„Ohne Werk der Hand kann kein Werk schöner Kunst zustande kommen.“ Die Worte stammen von Wilhelm Georg Alexander von Kügelgen, einem deutschen Maler und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Auch wenn ein Künstler sich vielleicht nicht mit einem Handwerker vergleicht, so ist das Handwerk doch nötig, um die Kunst ins rechte Licht zu rücken. Die Wappenfigur für das Handwerk auf dem Schweinfurter Rathausgiebel gibt deshalb Anlass, diesen Aspekt einmal zu recherchieren.
Ausgangspunkt unserer Betrachtungen ist die Schweinfurter Kunsthalle. Auf knapp 2200 Quadratmetern in zwei Geschossen werden hier die städtischen Kunstsammlungen, die Exponate des Kunstvereins Schweinfurt und die Sammlung Joseph Hierling ausgestellt. Hinzu kommen Wechselausstellungen, zuletzt die Triennale für zeitgenössische Kunst, die seit der Eröffnung 2009 eine feste Größe ist und großes Publikum anlockt. Doch welcher Besucher macht sich Gedanken, wie die Kunst überhaupt in die Ausstellung kommt und welche Vorarbeiten dafür nötig sind. Zum Beispiel das Herrichten der Ausstellungsräume oder die Rahmung der Bilder oder auch die Restauration von Werken, die aus dem Depot geholt werden.
Viele Arbeiten erledigt das Technikteam der Kunsthalle unter der Leitung von Jürgen Benini selbst. Manches wird aber auch außer Haus gegeben, und manchmal werden die Fachleute ins Haus geholt.
Luftfederung sichert die wertvolle Fracht
Wir besuchen das Atelier Pracher in Würzburg, „seit über 65 Jahren im Dienst der Kunst“, heißt es auf dem Firmenflyer. „Wir restaurieren und konservieren hochwertige Werke alter sowie neuer Kunst“, fasst Georg Pracher sein Aufgabengebiet zusammen. Von der Schweinfurter Kunsthalle wird er zwei- bis dreimal im Jahr angefordert. Zuletzt hat er dort ein großes Graffiti-Kunstwerk auf Aluminium-Rahmen aufgezogen. Wenn möglich arbeitet er vor Ort, denn der Transport von Kunstwerken ist aufwändig. Das fängt mit der Verpackung an, ein Kunstwerk kann man ja nicht einfach so in den Transporter legen. Apropos Transporter: Dieser muss mit einer Luftfederung ausgestattet sein, damit beim Durchfahren von Schlaglöchern die wertvolle Fracht keinen Schaden erleidet. Und: „Jeder Transport ist natürlich versichert.“
Georg Pracher ist Diplom-Restaurator, versteht sich selbst aber weder als Künstler noch als Handwerker. „Wir arbeiten zwar handwerklich, aber ein großer Part unserer Tätigkeit ist die ganzheitliche Betreuung von Kunstwerken für staatliche Institutionen, Museen oder private Sammler in ganz Deutschland.“ Beim Besuch in seinem Atelier wird gerade ein Apostelbild aus der Werkstatt des flämischen Malers Anton van Dyck restauriert. Schmutz und Schimmelbefall auf der Oberfläche haben den Firniss verfärbt. „Die komplette Farbwiedergabe war verfälscht“, erklärt Pracher. Im Depotraum sind Kunstwerke aus einer Kirche bei Uffenheim zwischengelagert, in der Pracher die Altäre konserviert. Nebenan wird an einem wertvollen Ölgemälde auf Leinwand gearbeitet, das durch einen Brand stark beschädigt wurde. Und ein privater Sammler hat ein Landschaftsbild gebracht, dessen Leinwand deformiert ist, nachdem der Enkel mit dem Fußball darauf geschossen hat.
Für jedes Kunstwerk erstellt Pracher eine Eingangs- und Ausgangsdokumentation, führt Besprechungen mit den Auftraggebern und berät sich mit seinem Team, wie man bei der Restauration vorgeht. „Wir haben eine große Verantwortung. Entscheidungen werden nicht leichtfertig getroffen. Denn die Kunstwerke sind ja die Identität eines Ortes oder einer Gesellschaft.“
Zehn Andy Warhols gerahmt
Ortswechsel: Besuch im Kunsthaus Wegner in Schweinfurt. Inhaber Ullrich Wegner ist Grafik-Designer und hat sich auf die Rahmung von Bildern spezialisiert. Für die Gunter-Sachs-Ausstellung 2014 in der Kunsthalle hat er zehn Andy Warhols gerahmt. Jetzt könnte man meinen, das wäre keine große Sache. Das Gegenteil ist der Fall: Denn die Porträts und Siebdrucke aus den 1960er-Jahren, die ein privater Sammler zur Verfügung gestellt hatte, durften die Kunsthalle nicht verlassen.
Wegner musste alle Arbeiten vor Ort erledigen. „Das war ein hoher Aufwand.“ Auch 30 Fotografien hat er für die Sachs-Ausstellung gerahmt. Hier durfte er kein Klebeband verwenden, damit keine Rückstände verblieben. Die Fotos wurden deshalb mit säurefreien Fotoecken am Passepartout befestigt.
Aktuell liegt ein Großauftrag eines Geschäftsmannes in seiner Werkstatt. Es sind zwölf original James-Bond-Kinofilm-Plakate aus den 1960er-Jahren, die hinter Plexiglas gerahmt werden sollen. „Die kommen direkt aus den Staaten“, verweist Wegner auf den hohen Wert dieser Sammlerstücke.
Echte Handarbeit
Wegner fertigt alle Rahmen selbst in seiner Werkstatt neben seinem Wohnhaus in Werneck. Hier lagern Leisten in allen Farben und Formen. „Im Moment ist Schwarz, Silber und Weiß der Trend.“ Hier werden auch die Gläser zugeschnitten und die Bilder aufgezogen. Ehefrau Brigitte hilft mit. Die Rahmung erfolgt im Geschäft in Schweinfurt. Hier werden auch die Passepartouts angefertigt. Im Kunsthaus Wegner ist das noch echte Handarbeit.
Eigentlich wollte der heute 61-Jährige immer künstlerisch arbeiten. Schon während seines Grafik-Design-Studiums fertigte er Radierungen mit Ortsansichten von Schweinfurt und Volkach, um sich ein Zubrot zu verdienen. Nur die passenden Rahmen dazu fand er nicht. Sie sollten bunt und modern sein. Deshalb ließ Wegner sich vom Schreiner entsprechende Leisten sägen und beizte sie selbst in den verschiedensten Farben. Aus dem Künstler wurde so im Lauf der Jahre ein Handwerker, denn das Geschäft mit den Rahmen florierte. Nach dreieinhalb Jahren zog Wegner deshalb von der Oberen Straße in die größeren Räume in der Wolfsgasse um, wo er nun schon seit 31 Jahren sein „Kunsthaus“ betreibt. Künstlerisch arbeitet er heute kaum noch. Doch wie Georg Alexander von Kügelgen schon wusste: Mit dem Werk der Hand kommen Werke schöner Kunst zustande.