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Würzburg/Bad Kissingen
CSU-Vize Dorothee Bär fordert Sexkauf-Verbot: Das sagen Hilfsorganisationen und Poltitikerinnen aus der Region
Ist Sexarbeit ein Beruf wie jeder anderer oder sind Prostituierte schweren Straftaten ausgesetzt? Ein Vorschlag der unterfränkischen Politikerin Dorothee Bär sorgt für Diskussion.
Sollten Männer, die sexuelle Dienstleistungen nutzen, bestraft werden? CSU-Vize Dorothee Bär sorgt mit einem Vorstoß für das Nordische Modell für Diskussionen (Symbolfoto).
Foto: Sebastian Gollnow, dpa | Sollten Männer, die sexuelle Dienstleistungen nutzen, bestraft werden? CSU-Vize Dorothee Bär sorgt mit einem Vorstoß für das Nordische Modell für Diskussionen (Symbolfoto).
Christina Bartholome
 und  Michael Czygan
 |  aktualisiert: 15.07.2024 16:12 Uhr

Die Forderung nach einem Verbot von käuflichem Sex hat Dorothee Bär dieser Tage viele Schlagzeilen beschert. Geht es nach der stellvertretenden Vorsitzenden der CSU und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden Freier, die die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen, künftig bestraft. Während einige Hilfsorganisationen Zustimmung signalisieren, weisen Sabine Dittmar (SPD) und Manuela Rottmann (Grüne) die Initiative ihrer unterfränkischen CSU-Bundestagskollegin zurück.

Das Thema sei für sie nicht neu, sagt Dorothee Bär. Seit Jahren beschäftige die Abgeordnete aus Ebelsbach (Lkr. Haßberge) das "Elend", dem Prostituierte gerade in Deutschland ausgesetzt seien. Sie wolle die Aufmerksamkeit nun nutzen, "damit sich für die betroffenen Frauen endlich etwas ändert".  Die große Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion stehe hinter ihrer Initiative.

'Deutschland ist der Puff Europas', sagt Dorothee Bär. Das Bild zeigt sie im Februar beim Redaktionsbesuch der Main-Post in Bad Neustadt.
Foto: Torsten Leukert | "Deutschland ist der Puff Europas", sagt Dorothee Bär. Das Bild zeigt sie im Februar beim Redaktionsbesuch der Main-Post in Bad Neustadt.

Zuletzt hat sich auch das Europaparlament für das "Nordische Modell" im Umgang mit der Prostitution ausgesprochen - wie es unter anderem in Schweden und Norwegen, aber auch in Frankreich bereits Gesetz ist. Demnach werden Käufer von Sex-Dienstleistungen bestraft oder verpflichtet, an Kursen gegen sexuelle Ausbeutung teilzunehmen. Auch einvernehmliche Prostitution ist verboten, die Frauen bleiben aber straffrei.

Dorothee Bär: "Deutschland ist der Puff Europas"

Für Bär ist das 2002 von Rot-Grün beschlossene Prostitutionsgesetz, das die sogenannte Sexarbeit entkriminalisieren sollte, "auf ganzer Linie gescheitert". Nur ein Bruchteil der Prostituierten hielten sich an die im Gesetz festgeschriebenen Meldepflichten und Gesundheitsauflagen. "Und selbst dies verhindert nicht, dass die Frauen Opfer von Gewalt, Menschenhandel, Sexismus und Rassismus sind".

Laut Statistischem Bundesamt waren Ende vergangenen Jahres 28.280 Prostituierte in Deutschland gemeldet, Bär verweist hingegen auf Expertinnen und Experten, die von einer Dunkelziffer zwischen 250.000 und 400.000 Frauen ausgehen, die hierzulande als Prostituierte arbeiten. "Deutschland ist der Puff Europas, wenn nicht sogar das Bordell der Welt."

Aussteigerinnen und Streetworker sprechen von "massivem Druck"

Zwar mag es einzelne Frauen geben, die selbstbestimmt der Prostitution nachgehen, sagt Bär. Über 90 Prozent des Geschäfts mit käuflichem Sex aber mache "unfreiwillige Armuts- und Elendsprostitution aus, die von Täuschung, Drohung, Ausbeutung und Abhängigkeit von Zuhältern geprägt ist". Dies sei ihre Erfahrung aus zahlreichen Gesprächen mit Betroffenen in einem Berliner Bordell, auf dem Straßenstrich der Hauptstadt sowie in der Gewaltschutzambulanz der Charité.

Wie viele Frauen gehen wirklich in Bordellen oder auf dem Straßenstrich selbstbestimmt der Prostitution nach? Laut Bär seien es weniger als zehn Prozent. Das Bild zeigt das Frankfurter Bahnhofsviertel.
Foto: Frank Rumpenhorst, dpa | Wie viele Frauen gehen wirklich in Bordellen oder auf dem Straßenstrich selbstbestimmt der Prostitution nach? Laut Bär seien es weniger als zehn Prozent. Das Bild zeigt das Frankfurter Bahnhofsviertel.

Aussteigerinnen und Streetworker hätten in Gesprächen "massiven Druck und schwere Gewalt" bestätigt, den die meist jungen Frauen, darunter viele aus Osteuropa, ausgesetzt seien. Wenn über 90 Prozent der Prostitution im Dunkelfeld stattfinde, zähle das Argument, die angemeldete Prostitution entkriminalisiere den käuflichen Sex, in ihren Augen nicht mehr.

Ein Sexkauf-Verbot werde Zwangsprostitution zwar auch nicht komplett eindämmen, sagt Bär, aber die Strafandrohung helfe, die Nachfrage zu senken. Verbrechen wie körperliche Gewalt und Menschenhandel würden weniger. Das sei eine Erfahrung aus den Ländern, in denen käuflicher Sex bereits länger verboten ist. "Es geht auch um die Menschenwürde. Frauen sind keine Ware, die man sich kaufen kann."

Aktivistinnen aus Würzburg und Bad Kissingen unterstützen die Forderung

Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Prostitution ist eher ein Thema der Großstädte. Gleichwohl wenden sich immer wieder auch in Unterfranken betroffene Frauen an Hilfsorganisationen, die sich gegen Gewalt gegen Frauen engagieren. So unterstützen die Beratungsstelle Wildwasser aus Würzburg und die Organisation Solwodi (Solidarity with Women in Distress, auf Deutsch: Solidarität mit Frauen in Not) mit einer Beratungsstelle in Bad Kissingen die Forderung von Dorothee Bär.

Janika Schmidt ist Sozialpädagogin bei Wildwasser in Würzburg. Sie befürwortet ein Sexkauf-Verbot.
Foto: ArchivPatty Varasano | Janika Schmidt ist Sozialpädagogin bei Wildwasser in Würzburg. Sie befürwortet ein Sexkauf-Verbot.

"Wir wollen aber nicht von einem Prostitutionsverbot, sondern von Freierbestrafung sprechen", sagt Maria Decker, die Bundesvorsitzende von Solwodi. Die Profiteure von Prostitution sollten demnach bestraft werden. "Das lässt die Nachfrage austrocknen und verhindert, dass Frauen ausgenutzt werden, die meist eine Migrationsgeschichte und schwierige Verhältnisse hinter sich haben." Solwodi unterstützt Frauen mit Migrations- oder Fluchthintergrund, die Opfer von Menschenhandel, Ausbeutung oder Gewalt geworden sind.

Auch der Verein Wildwasser spricht sich für das Nordische Modell aus. "Wir wünschen uns, dass Prostitution als Gewalt anerkannt und von der Gesellschaft geächtet wird", sagt Sozialpädagogin Janika Schmidt. Sie hofft, dass durch ein Verbot von Prostitution die Nachfrage eingedämmt wird.

Gegner fürchten, dass das Verbot die Stituatation von Prostituierten verschlechtern würde

Anders äußert sich Kassandra, eine Fachberatungsstelle für Prostituierte in Nürnberg. "Von einem Sexkaufverbot halten wir nichts", sagt Mitarbeiterin Sarah Seubert. Der Verein berät und unterstützt Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind, mit dem Grundsatz, Prostitution als Teil der Gesellschaft zu akzeptieren. "Ein Verbot würde eine deutliche Verschlechterung für Prostituierte bedeuten." Man sehe in Schweden, dass Sexarbeit durch ein Verbot an geheime Orte verdrängt werde. "Das sind dann Orte, die nicht überwachbar und auch für uns als Beratungsstelle nicht zugänglich sind", sagt Seubert.

Grünen-Politikerin Rottmann wirft Bär "eine Luftnummer" vor

Kritik erntet Dorothee Bär für ihren Vorstoß auch seitens der politischen Mitbewerber. So wirft die Grünen-Rechtspolitikerin Manuela Rottmann aus Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) ihrer CSU-Kollegin eine "Luftnummer" nach dem Motto "Was verboten ist, das gibt es auch nicht" vor. Es fehlten Ansätze für Hilfsangebote und Strafverfolgung. Der Druck werde einseitig bei "Frauen abgeladen, die sich nicht wehren können und denen man keinerlei Perspektive bietet".

Benötigt werde stattdessen ein "umfassenderer Ansatz aus Hilfe, Empathie und Perspektiven für die Opfer, konsequenter Strafverfolgung und rechtlichen Änderungen", so Rottmann. Die Bundesregierung entwickle derzeit einen "Nationalen Aktionsplan Menschenhandel". Mit einem Federstrich sei es nicht getan.

Gesundheitsstaatssekretärin Sabine Dittmar verteidigt den liberalen Kurs Deutschlands im Umgang mit Prostitution.
Foto: ArchivMartina Müller | Gesundheitsstaatssekretärin Sabine Dittmar verteidigt den liberalen Kurs Deutschlands im Umgang mit Prostitution.

Ähnlich wie Rottmann sieht auch Gesundheitsstaatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) aus Maßbach (Lkr. Bad Kissingen) die Problematik. Würde man Prostitution kriminalisieren, schaffe man eher Probleme als dass man sie löse. Prostituierte würden dann - "weil es einen Markt gibt" - eben illegal arbeiten. Die "gewisse Fürsorge", wie sie im Prostituiertenschutzgesetz unter anderem durch Gesundheitsberatung, getrennte sanitäre Anlagen für Sexarbeiterinnen und Freier oder ein Notrufsystem vorgesehen sind, sei dann nicht mehr zu leisten.

Dittmar verweist auf Organisationen wie Amnesty International und die WHO, die das Nordische Modell ebenfalls ablehnten und wie Deutschland auf die Entkriminalisierung von Prostitution setzten.

Allerdings ist diese Position innerhalb der SPD umstritten. Die Leitlinien, die das EU-Parlament jetzt verabschiedet hat und ein Sexkauf-Verbot favorisieren, wurden unter Federführung der bayerischen SPD-EU-Abgeordneten Maria Noichl erarbeitet. 

Prostitution in Unterfranken

Bundesweit waren zum Jahresende 2022 laut dem Statistischen Bundesamt 28.280 Prostituierte gemeldet, in Bayern sind es 4500. Wie viele Menschen in der Region den käuflichen Sex anbieten, ist schwer zu sagen. Erlaubt ist Prostitution in Unterfranken nur in den Städten Würzburg, Schweinfurt, Aschaffenburg, Kitzingen und Bad Kissingen. Aktuell sind dort nach dem Prostituiertenschutzgesetz knapp 200 Personen gemeldet, die meisten davon - nämlich 56 - in Würzburg.
Allerdings sind die Genehmigungen zwei Jahre im gesamten Bundesgebiet gültig. Ob die betreffenden Personen also noch in der Region tätig sind, ist offen. So arbeiten zum Beispiel in Schweinfurt laut einem Sprecher der Stadt "rund 60 Prozent der Antragstellerinnen danach nicht in Schweinfurt und ziehen gleich weiter". Unklar ist auch die Zahl derer, die zwar in Unterfranken in dem Gewerbe arbeiten, sich aber schon früher oder anderswo gemeldet haben. Hinzu kommt die Dunkelziffer von Prostituierten, die ohne Genehmigung ihrem Beruf nachgehen.
ben
 
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  • Rudolf Thomas
    Im Abschaffen sind Politiker und Politikerinnen ganz groß. Nur im Anschaffen und vor allem in der richtigen Umsetzung hapert es gewaltig. Siehe ehemalige Staatsministerien und Beauftragte für Digitalisierung der Schwarz-Roten-Regierung. Damals oblag Doro Bär das Voranbringen der Digitalisierung. Ergebnis: Wir sind ein digitales Drittland. Wäre es anders, dann könnte man allen (bösen) Männern einen Chip implantieren. Der Bewegungsmelder zeichnet ihren Gang zur Prostituierten auf: Zugriff! Ich sehe schon Frau Bär wird Sonderbeauftragte des Bundestages zur Abschaffung der Prostitution. Ich habe Zweifel, ob alle Abgeordnete dem Antrag zustimmen. Satire ende.
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  • Harald Bach
    Da will sich die Quotenfrau der CSU , Frau Bär, wieder mal in Erinnerung bringen. Und mit was für einer Luftnummer!
    Prostitution gabs schon immer und wird auch weiterhin gebraucht, damit Er/Sie/Es seine sexuellen Triebe abreagieren kann und damit im Gegenzug „normale“ Frauen unbehelligt bleiben. Weiterhin sollten alle Damen dieses Gewerbes nur mit staatlicher Genehmigung diesen Beruf ausüben dürfen. So könnte man eindämmen ( verhindern wird nicht möglich sein), dass Frauen aus dem Ausland oder mit Migrationshintergrund zur Ausübung der Prostitution gezwungen werden.

    Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass Bayern eine Frau Bär nicht braucht.
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    [Prostitution wird gebraucht, damit er/sie/es S E I N E sexuellen Triebe abreagieren kann].

    Diese Sichtweise ist leider nach wie vor allzu häufig, und genau deshalb werden in weiterentwickelteren Ländern eben auch die Freier zu recht bestraft.
    Mann sollte sich doch allmählich dazu durchringen, Frau nicht mehr als Mittel zur Triebabfuhr zu betrachten.
    Und daß Prostituierte deshalb "benötigt" werden, damit "normale" Frauen unbehelligt bleiben, das ist schon eine extrem rückständige Sichtweise.
    Ich empfehle, den weithin bekannten Spruch zu beherzigen:
    "wer f.....n will muß freundlich sein"!
    Denn so wird niemand mehr zum Objekt zur Befriedigung degradiert.
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  • Doris Hauptmann
    Es ist Wahlkampf und da muss sich Frau Bär wieder mal in Erinnerung bringen, da ja sonst nicht viel politische Substanz geboten wird. Das letzte Mal waren es die Frauen mit Endometriose, man hat nichts mehr davon gehört. War das THema nicht publiumswirksam genug?? Jetzt geht es um Prostitution, dem ältesten Gewerbe der Welt. Auch Frau Bär müsste klar sein, dass sie mit diesem Thema nur heiße Luft versprüht. Vielleicht reicht es ja für die Stammtische und bringt die eine oder andere Stimme.
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  • Manfred Englert
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Ich wünsche Frau Bär ganz ausdrücklich viel Erfolg bei Ihrer Bemühung, das sogenannte älteste Gewerbe der Welt abzuschaffen.

    Selbstverständlich ist jegliche sexuelle Betätigung zwischen Menschen grundsätzlich von der Freiwilligkeit und dem gegenseitigen Einverständnis abhängig zu machen.

    Ich gehe trotzdem davon aus, dass es ähnlich laufen wird wie mit dem Cannabisverbot, gerade in Bayern mit angeblicher Null-Toleranz durchgesetzt, und das seit Jahrzehnten.

    Der grundlegenden Logik nach dürfte also in Bayern seit Jahrzehnten kein einziger Joint geraucht worden sein.

    Frau Bär hätte auch ihre Position zu Merkels Zeiten gut für dieses Thema nutzen können, da war sie ja im Verkehrsministerium an leitender Position.

    Allerdings war da kaum was zu Prostitution von ihr zu hören.

    Gehts am Ende gar nicht um die Abschaffung der Prostitution, sondern um Diffamierung der aktuellen Bundesregierung auf Kosten der tatsächlich überwiegend ausgebeuteten Frauen?
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  • Harald Bach
    Egal, was die Beweggründe einer Frau Bär sind. Prostitution ist und war schon immer Teil einer jeden Epoche und Gesellschaft und wird das auch bleiben. Wer mit Sexualität nichts am Hut hat oder im heimischen Bereich gut bedient ist, braucht das ja nicht in Anspruch zu nehmen 😉
    Es gibt aber viele, für die Beides nicht zutrifft …..🤷🏻‍♂️
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  • Hartmut Haas-Hyronimus
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