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Affäre um Mediziner der Uniklinik Würzburg: Klinikum soll entlassenen Arzt wieder operieren lassen
Trotz schwerer Vorwürfe muss das Uniklinikum Würzburg einen Arzt nach einer fehlerhaften Kündigung weiterbeschäftigen. Der Mediziner klagte sich an den OP-Tisch zurück.
Im Fall der beiden gekündigten Mediziner an der Würzburger Uniklinik gehen die juristischen Auseinandersetzungen weiter – jeweils vor dem Landesarbeitsgericht in Nürnberg. 
Foto: Getty Images/Montage Daniel Biscan | Im Fall der beiden gekündigten Mediziner an der Würzburger Uniklinik gehen die juristischen Auseinandersetzungen weiter – jeweils vor dem Landesarbeitsgericht in Nürnberg. 
Andreas Jungbauer
 und  Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 22.01.2025 13:51 Uhr

Niederlage für das Uniklinikum Würzburg (UKW) vor dem Landesarbeitsgericht in Nürnberg: Die Uniklinik soll einen leitenden Arzt vorläufig weiterbeschäftigen – trotz Kündigung, staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und Konflikten mit dem Personal. Dies haben der Mediziner und seine Anwälte per einstweiliger Verfügung erwirkt.

Allerdings kehrt der erfahrene Arzt vorerst nicht in seine Führungsfunktion zurück, sondern soll laut Landesarbeitsgericht entsprechend der fachlichen Qualifikation in seiner bisherigen Abteilung eingesetzt werden.

Gekündigter Mediziner: Chirurgische Fähigkeiten gehen verloren

Der Mediziner – nach eigenen Angaben seit mehr als drei Jahrzehnten in seinem Metier tätig – hatte in der Verhandlung damit argumentiert, dass ihm bereits nach drei Monaten Pause chirurgische Fähigkeiten verloren gingen. Eine anderweitige Beschäftigung außerhalb der Würzburger Uniklinik schloss er aus und verwies auf einen entstandenen Reputationsschaden.

Dem Arzt war Anfang des Jahres gemeinsam mit einer ebenfalls leitenden Ärztin vom Uniklinikum gekündigt worden, nachdem interne Untersuchungen Anhaltspunkte für massives Fehlverhalten ergeben hatten.

Nach einem anonymen Hinweis zu einer Reihe von Operationen – in mehreren Fällen mit tödlichem Verlauf – hat auch die Staatsanwaltschaft Würzburg Ermittlungen gegen die beiden Ärzte aufgenommen, unter anderem wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Ergebnisse dazu liegen noch nicht vor, für die zwei Mediziner gilt die Unschuldsvermutung.

Uniklinik Würzburg kündigte Arzt ein weiteres Mal

Der Fall hatte über die Klinik hinaus hohe Wellen geschlagen, diese Redaktion berichtete über die außergewöhnlichen Vorgänge. Beide Mediziner hatten sich mit Klagen vor dem Würzburger Arbeitsgericht gegen ihren Rauswurf gewehrt. Im Fall der Ärztin stellte das Gericht eine Kompetenzüberschreitung bei einer tödlich verlaufenen OP fest und bestätigte zumindest die ordentliche Kündigung – beide Seiten sind nach eigenen Aussagen dagegen in Berufung gegangen.

Im Fall des ihr vorgesetzten leitenden Arztes stellte das Arbeitsgericht im September einen Formfehler des Klinikums bei der Kündigung fest, sodass diese unwirksam ist. Die Klinik geht dagegen in Berufung, die Sache gilt als rechtlich vertrackt. Zwischenzeitlich wurde dem Betreffenden erneut gekündigt, auch er ist in Berufung gegangen.

Das Arbeitsgericht Würzburg kam allerdings auch zu der Entscheidung, dass das Klinikum den Arzt trotz fehlerhafter Kündigung wegen der "schwerwiegenden Vorwürfe" zunächst nicht weiterbeschäftigen müsse. Dies sei für die Klinik "nicht zumutbar". Diese Auffassung teilt das Landesarbeitsgericht in Nürnberg nicht.

Zum einen sei der zentrale Vorwurf des UKW, der Mediziner habe die falsche Ausstellung eines Totenscheins veranlasst, bei der Würzburger Verhandlung in der Sache gar nicht geprüft worden. Der Arzt bestreitet entsprechende Aussagen eines Kollegen und bezichtigt ihn der "Lüge". Zum anderen konnten die Anwälte des Uniklinikums laut Vorsitzender Richterin in Nürnberg nicht "substanziell" genug ihre Gründe gegen eine Weiterbeschäftigung des Arztes – dann ohne Leitungsaufgabe und in Abwesenheit der ebenfalls gekündigten Kollegin – darlegen.

Uniklinik warnt vor Störung des Betriebsfriedens

Dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Mediziner und seinem früheren Team stark beschädigt ist, brachte der Jurist der Uniklinik zwar zum Ausdruck: "Das geht auf Kosten von Patienten, weil uns Personal dann verlassen wird", warnte er und verwies auf eine hohe Fluktuation in den vergangenen Jahren: 35 Mitarbeitende hätten die Abteilung unter der Leitung des gekündigten Mediziners verlassen. Bei einer Rückkehr werde der Betriebsfrieden gestört, es sei gerade wieder Ruhe eingekehrt.

Gleichwohl gelang es den Klinikvertretern nicht, die Problematik einer erneuten Zusammenarbeit hinreichend konkret zu beschreiben. Der Anwalt des Mediziners bezog sich auf ein ähnlich gelagertes Urteil des Landesarbeitsgerichts München, wonach dem Personal in einem solchen Konfliktfall die gebotene Professionalität der Zusammenarbeit abverlangt werden könne.

Diesem Gedanken folgte die Vorsitzende Richterin, auch wenn sie Verständnis für die Bedenken der Klinik zeigte und dafür, "dass es hier natürlich sehr menschelt". Sie spielte damit auf die schwierige Situation der beiden gekündigten Mediziner innerhalb der Abteilung und entstandene Zerwürfnisse an. Beide Ärzte wittern eine "konzertierte Aktion" und eine "Intrige" aus dem Kreis der OP-Pflege.

Dennoch hielt die Richterin das Konfliktpotenzial bei einer Weiterbeschäftigung für beherrschbar. Klar ist auch: Der Mediziner könnte zunächst nur vorläufig an die Klinik zurückkehren – entscheidend für beide Ärzte bleibt der Ausgang der Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht und der Verlauf des Strafverfahrens.

Strafrechtliche Ermittlungen stehen noch am Anfang

Letzteres spielte in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht eine gewichtige Rolle, mehrfach wurde darauf verwiesen. Der Anwalt der Uniklinik äußerte sein Unverständnis zu einer möglichen Weiterbeschäftigung: Schließlich werde gegen den Arzt ermittelt.

Dem hielt der Anwalt des Mediziners entgegen, dass Vorermittlungen ein Standardinstrument der Staatsanwaltschaft seien – gerade auch im medizinischen Bereich. Über mögliche Vergehen sei damit nichts besagt. Tatsächlich liegen nach Informationen der Redaktion den Ermittlern bis dato noch nicht einmal die beauftragten Expertengutachten vor, die nach den anonymen Hinweisen rund 20 Eingriffe untersuchen sollen.

Ob und wann der Arzt nun tatsächlich nochmal seine Tätigkeit an der Würzburger Uniklinik aufnimmt, war zunächst nicht in Erfahrung zu bringen. Aus der Pressestelle des Klinikums heißt es dazu lediglich: "Das arbeitsgerichtliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, daher wird das UKW diese Entscheidung nicht öffentlich kommentieren."

 
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  • Hubertus Kiesel
    Da jetzt eine Kündigung nachgeschoben wurde, hat man versäumt in der fristlosen Kündigung hilfsweise eine ordentliche Kündigung auszusprechen. Solche Fehler sollten in einer Personalabteilung nicht vorkommen.
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  • Andreas Jungbauer
    Dazu die Info: Das Arbeitsgericht Würzburg hatte den Formfehler des Klinikums sowohl auf die fristlose wie auch die hilfsweise ordentliche Kündigung bezogen. Beste Grüße aus der Redaktion.
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  • Hubertus Kiesel
    Vielen Dank für die Info, Herr Jungbauer.
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  • Thomas Friedrich
    Die vorsitzende Richterin sitzt in Nürnberg und wird wohl kaum mit der Uniklinik in Würzburg in Berührung kommen. Ich weiß jetzt nicht, in welchem Fachbereich der Arzt operierend tätig war...nur die Tatsache, dass ihm allein nach 3 Monaten seine chirurgischen Fähigkeiten ein bisschen abhanden kamen, ist sein Problem...noch ist er in der Uniklinik nicht tätig, hoffentlich auch weiterhin, ansonsten würde ich die Uniklinik bei Operationen meiden, es gibt auch noch andere Kliniken .
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  • Klaus B. Fiederling
    ich finde es schlichtweg beschämend, was dieser beschuldigte Arzt hier fordert.
    Wenn laut Klinikum diese Fälle tatsächlich passiert sind dann gehört er entlassen
    und wenn 35 Mitarbeiter/innen nicht mehr mit diesem Mann zusammenarbeiten können, dann stimmt etwas nicht. Wir als Patienten müssen uns dann solchen Scharlatanen aussetzen.
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  • Reinhard Rauch
    "Dennoch hielt die Richterin das Konfliktpotenzial bei einer Weiterbeschäftigung für beherrschbar."
    Diese Einschätzung der Richterin teile ich nicht. Ich könnte weder im Stations- noch im OP-Team mit dem Arzt vertrauensvoll zusammenarbeiten, solange die Vorwürfe im Raum stehen. Ohne das ich hier vorverurteile. In Teams können Menschen nicht wie Roboter zusammenarbeiten. Und auch aus Patientensicht dürfte es problematisch sein.
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  • Dietmar Eberth
    "Ohne das ich hier vorverurteile"

    DAS ist aber genau Vorverurteilung was sie da beschreiben. Trotz das ich auch die weitere Zusammenarbeit kritisch sehe.
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  • Walter Winheim
    Der leidtragende könnte der Patient sein.
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  • Karl Raab
    Es gab Todesfälle, da braucht es keine Worte mehr
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