Der Grundstein wurde im Januar 1957 in einem Wohnzimmer in Zell gelegt: Aus einer Geburtstagsfeier heraus gründen Volksblatt-Chefredakteur Hermann Kober, seine Frau Irene und einige Freunde einen Unterstützerverein für den französischen Lepra-Arzt Antoine Féron in Äthiopien.
Daraus wird schnell das „Deutsche Aussätzigen-Hilfswerk“ (DAHW), das seit 2003 als Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe aktuell in 20 Ländern tätig ist – mit einem Jahresbudget von zuletzt rund 16 Millionen Euro und rund 50 Mitarbeitern in der Würzburger Zentrale. Das Jubiläumsjahr zum 60-jährigen Bestehen wurde am Freitag mit einem Festakt und einem Staatsempfang in der Residenz offiziell abgerundet.
Gäste aus aller Welt beim Festakt in der Residenz
Was die DAHW ausmacht, zeigte ein Blick in die Gästereihen: Frühere Lepra- und TB-Patientinnen aus Nigeria und Indien. Ärztliche Berater aus Tansania, Uganda und Paraguay. Vertreter von Lepraorganisationen aus allen Teilen der Welt. Oder Mervyn Lobo aus Pakistan, der dort die Nachfolge der im August verstorbenen Ärztin und Ordensfrau Ruth Pfau als Chef des Leprazentrums in Karachi übernommen hat.
Seit der Gründung war die DAHW von Würzburg aus in über 80 Ländern im Einsatz. Dabei hat man sich neben Lepra und TB längst weiteren vernachlässigten Tropenkrankheiten verschrieben. Auch die soziale Arbeit – gegen Stigmatisierung und Ausgrenzung – ist zentral.
Brücke zu Ehren von DAHW-Mitbegründer Hermann Kober
Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt hatte zum Festakt ein Geschenk mitgebracht: das Straßenschild für die neu nach dem DAHW-Mitbegründer benannte Hermann-Kober-Brücke, die in Nähe der DAHW-Zentrale in der Raiffeisenstraße über die Bahngleise zum Mönchberg führt – und auch für die Zusammenarbeit zwischen DAHW und Missionsärztlichem Institut steht.
Der OB würdigte die Arbeit der DAHW. Zwei Millionen Lepra- und vier Millionen Tuberkulosekranke hätten soziale und medizinische Hilfe erfahren. „Der Name Würzburg ist dadurch für unzählige Menschen in aller Welt zu einem Synonym für Hilfe und Heilung geworden.“
DAHW half bei der Städtepartnerschaft mit Mwanza
Die Verbundenheit mit Würzburg zeige auch das Kinderfest, das seit 1986 gemeinsam von der DAHW mit der Stadt und dem Bayerischen Rundfunk ausgerichtet wird. Für das Zustandekommen der Städtepartnerschaft mit dem tansanischen Mwanza im Jahr 1966 zeichne das Werk mitverantwortlich.
Schuchardt verwies auf das laufende Projekt der DAHW und dem Missio zur Bekämpfung der Wurmerkrankung Schistosomiasis in der Region Mwanza. Und der OB erklärte den Zusammenhang zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Fluchtelend: „Wenn wir verhindern wollen, dass sich immer mehr Afrikaner auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa machen, müssen wir noch mehr tun, damit die Menschen in ihrer Heimat ein menschenwürdiges Leben führen können.“ Die DAHW sei hier vorbildlich. Sie stehe für die in Würzburg gelebte internationale Solidarität.
DAHW-Präsidentin von Wiedersperg: „Bei den Menschen sein“
Viele Menschen in Stadt und Region unterstützen das Hilfswerk. So fördern die drei Würzburger Rotary Clubs seit 17 Jahren die Arbeit der DAHW im äthiopischen Bisidimo, 120 000 Euro wurden seitdem in Strom-/Wasserversorgung und die Gründung einer zahnmedizinischen Abteilung am Hospital investiert. In Kürze wird der DAHW-Vorstand nach Bisidimo reisen, dann ist neben anderen auch der evangelische Pfarrer Niko Natzschka als Rotarier dabei.
DAHW-Präsidentin Gudrun von Wiedersperg rückte die Motivation der Hilfe in den Mittelpunkt ihrer Rede. Es gehe um Grundhaltungen, es gehe um das Menschsein und die Zuwendung. Im Gespräch mit Irene Kober erinnerte sie an die Anfänge im Jahr 1957. Eigentlich, sagte die 91-jährige „DAHW-Mutter“, habe man nur dem Arzt in Äthiopien helfen und wieder aufhören wollen. Aber mit der unerwarteten Spendenmenge musste und wollte man einfach weitermachen. „Dass das einmal so groß wird, hätte ich nie gedacht.“
20 Jahre Ruth-Pfau-Stiftung, zehn Jahre Hermann-Kober-Stiftung
Gefeiert wurde am Freitag auch das zehnjährige Bestehen der Hermann-Kober-Stiftung und 20 Jahre Ruth-Pfau-Stiftung. Sie ist nach der im August 87-jährig in Pakistan verstorbenen Ärztin und Ordensfrau benannt, dem „Engel der Leprakranken“.
Als Christin im muslimisch geprägten Land erhielt sie ein Staatsbegräbnis, Wiedersperg und der stellvertretende DAHW-Geschäftsführer Harald Meyer-Porzky waren in Karachi dabei und berichteten von einem bewegenden Tag zu Ehren einer großen Frau.
Applaus für junge und altgediente Ehrenamtsgruppen
Dass die DAHW trotz rückläufiger Spenden auch in Zukunft gut aufgestellt ist, dafür sorgen Ehrenamtliche wie eine Gruppe von sechs Jugendlichen. Sie erklärten, warum sie in ihrer Freizeit anderen Menschen helfen wollen. So wie dies Ehrenamtsgruppen in ganz Deutschland tun. Die seit 50 Jahren bestehende Lepragruppe in Straelen (Niederrhein) hat mit Basaren und Benefizessen fast 300 000 Euro für die DAHW-Arbeit gesammelt. Auch dafür gab es viel Applaus.