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Würzburg
75 Jahre Atelier Pracher: Wie Restaurator Georg Pracher die Werke von Tiepolo, Riemenschneider und Co. am Leben hält
Das Würzburger Atelier Pracher wird 75 Jahre alt. Die Familie hat sich in dritter Generation dem Erhalt hochwertiger Kunstwerke verschrieben. Zum Jubiläum gibt's einen Blick hinter die Kulissen.
Restaurator Georg Pracher und seine Frau Julia Pracher zeigen ihr im Jubiläumsjahr umgestaltetes Atelier.
Foto: Benjamin Brückner | Restaurator Georg Pracher und seine Frau Julia Pracher zeigen ihr im Jubiläumsjahr umgestaltetes Atelier.
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 16.11.2023 03:00 Uhr

Ein Atelier, gegründet 1948 in einer Hausruine im zerstörten Würzburg, feiert im Jahr 2023 Jubiläum: Die damalige Werkstatt von Maler- und Vergoldermeister Rudolf Pracher hat sich innerhalb der vergangenen 75 Jahre zu einem in In- und Ausland bekannten Atelier für die Konservierung und Restaurierung bedeutender Kunstwerke entwickelt. Geführt wird es mittlerweile in der dritten Generation von Georg F.R. und Julia Pracher. Ein Besuch in der Weingartenstraße 39a.

Fotoserie

Inmitten sorgfältig gerahmter Gemälde und ausgewählter Antiquitäten empfangen Georg und Julia Pracher den Besucher in ihrem Reich – dem Atelier Pracher, das sich der Erhaltung von Kunst- und Kulturgütern verschrieben hat. Dazu gehören die Konservierung, Restaurierung und Untersuchung von Werken Alter und Neuer Kunst. Was für diese Arbeiten nötig ist, und wie sich das Atelier und der Beruf des Restaurators in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt hat, erklären die beiden bei einem Rundgang durchs Haus.

Bei seiner Arbeit 'Kunst so nah sein zu dürfen', empfindet Georg Pracher als Privileg. Im Jubiläumsjahr wurde das Atelier Pracher, das in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen feiert, erweitert und umgestaltet.
Foto: Benjamin Brückner | Bei seiner Arbeit "Kunst so nah sein zu dürfen", empfindet Georg Pracher als Privileg. Im Jubiläumsjahr wurde das Atelier Pracher, das in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen feiert, erweitert und umgestaltet.

Dieser beginnt in der Ein- und Ausgangsschleuse, in der die Werke, die restauriert werden sollen, aufgenommen und ihre Schäden dokumentiert werden. Über die Schleuse geht es zu einem Raum für Feinarbeiten. Hier steht auf einer Staffelei ein Bild von Pieter Claesz aus dem 17. Jahrhundert; es zeigt ein Stillleben. Georg Pracher arbeitet unter anderem daran, die ursprünglichen Farben des Werks wieder strahlen zu lassen. "Großflächige Übermalungen sind dunkel geworden, und neu dazugekommene Retuschen altern oft anders als die ursprünglichen Farben", erklärt der Diplomrestaurator die dunklen Stellen und Verfärbungen.

"Bei vielen Institutionen schwinden die Mittel."
Diplomrestaurator Georg F.R. Pracher aus Würzburg

Eine Treppe führt nach oben in das Herz des Ateliers, einen großen hellen Raum, den ein sieben Meter langer Arbeitstisch dominiert. Besonders sperrige Kunstwerke können mithilfe einer Umzugsfirma über die breite Fensterfront in den Raum gewuchtet werden.

Gerade liegt auf dem Tisch ein knapp sieben Meter hohes historisches Bühnenbild aus dem ehemaligen Hof-Theater zu Meiningen, "ein Schatz der Theatergeschichte", so Pracher. Es handelt sich um die historische Bühnendeko zu Friedrich Schillers Drama "Die Räuber", die für das Theatermuseum wiederhergestellt werden soll. Vom Theatervorhang über kleine Krippen-Gipsfiguren bis hin zum aufwändig verzierten, überdimensionalen Schmuckrahmen eines Münchner Museums – im Atelier werden unterschiedlichste Werke parallel bearbeitet. "Der Wert eines Objekts spielt für uns dabei keine Rolle", sagt Pracher.

Hier fing alles an: in dieser Werkstatt in der Weingartenstraße 39a (Guachemalerei, Wolfgang Lenz, 1951).
Foto: Georg F. R. Pracher, AKR Pracher, Würzburg | Hier fing alles an: in dieser Werkstatt in der Weingartenstraße 39a (Guachemalerei, Wolfgang Lenz, 1951).

Die Kunden reichen von Institutionen bis hin zu Menschen, die Bilder von Oma geerbt haben

Inzwischen ginge es bei der Arbeit als Restaurator nicht mehr rein um die praktische Arbeit, sondern auch um Beratung, zum Beispiel von Museen bei einer Ausstellungsvorbereitung, oder von Privatpersonen, die ihre Sammlung pflegen oder veräußern wollen, erklärt Pracher. Eine Hälfte seiner Kunden bestünde aus Institutionen wie Museen, Gemeinden oder Diözesen; die andere Hälfte aus Privatpersonen – "das reicht von Menschen, die Bilder von Oma geerbt haben, bis hin zu professionellen Sammlern".

"Es gibt keine Wiederholung, keine zweite Chance, alles ist einzigartig."
Restaurator Georg F.R. Pracher über die Faszination für seinen Beruf

Zudem hätte sich die Art und Weise, Projekte durchzuführen, geändert. "Bei vielen Institutionen schwinden die Mittel", sagt Georg Pracher. Mittlerweile ginge es vor allem um die Grundkonservierung von Kunstwerken, "um das Bewahren für die nächsten Jahre". Eine Minimalrestaurierung sei aktuell Standard.

Gründer Rudolf Pracher in seinem Atelier.
Foto: Georg F. R. Pracher, AKR Pracher, Würzburg | Gründer Rudolf Pracher in seinem Atelier.

Gründer Rudolf Pracher war bereits "Pionier in der Restaurierung"

Wie sich der Berufsstand des Restaurators geändert hat, kann man anhand der Familie Pracher nachvollziehen: Rudolf Pracher hat als Maler- und Vergoldermeister nach dem Krieg Möbel restauriert und Fassaden bemalt. Laut seinem Enkel ist er bereits ein "Pionier in der Restaurierung" gewesen. Während man bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts eher pragmatisch an die Restaurierung von Kunstwerken herangegangen sei – "Übermalungen waren Standard, man zerschnitt Bilder, wenn nötig, und beizte selbst Riemenschneiderfiguren ab", so Pracher –, sei sein Großvater schon damals "konservatorisch unterwegs" gewesen.

Nachdem Georg Prachers Vater, Peter R. Pracher, den Betrieb 1964 übernommen hatte, verlagerte sich der Schwerpunkt des Ateliers von Handwerk und Malerei zu Restaurierung. "Mein Großvater war handwerklich ausgebildet, mein Vater institutionell, ich wiederum akademisch", fasst Georg Pracher zusammen. Er sei von seinen Eltern nicht gedrängt worden, Restaurator zu werden, "stille Arbeit hat mir aber schon immer viel Spaß gemacht", so der 48-Jährige. Als Kind habe er Modellbau und das Bemalen seiner Modelle geliebt und in seinen Ferien im Atelier mitgeholfen.

Britta und Peter R. Pracher 1966 bei der Arbeit – am Emporengemälde der evangelisch-lutherischen Pfarrkirche in Rügheim.
Foto: Georg F. R. Pracher, AKR Pracher, Würzburg | Britta und Peter R. Pracher 1966 bei der Arbeit – am Emporengemälde der evangelisch-lutherischen Pfarrkirche in Rügheim.

Nach Peter R. Prachers Tod übernimmt Sohn Georg das Atelier

Nach dem Abitur studierte Georg Pracher zunächst zwei Semester Politik – und absolvierte dann Praktika am Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig, im Museum The Cloisters in New York und im Atelier seiner Eltern, um sich für das Studium der Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft an der TU München bewerben zu können. Mit dem Abschluss in der Tasche stieg er 2004 in den Betrieb der Eltern ein. Als 2009 sein Vater starb, übernahm er das Atelier, zusammen mit seiner Frau Julia. Als studierte Kunsthistoriker kümmert sie sich um kunstwissenschaftliche Gutachten und gibt Seminare sowie Themenführungen zu Kunstwerken Alter und Moderner Kunst. Zum Team gehört außerdem Diplomrestaurator Alvaro Fernandez, der sich wie Georg Pracher um praktische Arbeiten an den Kunstwerken kümmert.

1975 wurde das Atelier erweitert (in der Mitte: Peter R. Pracher).
Foto: Georg F. R. Pracher, AKR Pracher, Würzburg | 1975 wurde das Atelier erweitert (in der Mitte: Peter R. Pracher).

An seinem Beruf liebt Georg Pracher die Abwechslung: "Es gibt keine Wiederholung, keine zweite Chance, alles ist einzigartig", sagt er. Zudem sei immer wieder Kreativität gefragt, wenn es um Ideen zur Erhaltung geht: "Jedes Kunstwerk hat eine eigene Fragestellung – um Probleme zu lösen, muss man Sachverhalte abstrahieren."

Fragt man Georg Pracher nach Arbeiten, die ihm besonders im Gedächtnis geblieben sind, fallen ihm spontan viele ein: von der gotischen Madonna im Limburger Dom, die er neu gefasst hat, über die Restaurierung von Tiepolo-Gemälden – "Kunstwerke der Weltkunst", wie Pracher schwärmt, bis hin zu Riemenschneider-Figuren.

Oft sind die zu restaurierenden Werke nicht besonders handlich: Hier wird ein Gemälde von Tiepolo aus der Hofkirche Würzburg getragen.
Foto: Georg F. R. Pracher, AKR Pracher, Würzburg | Oft sind die zu restaurierenden Werke nicht besonders handlich: Hier wird ein Gemälde von Tiepolo aus der Hofkirche Würzburg getragen.

Eine ruhige Hand ist Voraussetzung für den Restaurator, eine künstlerische Ader nicht unbedingt

Steht der Plan für ein Objekt, "kreist man nur noch um den Quadratzentimeter, den man vor sich hat", beschreibt Pracher das Eintauchen ins Kunstwerk. Dabei muss er "konstant auf Sendung sein", denn: Jede Stelle eines Werkes kann anders reagieren. "Bei so einer Arbeit kann man nicht gleichzeitig an alltägliche Dinge wie die Einkaufliste denken", sagt Pracher und lacht. Die ruhige Hand, die er für seine millimetergenauen Arbeiten braucht, könne man trainieren. "Mit dem Mikroskop den Pinselstrich des Malers verfolgen, Kunst so nah sein zu dürfen, ist ein Privileg."

Jubiläum: 75 Jahre Atelier für Konservierung und Restaurierung Pracher

1948: Rudolf Pracher, Restaurator und Meister im Vergolder- und Malerhandwerk, gründet mit seiner Frau Johanna die Werkstatt in der Weingartenstraße 39a in Würzburg.
1964: Der Sohn, Restaurator Peter R. Pracher, übernimmt nach der Ausbildung am Dörner Institut in München sowie am Palazzo Pitti in Florenz, das Unternehmen und führt mit seiner Frau Britta, ebenfalls Restauratorin, das Atelier für Konservierung und Restaurierung von Moderner und Alter Kunst mit nationalen und internationalen Projekten.
Das Atelier entwickelt sich zu einer der führenden Werkstätten für die Konservierung und Restaurierung von Kunstwerken im In- und Ausland. Britta und Peter R. Pracher erhalten für ihr Engagement für die Erhaltung von Kunstwerken Preise und Anerkennungen, u.a. das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland 1975.
2009: Sohn Georg F.R. Pracher übernimmt nach dem Studium der Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft an der TU München das Atelier und führt es mit seiner Frau, der Kunsthistorikerin Julia Pracher.
2015: Das Bilderrahmengeschäft "Kunsthandlung Wildmeister" wird übernommen und mit einer Antiquitätengalerie im Werkstattgebäude integriert.
2023: Erweiterung und Umgestaltung verschiedener Räume.
Quelle: AKR Pracher
 
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