Die drei Minister sind deutlich zu früh zur Pressekonferenz gekommen, den Fotografen bleibt außergewöhnlich viel Zeit dafür, sie zu fotografieren. Offenbar will nun keiner aus dem Trio riskieren, durch einen missmutigen Blick ein passendes Bild zum bitterernsten Zustand der Großen Koalition zu liefern. So strahlt Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) minutenlang, ganz so, als hätte ihre Partei nicht eben die Europawahl, die Mehrheit in Bremen und die Vorsitzende verloren. Auch ihr Genosse, Arbeitsminister Hubertus Heil, grinst ausdauernd, wie wenn bei der gebeutelten SPD alles in Ordnung wäre. Und so herzlich, wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit den Kabinettskollegen schäkert, käme niemand auf die Idee, dass die GroKo vielleicht kurz vor dem Platzen steht.
Giffey, Heil und Spahn wollen am Dienstag demonstrieren, dass die Regierung handlungsfähig ist. Ihr gemeinsam erarbeitetes Maßnahmenpaket zur Reform des Pflegesektors soll das beweisen. Spahn sagt: „Der Anspruch dieser Großen Koalition ist es, Dinge im Alltag der Menschen positiv zu verändern.“ Hauptproblem in der Pflege ist seit langem die Personalnot. Und die will das Minister-Trio durch eine höhere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen und eine attraktivere Ausbildung lindern.
Tarifvertrag vorgeschlagen
Nach einjährigen Beratungen, an denen Arbeitgeber aus dem Pflegebereich, Gewerkschaften, Krankenkassen, Wohlfahrtsverbände und Vertreter von Betroffenen beteiligt waren, plant die Regierung flächendeckend höhere Löhne für Pflegekräfte. Noch vor der Sommerpause wolle die Regierung die Grundlagen schaffen, damit Hilfs- und Fachkräfte in Ost und West künftig besser bezahlt werden können, so Heil. Arbeitgeber der Pflegebranche und die Gewerkschaft ver.di sollten versuchen, sich auf einen Tarifvertrag zu einigen, den der Bund dann für die ganze Branche für verbindlich erklären werde. Gelinge dies nicht, soll eine Kommission wie bisher Mindestlöhne festlegen, künftig aber auch für Pflege-Fachkräfte und einheitlich in Ost und West.
Reformiert werden soll auch die Pflegeausbildung. Giffey: „Wir sorgen für mehr Nachwuchs in der Pflege – ohne Schulgeld und mit fairer Ausbildungsvergütung.“ Es müsse klar werden, dass Pflege ein Zukunftsberuf sei. Es sei höchste Zeit, den Zustand zu beenden, dass Pflegeschüler teilweise noch immer Schulgebühren bezahlen müssen. Künftig müsse es eine attraktive Ausbildungsvergütung geben. Laut Giffey gibt es in Deutschland etwa 3,5 Millionen Pflegebedürftige, das bedeute, dass jeder Bürger zu dem Thema „irgendeinen Bezug“ habe. Rund 1,6 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland in der Alten- und Krankenpflege, doch Personal fehlt. Rund 40 000 Stellen sind unbesetzt. Das sorgt häufig für Überlastung und Frust beim Pflegepersonal. Laut Spahn sollen deshalb auch die Personalschlüssel im Pflegebereich verbessert werden. Dadurch würden Pflegekräfte entlastet und für die Betreuung der Pflegebedürftigen bleibe mehr Zeit.
Wie Heil betont sollen die Verbesserungen im Pflegebereich nicht zulasten der Angehörigen gehen. Beim Eigenanteil für die Versorgung Pflegebedürftiger soll etwa nur noch begrenzt auf das Geld naher Verwandter zurückgegriffen werden. Menschen mit einem Jahreseinkommen von unter 100 000 Euro sollen keinen Beitrag zum Eigenanteil der Pflege etwa der Eltern bezahlen müssen. Wie genau die Maßnahmen zur Verbesserung der Pflegesituation bezahlt werden sollen, ist noch offen. „Da liegt noch ein großes Stück Arbeit vor uns, allein dafür lohnt es sich, in der GroKo weiterzumachen“, sagt Spahn.
„Reine Ankündigungspolitik“
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert das Maßnahmenpaket der Bundesregierung als „reine Ankündigungspolitik“. Stiftungsvorsitzender Eugen Brysch gegenüber dieser Redaktion: „Die Ergebnisse der Konzertierten Aktion Pflege sind nicht viel mehr als heiße Luft.“ Es sei nicht neu, dass der Pflegejob attraktiver und besser bezahlt werden müsse. „Aber es gibt keine klare Antwort der Minister dazu, woher zusätzliches Geld kommen soll und wie die steigenden Eigenanteile der Pflegebedürftigen begrenzt werden können“, so Brysch.