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Kirchheim
Aggressivität hat massiv zugenommen: Grüne im Landkreis Würzburg wappnen sich mit Hilfe aus Berlin gegen Angriffe
Die Grünen fühlen sich zunehmend bedroht. Auf dem Jahresempfang hat der Kreisverband im Landkreis Würzburg nun über Strategien und Hoffnung gesprochen.
Stimmungsmache gegen die Grünen, wie hier auf einer Demonstration im Aschaffenburg im vergangenen Jahr, ist häufig das Ergebnis gezielter Kampagnen im Internet.
Foto: Stefan Gregor (Archivbild) | Stimmungsmache gegen die Grünen, wie hier auf einer Demonstration im Aschaffenburg im vergangenen Jahr, ist häufig das Ergebnis gezielter Kampagnen im Internet.
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 17:06 Uhr

Mit Kunstblut beschmierte Politiker-Strohpuppen in Würzburg, aggressive Demonstrationen in Aschaffenburg, Wackersteine vor dem Parteibüro in Hammelburg: Die Grünen in Unterfranken fühlen sich zunehmend bedroht. Grund dafür sind häufig organisierte Kampagnen im Internet.

Auch tatsächliche Angriffe auf Politikerinnen und Politiker der Grünen haben stark zugenommen, wie eine Auswertung der Bundesregierung Anfang des Jahres ergeben hatte: 224 solcher Vorfälle gab es demnach deutschlandweit im vergangenen Jahr. Das sind fast 100 mehr als im Vorjahr und fast doppelt so viele wie gegen die AfD, die laut Auswertung an zweiter Stelle steht.

"Bald wirft der erste hin": Eindringliche Warnung von Rechtsanwalt Chan-jo Jun 

"Das macht etwas mit einem", sagte am Sonntag Jessica Hecht, Vorsitzende der Grünen im Landkreis Würzburg. Unter dem Motto "Hass im Netz – Gefahr für die Demokratie?" hatten die Grünen in Kirchheim zum Jahresempfang geladen. Gekommen waren etwa 100 Parteimitglieder sowie einige Vertreterinnen und Vertreter von CSU und SPD.

"Ich finde es sehr schön, dass wir über Parteigrenzen hinweg zusammengekommen sind", sagte Kirchheims ebenfalls anwesender grüner Bürgermeister Christian Stück. Leider sehe die Realität anders aus, sobald man sich als Grüner im Internet bewege.

HateAid-Gründerin Anna-Lena von Hodenberg (links) hatte Ratschläge gegen Online-Hetze für die Grünen im Landkreis Würzburg.
Foto: Patty Varasano | HateAid-Gründerin Anna-Lena von Hodenberg (links) hatte Ratschläge gegen Online-Hetze für die Grünen im Landkreis Würzburg.

Das war das Stichwort für Rechtsanwalt Chan-jo Jun, Würzburgs prominentester Stimme gegen Hass im Internet, der eine Videobotschaft aufgenommen hatte. Die Demokratie auf kommunaler Ebene sei bedroht, sagte Jun. Wenn unliebsame Stimmen nur intensiv genug angegriffen würden, verstummten diese: "Bald wirft der erste hin. Nie wieder ist jetzt. Der Hass ist mächtig."

Daran knüpfte Rednerin Anna-Lena von Hodenberg, Gründerin der Organisation HateAid an. HateAid berät und unterstützt Betroffene von politischer Hassrede und Gewalt. Die gemeinnützige Organisation aus Berlin hat schon Grünen-Politikerin Renate Künast und Klima-Aktivistin Luisa Neubauer vertreten. "Wir beobachten eine Erosion der Säulen der Demokratie in der Fläche", sagte von Hodenberg.

Ungeschützte Daten im Internet werden oft als Angriffsfläche genommen

Der Mord am hessischen Politiker Walter Lübcke, der Tankstellenmord-Mord von Idar-Oberstein und die zunehmende Gewalt auch gegen Rettungskräfte seien kein Zufall: "Wir wissen, dass ein Großteil der organisierten Hasskampagnen aus dem rechtsextremen Bereich kommt", sagte von Hodenberg.

Rund 100 Parteimitglieder waren zum Jahresempfang in die Turnhalle in Kirchheim gekommen.
Foto: Patty Varasano | Rund 100 Parteimitglieder waren zum Jahresempfang in die Turnhalle in Kirchheim gekommen.

Über Telegram würden Shitstorms organisiert. Durch Mobbing, Beleidigung und sexualisierte Gewalt würden insbesondere junge Frauen mundtot gemacht. Angriffsfläche böten etwa Daten wie Fotos und Adressen, die oftmals ungeschützt abrufbar seien. IT-Sicherheit in Form von sicheren Passwörtern sei unverzichtbar. Auch eine Auskunftssperre im Melderegister sei wichtig, um den eigenen Wohnort zu schützen. Zudem, sagte von Hodenberg, müssten Plattformbetreiber gezwungen werden, besser gegen Hass vorzugehen.

Grünen-Politiker Sebastian Hansen aus Waldbüttelbrunn wurde mehrfach bedroht

Nachwuchspolitiker Sebastian Hansen, zweiter Bürgermeister von Waldbüttelbrunn, wurde schon mehrfach bedroht: Als Bundestagskandidat der Grünen war er während der Corona-Pandemie stark exponiert: In Telegram-Chatgruppen ergoss sich Hass und Häme gegen ihn, auf der Straße wurde er von einem einschlägig vorbestraften Täter verfolgt, beleidigt und bedroht.

Auch Hansens Adresse hatte der Mann ausfindig gemacht. Was macht das mit einem Nachwuchspolitiker? "Den Hass im Netz lasse ich nicht mehr an mich ran", sagte Hansen am Sonntag im Gespräch mit der Redaktion. Aber: "Auf der Straße bin ich vorsichtiger und schaue mich öfter um."

Grünen-Kommunalpolitiker Sebastian Hansen aus Waldbüttelbrunn wurde schon mehrfach bedroht. 
Foto: Patty Varasano | Grünen-Kommunalpolitiker Sebastian Hansen aus Waldbüttelbrunn wurde schon mehrfach bedroht. 

Viele der Anwesenden fühlten sich angegriffen, sagte die Kreisvorsitzende Jessica Hecht. Jedoch gebe es auch positive Entwicklungen, wie etwa die Demonstrationen gegen Deportationsfantasien der AfD, die deutschlandweit Tausende auf die Straße treiben: "Was für eine Ermutigung, was für ein Hoffnungszeichen", sagte Hecht.

 
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  • Alfred Mahler
    Es hat sich in den letzten Tagen und Wochen gezeigt, dass die meisten Landwirte das Klischee des "dummen Bauern" voll erfüllen. Gegen die Partei, die nachweislich den meisten Forderungen der Landwirtschaft zustimmt, wird gehetzt. Angeführt von den Parteien, die am wenigsten für die Landwirtschaft tun und getan haben. Aber stumpfer Populismus funktioniert offenbar bestens am rechten Rand. Söder poltert, die AfD stimmt mit ein und der dumme Bauer glaubt deren Lügen. Peinliches Theater.
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  • Edith Kram
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  • Martin Neuner
    Ich Kirchheim fand eine Veranstaltung der Grünen, mit Beteiligung anderer Parteien, gegen die Aggressivität statt. Zum Wahlkampfauftakt in Unterfranken gibt sich Frau Maria Noichl SPD kämpferisch: "CSU-Spitzenkandidat Weber hat die Hosen gestrichen voll". Diese Wortwahl kann man kämpferisch aber auch aggressiv bezeichnen. Nach meiner Ansicht nicht harmloser als das Titelbild zur Bauerndemo. Bei den Demos der Grünen standen die Polizeibeamten nicht so entspannt dabei.
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  • Martin Deeg
    ….„Da haben Sie leider, Herr Deeg , hier noch nie ein Wort darüber verloren. Bei ihren Beiträgen kein Wunder.“

    Ihre Behauptung ist falsch, lesen Sie halt nach.

    Was wollen Sie eigentlich sagen, Herr Endres? Was ist „kein Wunder“?
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  • Stefan Wolz
    Die Angriffe auf Rettungskräfte und Polizisten passieren ja eher in sog. NoGoAreas.
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  • Martin Heberlein
    in dem Artikel geht es halt um Angriffe auf Politiker und um nichts anderes. Man kann doch nicht bei jedem Anlass gleich ein Rundum-Bekenntnis verlangen.
    Außerdem: Die Angriffe auf die Rettungsdienste kommen meist aus derselben Ecke wie die auf Politiker.
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  • Dietmar Eberth
    Es fehlen eigentlich nur noch die Zahlen

    Angriffe auf Mitglieder und Repräsentanten der Parteien 2023
    AfD 478
    Grüne 1219
    CDU 194
    CSU 101
    FDP 299
    Linke 79
    SPD 420

    https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2024/Angriffe-gegen-Gruene-Wenn-der-Gegner-zum-Feind-wird,feindbildgruene100.html

    Jetzt könnte man einfach sagen „Viel Feind’, viel Ehr’!“. Aber auch die Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste werden immer mehr und das kann ich nicht verstehen.
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  • Martin Deeg
    Wenn man dieses Thema schon aufgreift, dann muss man auch die Rolle von Söder, Aiwanger, Dobrindt etc. beleuchten, die unter dem Label „seriöser“ Amtsträger für die Verrohung mitverantwortlich sind und seit langem als Verstärker und Multiplikatoren fungieren, jedem kleinen Telegram-Hetzer signalisieren, dass Hass, Hetze, Ausgrenzung und verbale Attacken völlig in Ordnung sei, wenn es nur „die Richtigen“ - in Bayern das Feinbild die Grünen - trifft….
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  • Hubert Endres
    Wieder einmal ein Beitrag von Herrn Deeg. Wie viele andere von Grünen, Linken usw. könnte man ebenfalls mit aufzählen. Gewalt ist schlimm, aber noch mehr gehören die Angrifft auf Rettungspersonal bestraft. Da haben Sie leider, Herr Deeg , hier noch nie ein Wort darüber verloren. Bei ihren Beiträgen kein Wunder.
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  • Ernst Dürr
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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