Ein Atelier, gegründet 1948 in einer Hausruine im zerstörten Würzburg, feiert im Jahr 2023 Jubiläum: Die damalige Werkstatt von Maler- und Vergoldermeister Rudolf Pracher hat sich innerhalb der vergangenen 75 Jahre zu einem in In- und Ausland bekannten Atelier für die Konservierung und Restaurierung bedeutender Kunstwerke entwickelt. Geführt wird es mittlerweile in der dritten Generation von Georg F.R. und Julia Pracher. Ein Besuch in der Weingartenstraße 39a.
Inmitten sorgfältig gerahmter Gemälde und ausgewählter Antiquitäten empfangen Georg und Julia Pracher den Besucher in ihrem Reich – dem Atelier Pracher, das sich der Erhaltung von Kunst- und Kulturgütern verschrieben hat. Dazu gehören die Konservierung, Restaurierung und Untersuchung von Werken Alter und Neuer Kunst. Was für diese Arbeiten nötig ist, und wie sich das Atelier und der Beruf des Restaurators in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt hat, erklären die beiden bei einem Rundgang durchs Haus.
Dieser beginnt in der Ein- und Ausgangsschleuse, in der die Werke, die restauriert werden sollen, aufgenommen und ihre Schäden dokumentiert werden. Über die Schleuse geht es zu einem Raum für Feinarbeiten. Hier steht auf einer Staffelei ein Bild von Pieter Claesz aus dem 17. Jahrhundert; es zeigt ein Stillleben. Georg Pracher arbeitet unter anderem daran, die ursprünglichen Farben des Werks wieder strahlen zu lassen. "Großflächige Übermalungen sind dunkel geworden, und neu dazugekommene Retuschen altern oft anders als die ursprünglichen Farben", erklärt der Diplomrestaurator die dunklen Stellen und Verfärbungen.
Eine Treppe führt nach oben in das Herz des Ateliers, einen großen hellen Raum, den ein sieben Meter langer Arbeitstisch dominiert. Besonders sperrige Kunstwerke können mithilfe einer Umzugsfirma über die breite Fensterfront in den Raum gewuchtet werden.
Gerade liegt auf dem Tisch ein knapp sieben Meter hohes historisches Bühnenbild aus dem ehemaligen Hof-Theater zu Meiningen, "ein Schatz der Theatergeschichte", so Pracher. Es handelt sich um die historische Bühnendeko zu Friedrich Schillers Drama "Die Räuber", die für das Theatermuseum wiederhergestellt werden soll. Vom Theatervorhang über kleine Krippen-Gipsfiguren bis hin zum aufwändig verzierten, überdimensionalen Schmuckrahmen eines Münchner Museums – im Atelier werden unterschiedlichste Werke parallel bearbeitet. "Der Wert eines Objekts spielt für uns dabei keine Rolle", sagt Pracher.
Die Kunden reichen von Institutionen bis hin zu Menschen, die Bilder von Oma geerbt haben
Inzwischen ginge es bei der Arbeit als Restaurator nicht mehr rein um die praktische Arbeit, sondern auch um Beratung, zum Beispiel von Museen bei einer Ausstellungsvorbereitung, oder von Privatpersonen, die ihre Sammlung pflegen oder veräußern wollen, erklärt Pracher. Eine Hälfte seiner Kunden bestünde aus Institutionen wie Museen, Gemeinden oder Diözesen; die andere Hälfte aus Privatpersonen – "das reicht von Menschen, die Bilder von Oma geerbt haben, bis hin zu professionellen Sammlern".
Zudem hätte sich die Art und Weise, Projekte durchzuführen, geändert. "Bei vielen Institutionen schwinden die Mittel", sagt Georg Pracher. Mittlerweile ginge es vor allem um die Grundkonservierung von Kunstwerken, "um das Bewahren für die nächsten Jahre". Eine Minimalrestaurierung sei aktuell Standard.
Gründer Rudolf Pracher war bereits "Pionier in der Restaurierung"
Wie sich der Berufsstand des Restaurators geändert hat, kann man anhand der Familie Pracher nachvollziehen: Rudolf Pracher hat als Maler- und Vergoldermeister nach dem Krieg Möbel restauriert und Fassaden bemalt. Laut seinem Enkel ist er bereits ein "Pionier in der Restaurierung" gewesen. Während man bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts eher pragmatisch an die Restaurierung von Kunstwerken herangegangen sei – "Übermalungen waren Standard, man zerschnitt Bilder, wenn nötig, und beizte selbst Riemenschneiderfiguren ab", so Pracher –, sei sein Großvater schon damals "konservatorisch unterwegs" gewesen.
Nachdem Georg Prachers Vater, Peter R. Pracher, den Betrieb 1964 übernommen hatte, verlagerte sich der Schwerpunkt des Ateliers von Handwerk und Malerei zu Restaurierung. "Mein Großvater war handwerklich ausgebildet, mein Vater institutionell, ich wiederum akademisch", fasst Georg Pracher zusammen. Er sei von seinen Eltern nicht gedrängt worden, Restaurator zu werden, "stille Arbeit hat mir aber schon immer viel Spaß gemacht", so der 48-Jährige. Als Kind habe er Modellbau und das Bemalen seiner Modelle geliebt und in seinen Ferien im Atelier mitgeholfen.
Nach Peter R. Prachers Tod übernimmt Sohn Georg das Atelier
Nach dem Abitur studierte Georg Pracher zunächst zwei Semester Politik – und absolvierte dann Praktika am Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig, im Museum The Cloisters in New York und im Atelier seiner Eltern, um sich für das Studium der Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft an der TU München bewerben zu können. Mit dem Abschluss in der Tasche stieg er 2004 in den Betrieb der Eltern ein. Als 2009 sein Vater starb, übernahm er das Atelier, zusammen mit seiner Frau Julia. Als studierte Kunsthistoriker kümmert sie sich um kunstwissenschaftliche Gutachten und gibt Seminare sowie Themenführungen zu Kunstwerken Alter und Moderner Kunst. Zum Team gehört außerdem Diplomrestaurator Alvaro Fernandez, der sich wie Georg Pracher um praktische Arbeiten an den Kunstwerken kümmert.
An seinem Beruf liebt Georg Pracher die Abwechslung: "Es gibt keine Wiederholung, keine zweite Chance, alles ist einzigartig", sagt er. Zudem sei immer wieder Kreativität gefragt, wenn es um Ideen zur Erhaltung geht: "Jedes Kunstwerk hat eine eigene Fragestellung – um Probleme zu lösen, muss man Sachverhalte abstrahieren."
Fragt man Georg Pracher nach Arbeiten, die ihm besonders im Gedächtnis geblieben sind, fallen ihm spontan viele ein: von der gotischen Madonna im Limburger Dom, die er neu gefasst hat, über die Restaurierung von Tiepolo-Gemälden – "Kunstwerke der Weltkunst", wie Pracher schwärmt, bis hin zu Riemenschneider-Figuren.
Eine ruhige Hand ist Voraussetzung für den Restaurator, eine künstlerische Ader nicht unbedingt
Steht der Plan für ein Objekt, "kreist man nur noch um den Quadratzentimeter, den man vor sich hat", beschreibt Pracher das Eintauchen ins Kunstwerk. Dabei muss er "konstant auf Sendung sein", denn: Jede Stelle eines Werkes kann anders reagieren. "Bei so einer Arbeit kann man nicht gleichzeitig an alltägliche Dinge wie die Einkaufliste denken", sagt Pracher und lacht. Die ruhige Hand, die er für seine millimetergenauen Arbeiten braucht, könne man trainieren. "Mit dem Mikroskop den Pinselstrich des Malers verfolgen, Kunst so nah sein zu dürfen, ist ein Privileg."