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Würzburg/Schweinfurt
Aktuelle Razzia bestätigt Trend: Auch in Unterfranken bieten verstärkt Chinesinnen illegal bezahlten Sex an
Das Elend in ihrer Heimat treibt Frauen zur Prostitution ohne Aufenthaltserlaubnis, abseits der registrierten Bordelle. Was eine Betroffene, Polizei und Kommunen berichten.
Immer häufiger bieten in Deutschland illegal hier lebende Prostituierte aus China ihre Dienste an. Auch in Unterfranken ist dieser Trend zu beobachten (Symbolbild).
Foto: Getty Images | Immer häufiger bieten in Deutschland illegal hier lebende Prostituierte aus China ihre Dienste an. Auch in Unterfranken ist dieser Trend zu beobachten (Symbolbild).
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 15.07.2024 14:23 Uhr

Ein eher kleiner, aber symbolträchtiger Kriminalfall bringt demnächst in Würzburg den Chinesen Xing L. auf die Anklagebank. Als ihn die Polizei hier erwischte, hatte er falsche Pässe dabei - für Frauen aus seiner Heimat, die heimlich Sex gegen Geld anbieten.

Hinter dem scheinbar banalen Fall von Urkundenfälschung verbirgt sich ein aktueller Boom bei bezahltem Sex abseits der angemeldeten Bordelle. Ermittler und Städte wie Würzburg und Schweinfurt blicken mit wachsender Sorge auf den Trend: Illegal in Unterfranken lebende Ausländerinnen müssen in heimlich angemieteten Wohnungen unter dem Druck ihrer Schleuser für billiges Geld ihre Dienste anbieten - ohne Anmeldung, ohne gesundheitliche Kontrolle, den Wünschen ihrer Freier ausgeliefert. 

Aktuell vier Verstöße bei Razzia im Rotlichtmilieu entdeckt

Eine Razzia im Rotlichtmilieu lieferte in dieser Woche weitere Indizien: Nach gezielten Hinweisen suchte die Polizei im Raum Würzburg und Kitzingen nach nicht angemeldeten Prostituierten. Vier Verstöße fanden die Ermittler auf Anhieb - darunter auch eine Chinesin, wie Pressesprecherin Ines Heckner vom Polizeipräsidium Unterfranken bestätigt.   

Ihren 52-jährigen Landsmann Xing L. hatten Würzburger Polizisten als Kurier schon vor einem halben Jahr erwischt: mit falschen Pässen und Schlüsseln für konspirativ angemietete Wohnungen, die offenbar für illegal hier lebende Chinesinnen gedacht waren. 

In Würzburg Anklage gegen 52-jährigen mutmaßlichen Drahtzieher erhoben

Die aktuellen Ermittlungen untermauern mit Fakten die bisher nur vagen Vermutungen von Polizei und Staatsanwaltschaft: Bestätigt sich der Verdacht, dann ist der 52-Jährige Schlüsselfigur einer Bande, die das illegale Leben von Chinesinnen in Deutschland organisiert, die hier heimlich der Prostitution nachgehen sollen.

Inzwischen wurde laut Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach in Würzburg Anklage gegen Xing L. erhoben: "Zahlreiche Urkundenfälschungen, Missbrauch von Ausweispapieren, elf Fälle des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern sowie ein Fall von Zwangsprostitution sowie Zuhälterei" werden ihm vorgeworfen.

Der Prozess dürfte Einblicke in eine Schattenwelt geben, von der immer mehr Details an die Öffentlichkeit dringen: Viele deutsche Städte stellen inzwischen fest, dass Chinesinnen jeden Alters illegal und heimlich hier in Deutschland als Prostituierte arbeiten.  

Illegal in einer heruntergekommenen Bude: Chinesin Lin gibt Einblicke in eine Schattenwelt

Wie die 56-jährige Lin. Wenn sie aus dem Fenster blickt, sieht sie den Main. Sie habe keine Wahl, sagt die Chinesin. Aus Angst, in ihre Heimat abgeschoben zu werden, verbringt sie Tag und Nacht in einer  heruntergekommenen Zwei-Zimmer-Wohnung in einem Hochhaus am Stadtrand, irgendwo in Unterfranken. Auf dem Klingelschild steht zur Tarnung noch der deutsche Name einer früheren Bewohnerin.

Nur zögerlich hat Lin einem Treffen zugestimmt, um ihre Geschichte zu erzählen. Die gelernte Köchin, die in Wahrheit anders heißt, ist seit mehr als einem Jahr ohne Aufenthaltserlaubnis hier - und geht ebenso illegal einer Beschäftigung nach. Ein Landsmann brachte die Chinesin heimlich hier unter, den Preis für den Schleuser zahlt sie von ihrem Liebeslohn ab. 

Die Anweisung einer Landsfrau, die die Wohnung besorgte und über einschlägige Internetseiten Freier vermittelt, war unmissverständlich: Kein Lärm, nicht auffallen, die Wohnung nicht verlassen – trotz des muffigen Geruchs, der den abgewohnten Möbeln entströmt.

Zustrom von Sexarbeiterinnen aus China: Illegale Prostitution in Deutschland nimmt zu

Nur wenn es zweimal klingelt, soll Lin öffnen. Dann steht wieder ein Freier vor der Tür, der für Sex ein paar Euro zahlt. Den Großteil davon muss die 56-Jährige weitergeben an Männer und Frauen im Hintergrund.   

Lin ist kein Einzelfall, sagt ein Sozialarbeiter aus Würzburg, der die Szene gut kennt. Arbeitslosigkeit und fehlende Perspektiven in der Heimat würden die Frauen aus China vermehrt in Deutschland ihr Glück suchen lassen. In Trier, Freiburg oder Stuttgart berichten Verwaltungen von solchen Fällen, in Hanau und Ulm warnten Ordnungsämter und Polizei vor der Gefahr für die Frauen und ihre Kunden.

Auch in Unterfranken ist der Trend angekommen. Wer in einschlägigen Internet-Foren sucht, wird inzwischen auch fündig in Würzburg, Kitzingen, Schweinfurt oder Bad Brückenau.

Die Corona-Beschränkungen haben dafür gesorgt, dass Bezahl-Sex häufiger unkontrolliert ins Halbdunkel abseits der Bordelle und Sperrbezirke ausweicht. Und Ermittler finden inzwischen - wie in Würzburg - bei genauer Suche Hintermänner, die für die Frauen das Leben in der Illegalität organisieren. 

Frauen aus China bieten ihre Dienste in Unterfranken häufig in Privatwohnungen an

In Unterfranken waren Prostituierte mit chinesischer Staatsangehörigkeit laut Polizei vor knapp zehn Jahren erstmals vereinzelt festgestellt worden. "Seit der Corona-Pandemie ist ein vermehrtes Auftreten zu verzeichnen", sagt Martin Kuhn vom Polizeipräsidium Unterfranken. Die Zahl der in der Region festgestellten Prostituierten mit chinesischer Staatsangehörigkeit schwanke seitdem kontinuierlich im einstelligen Bereich.

Und noch etwas ändere sich, erklärt der Polizeisprecher: "Durch die Corona-Pandemie ist im gesamten Gewerbe eine Verschiebung der Prostitution von legalen Prostitutionsstätten in dezentrale, meist private, Wohnungen festzustellen - auch bei Prostituierten mit chinesischer Staatsangehörigkeit."

Illegale chinesische Prostituierte tauchen auch vermehrt in Schweinfurt und Würzburg auf

Auch in Schweinfurt sei bei Kontrollen festgestellt worden, "dass chinesische Prostituierte ihre Dienste in Ferienwohnungen, Pensionen und Hotels anbieten", bestätigt Kristina Dietz, Sprecherin der Stadt.

Wird ein Fall bekannt, prüfen Ordnungsamt und Polizei im Sex-Gewerbe regelmäßig, ob die Frauen ihren Pass, einen Prostitutions-Ausweis und den Nachweis über eine Gesundheitsberatung vorweisen können. "Doch die Chinesinnen hatten keine solchen Papiere, lediglich Pässe mit spanischem Aufenthaltstitel, was der Grund ist, dass sie nach Deutschland einreisen können", sagt Dietz.

Vor zwei Jahren wurde ein exemplarischer Fall in Bad Brückenau (Lkr. Bad Kissingen) bekannt, weitab von der gängigen Rotlicht-Szene. Nach einem Tipp hatte die Polizei in einer unauffälligen Wohnung in Bahnhofsnähe festgestellt, dass "eine 52-jährige Asiatin gerade ein 'Liebes-Geschäft' ausüben wollte". Die Chinesin besaß kein gültiges Visum. Gegen sie wurde ein Strafverfahren eingeleitet "wegen illegalen Aufenthalts und der verbotenen Prostitution".

In Würzburg gab es Verfahren, weil Frauen gegen Sperrbezirks-Verordnung verstoßen haben

Auch in Würzburg kennen Kontrolleure solche Fälle - bei mutmaßlich hoher Dunkelziffer. Zwar seien 2022 und 2023 im Würzburger Ordnungsamt keine Anmelde- oder Beratungsgespräche nach dem Prostituiertenschutzgesetz mit Chinesinnen geführt worden, sagt Stadtsprecher Christian Weiß.

Aber "in beiden Jahren wurde jeweils ein Verfahren geführt gegen Frauen, die die chinesische Staatsbürgerschaft besitzen, wegen Verstoß gegen die Sperrbezirks-Verordnung". Heißt: Auch in Würzburg sind Chinesinnen der illegalen Prostitution nachgegangen.

Prozess gegen Drahtzieher illegaler Prostitution: Spuren führen auch nach Franken

Einblicke in kriminelle Strukturen hinter dem Phänomen lieferte gerade ein Prozess in Frankfurt gegen ein Paar, das für die oft kaum deutsch sprechenden Frauen das Leben in vielen deutschen Städten organisierte. Das Paar hatte laut Anklage mindestens 13 chinesischen Staatsangehörigen die Einreise ohne gültige Papiere und mit falschen Ausweisen ermöglicht. In Bayern und anderen Bundesländern waren die Frauen dann als Prostituierte beschäftigt worden.

Eine von ihnen war 2019 in Nürnberg mit einem falschen Reisepass aufgegriffen worden. Sie wurde in die Volksrepublik China ausgewiesen, kehrte aber mit neuen Papieren über Spanien nach Deutschland zurück.

Bordell-Betreiber melden illegale Konkurrenz aus China bei der Polizei

Den Staat treiben bei der Verfolgung solcher Delikte auch finanzielle Interessen. Illegale Prostituierte sind nicht zur Sozialversicherung angemeldet und führen keine Umsatzsteuer oder Lohnsteuer ab. Dadurch soll der Sozialversicherung allein in dem Fall des angeklagten Frankfurter Paares ein Schaden von rund 240.000 Euro entstanden sein. Der Schaden für den Fiskus soll sich auf über 800.000 Euro belaufen.

Inzwischen führt der Trend zu kuriosen Situationen: Einheimische Bordell-Betreiber fordern plötzlich von Stadtverwaltungen stärkere Kontrollen im Rotlicht, um sich die unliebsame Konkurrenz  vom Leib zu halten. Wie zwei von ihnen bestätigen, melden manche sogar der Polizei die illegale Konkurrenz - mit E-Mails, Fotos und Telefonnummern.

 
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