonieren. Auch bei der Diakonie gebe es enorm viele Anfragen von Pflegebedürftigen. Und "es kommt vor, dass wir ablehnen müssen".
Die Diakonie Main-Rhön unterhält laut Keßler-Rosa zehn ambulante Pflegedienste in der Region. Im Sommer musste die Sozialstation für ambulante Dienste in Bad Kissingen geschlossen werden, unter anderem wegen Personalmangels. "Wir könnten viel mehr Mitarbeiter einstellen, wenn es sie gäbe", sagt Keßler-Rosa.
Es gibt sie aber nicht. Bundesweit fehlen rund 80 000 Pflegefachkräfte, Prognosen zufolge könnten es bis 2030 Hunderttausende sein. Gleichzeitig steigt die Zahl der Pflegebedürftigen stetig an. Allein in Bayern waren laut Pflegestatistik bereits zum Jahresende 2017 knapp 400 000 Menschen auf Pflege angewiesen. Fast drei Viertel von ihnen - 283 390 Menschen - wurden zu Hause gepflegt: 185 800 allein durch Angehörige, 97 590 zusammen mit oder durch ambulante Pflegedienste. Ein Kollaps mit Ansage?
Pflegedienste in Unterfranken würden gerne mehr Personal einstellen
"Letztendlich wird das dem Staat auf die Füße fallen", sagt Daniel Dorn, Geschäftsführer des privaten Pflegedienstes Soleo Aktiv in Würzburg. "Patienten, die eigentlich noch zu Hause leben wollen, finden keine ambulante Hilfe – aber Plätze in stationären Einrichtungen gibt es auch nicht." Von seinen 60 Mitarbeitern seien etwa 30 im ambulanten Dienst tätig. Täglich gebe es dort neue Patientenanfragen, sagt Dorn. "Wir könnten demnach deutlich mehr Personal einstellen – aber es bewirbt sich keiner."
Die gleiche Misere beschreiben die Johanniter in Unterfranken. "Uns fehlen Fachkräfte und selbst Hilfskräfte sind schwer zu finden", sagt Johanna Zdebik, Pflegedienstleiterin der Sozialstation der Johanniter in Würzburg. Und genau aus diesem Grund hat das Bayerische Rote Kreuz (BRK) im Frühjahr seine Sozialstation in Würzburg geschlossen und die ambulante Pflege dort eingestellt.
Er sei erschüttert, sagt Diakonie-Vorstand Jochen Keßler-Rosa, "wie lange die Politik gebraucht hat, um das Problem ernst zu nehmen". Einige Ideen und Ansätze von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seien zwar gut. "Sie kommen aber zehn Jahre zu spät."
Wir sehen kein Problem darin, auch hochbetagte, schwer kranke Menschen mit einem immensen Aufwand und oft äußerst fragwürdigem Ergebnis hinsichtlich der zu erwartenden Lebensqualität kurativ zu behandeln und sind dann überrascht über die hohe Anzahl pflegebedürftiger Menschen in unserer Gesellschaft.
Eine Medizin mit Augenmaß könnte ein erster Schritt sein, denn Ethik und Kostendämpfung liegen oft näher bei einander, als mancher wahr haben mag.
Selektiv Auswahl durch Armut ist dann wohl Ihr Credo?
Wer sich Pflege nicht privat leisten kann muss halt noch eher sterben als eh schon.
Und wenn der Vordenker der AfD, Hr. Höcke, sein Programm umsetzen könnte dann wird das Problem verschärft, denn dieser will alle nicht "autochthonen Deutschen" abschieben. Wie soll die medizinische Versorgung und Pflege dann noch funktionieren?
Wenn die Situation jetzt schon bedrohlich ist und nicht genug qualifiziertes Personal zu finden , wie wäre es dann erst bedrohlich für die Pflegebedürftigen, wenn Höcke und Co aus der AfD wirklich was zu sagen hätten?
Ich finde dieser Hinweis auf die existierende Gefahr darf veröffentlicht werden.